Suzi Analogue ist nicht die Art von Person, die sich zurückhält und auf eine Gelegenheit zum Anklopfen wartet. Seit 2009 ist sie scheinbar unermüdlich aktiv – als Produzentin mit kontinuierlichen Releases, Sängerin, DJ und seit 2014 auch als Labelchefin von Never Normal Records.
Als wir kürzlich die Gelegenheit für ein Interview mit ihr hatten, war sie gerade in ihrem Studio in Miami (sie pendelt regelmäßig zwischen Miami und New York) mit dem Soundtrack für eine Modenschau beschäftigt. Dieser sollte im Rahmen der New York Fashion Week live aufgeführt werden. Der Anlass unseres Gesprächs war allerdings ein anderer: ZONEZ V.3, die dritte Folge von Suzi Analogues zunehmend ins Experimentelle driftender Beat-Tape-Reihe. Hier erschließt die Produzentin mit 11 Tracks selbstbewusst neue Territorien für ihre Musik: Dub-inspirierte Club-Tracks, unorthodoxe Bass Music, bedrohlich klingender Boom Bap und vielseitige, detailreiche Elektronik-Produktionen.
In unserem ausführlichen Interview spricht Suzi Analogue über ihre musikalische Herangehensweise, zuverlässige Studio-Tricks und darüber, wie aus musikalischen Skizzen eindrucksvolle Produktionen entstehen.
Ableton: Wie beginnst du neue Tracks? Musst du von etwas Bestimmtem inspiriert sein – von einem Sound, einer Idee? Oder zwingst du dich dazu, ins Studio zu gehen und zu arbeiten?
Suzi Analogue: Für mich gibt es verschiedene Wege. Um meine Kreativität in Schwung zu halten, führe ich beispielsweise ein Notizbuch für Wörter und Phrasen, die mich inspirieren. Ich habe es immer dabei, als Fan japanischer Schreibwaren – putzige Notizblöcke und andere besondere Ideenspeicher. Ich bin zwar eine Produzentin, verstehe mich aber als Songwriterin. Selbst wenn ich in meinen Tracks nicht spreche oder singe, lasse ich mich von Wörtern und Konzepten aus meinem Notizbuch inspirieren. Für mich gibt es eine enge Beziehung zwischen Wörtern und Klängen – eine Art Synästhesie, mit Wörtern statt Farben.
Das bringt mich dazu, neue Tracks zu beginnen, und an diesem Punkt lasse ich mich von dem Equipment leiten, das mich gerade umgibt. Bei vielen Tracks von ZONEZ V.3 habe ich Push 2 und seine Möglichkeiten erforscht und eine Beziehung zum Gerät selbst aufgebaut, ähnlich wie zu meinem Critter & Guitari Organelle und Moog Mother-32. Im Grunde genommen bin ich im Studio wie eine verrückte Wissenschaftlerin, die alles ausprobiert. Dann nutze ich die Sounds, die in dieser Phase entstehen, und mache Loops daraus, die mir gefallen und auf denen ich aufbauen kann.
Ist das die Phase der Rohfassung, wenn du von Null an etwas entwickelst?
Genau. Sobald ich eine Verbindung zu einem Loop gefunden habe, konsultiere ich mein Notizbuch. Welche Wörter und Konzepte klingen wie dieser Loop? Welches Wort aus dem Notizbuch passt zu ihm? Als ich beispielsweise den Loop für meinen Track Beach Cruiser entwickelt habe, dachte ich: „Das klingt nach Strand und Entspannung“. Darauf habe ich aufgebaut, als Konzept für den Song. Ein ungefähres Konzept, aber definitiv ein Konzept. So ging das los.
Sampling war früher ein wichtiger Teil deiner Musik. Hat es auch auf der jüngsten Ausgabe von ZONEZ eine Rolle gespielt?
Für ZONEZ V.3 habe ich keine Platten oder Field Recordings gesampelt, sondern die Leute um mich herum – Freunde im Studio, die noch nie zuvor an Songs beteiligt waren. „Hey, sei bei meinem Track dabei“, habe ich gesagt, „bis hierhin ist er fertig – was ist für dich darin zu hören?“ Und ich war sehr gespannt darauf, was sie machen würden. Für mich sind die Leute, die während der Aufnahme dabei waren, ein wichtiger Aspekt der Aufnahme. Ich wollte wissen, wie sie die Sounds verstehen und dazu gebracht werden, einen anderen Sound oder eine Phrase aufzunehmen. Für den Großteil der Vocals auf ZONEZ habe ich einfach die Leute neben mir gesampelt: „Darf ich dich sampeln?“ Wir haben ganze Verse aufgenommen, die ich dann zerlegt habe – je nachdem, was das Coolste und Stärkste ihrer Äußerung war.
Ist so beispielsweise dein Song „Numba 1“ entstanden?
Ja, genau so, obwohl das überhaupt nicht geplant war. Ich habe nur gesagt: „Jax, hör’ dir mal diesen Track an. Ich habe schon eine Idee, aber wie würdest du dazu rappen?“ Ich wollte keinen ganzen Song, sondern ungeschliffene Vocals von ihm bekommen, um sie in ihrer Natürlichkeit zu sampeln. Es fand also kein Nachdenken statt, die Vocals entstanden ganz spontan.
Wenn du beim Sampeln die Leute um dich herum einbeziehst – war das nur auf Vocals beschränkt? Oder hast du auch Instrumente gesampelt?
Na klar! Im Grunde habe ich so gesampelt wie für einen HipHop-Track – anstatt einer Platte habe ich meine Freunde beim Synthesizer-Spielen oder ihre Vocals gesampelt. Es begann mit Jam-Sessions, dann habe ich in der Session-Ansicht alle Audio-Loops aufgenommen und gespeichert und mit Track-Skizzen begonnen. Bei manchen Songs gab es anfangs 15 bis 20 Clips, die ich mit dem Organelle in verschiedenen Tonarten eingespielt habe. Dann habe ich versucht, die Clips und ein paar Loops, die ich direkt hintereinander spielen konnte, zu arrangieren und mich gewissermaßen mit angeschaltetem Metronom von Ast zu Ast zu hangeln.
Es gibt einige herausragende Percussion-Sounds, etwa in „Numba 1“ – keine richtige Snare, aber sehr wirkungsvoll für so ein kleines Detail.
Ja, das war fast wie eine Hi-Hat. Ich habe den Sound weiter bearbeitet und gefiltert, er sollte aber weiterhin lebendig klingen. Danach habe ich oft gesucht: Wie kann ich diesen Sound oder jenen Song so gestalten, dass man sich dazu bewegen will, Spaß hat und darauf reagiert?
Wendest du beim Bearbeiten von Drums oder rhythmischen Elementen gerne bestimmte Techniken oder Tools an?
Ja, ich nutze Lives Saturator-Effekt sehr oft, er hat mir bei diesem Projekt sehr geholfen. Als ich mit Mark Bengston bei Red Bull [Studios NYC] den Downmix machte, haben wir mit Saturator viele einzelne Sounds deeper gemacht, ohne sie komprimieren zu müssen. Andere Leute bearbeiten ihre ganzen Sounds gerne in Reihe oder per Sidechaining, aber ich nutze inzwischen lieber Saturator, weil die einzelnen Lautstärken so erhalten bleiben.
Hast du Saturator auf Drum-Gruppen oder eher auf einzelne Sounds angewendet?
Viel eher auf einzelne Sounds.
Auf ZONEZ V.3 erforscht du neue Klanggefilde. Wie sind Songs wie „Tightrr“ entstanden? Wolltest du etwas radikal Neues versuchen? Oder einfach einen neuen Weg ausprobieren?
„Tightrr“ begann mit dem Sampeln und Re-Sampeln einer langen, in Ableton eingespielten Synth-Line. Sie klang zunächst wie Legend of Zelda, deswegen hat die Melodie etwas Triumphierendes. Ich habe sie dann in kleinere Teile zerlegt, damit das Sample nicht so viel Platz einnimmt. Dann habe ich Drums entwickelt, deren Stimmung dazu passt – für mich ist der Track „sportlich“, mit den Drums wurde er dann fast „peppig“, doch die Schwere der Melodie bildete einen Kontrast. Die Melodie ist so berührend – wie sich der Loop auflöst, das brachte mich dazu, singen zu wollen. So denke ich, wenn ich die Sachen durchgehe – ich verstehe, wo der Song hinwill und denke: „Dazu will ich singen“.
Beim Komponieren von „Tightrr“ kam es mir auch so vor, als wolle der Track immer weiter wachsen und von den Hörern etwas fordern. Das gab dem Ganzen eine Richtung – ich wollte die Texturen immer weiter steigern, und dann kommt ein Build-up, der wie eine Umarmung klingen soll. Als ob der Track festgehalten werden möchte. Im nächsten Teil ist mehr Bewegung, weitere Elemente treten hervor, und das soll dich umarmen, einhüllen und wieder loslassen, um wieder von Neuem zu beginnen.
Wie ist der Song „Deserve Better“ entstanden?
Das ist eine Zusammenarbeit mit [DJ] Taye – wir haben am Synth herumgespielt und das aufgenommen. Ich habe ihm gezeigt, wie der Organelle funktioniert, und ihn dann beim Jammen aufgenommen. Später habe ich mir die Audiodatei nochmal angehört und dachte: „Ich finde den Synth schon ganz gut, werde die Aufnahme aber zerschneiden.“
Ich habe sie dann an Opal Hoyt geschickt – eine Musikerin aus Brooklyn [und Mitglied der Band Zenizen]. Ihre Stimme hat so viel Attitude, deswegen bat ich sie um ein paar Vocal-Loops. Sie schickte mir sehr viele davon – an die vier Minuten an Ideen. Die habe ich dann zerlegt, damit sie genau an die Stellen mit dem Synth-Sample passen. Als alles zusammen war, fand ich den Track ziemlich roh, er klang fast wie ein Drum-and-Bass- Track mit Vocals, die wie aus dem Nichts kommen. Einfach ziemlich roh, und genau so wollte ich es haben. Wenn Songs so roh sind, schmerzen sie, und ich dachte: „Da fehlen noch Vocals“. Ich wollte mich mit der Attitude aufnehmen, die der Song ausstrahlt. Also habe ich versucht, etwas aufzunehmen, das den Hörern sagt, dass sie ihren eigenen Wert erkennen sollen.
Dieser Track ist wie viele andere deiner Produktionen hinsichtlich der Anzahl der verwendeten Elemente sehr effizient, wirkt aber nicht leer. Ist das beabsichtigt?
Viele Tracks neigen dazu, alle möglichen tollen Sounds zu präsentieren – als ob sie wollten, dass die Leute bei all der Stimulation die Kontrolle verlieren. Deswegen will ich nur solche Musik machen, die sich durchdenken lässt. Man soll dazu nicht nur tanzen können, sondern auch davon berührt werden. Für mich hat jeder Song eine Botschaft – ich kommuniziere durch ihn, selbst wenn er ein Instrumental ist. Und diese Botschaft kommt nicht an, wenn alles total durchgedreht und die Hörer nicht darauf eingestimmt sind. Eigentlich lautet die Botschaft: „Hört zu!“
Und deswegen lässt du Raum in deiner Musik?
Vielleicht ist das nur ein persönlicher Wunsch, aber ich möchte in meiner Musik Raum zum Nachdenken haben. Ich möchte einen Raum schaffen, in dem man einfach sein kann, um sich mit den Klängen selbst zu beschäftigen.
Ich will vielseitig klingen – man kann mich stilistisch nicht einordnen und mir meinen Schaffensprozess auch nicht vorenthalten. Daran habe ich gearbeitet, damit mir auch in Zukunft Raum zum Wachsen bleibt und ich Stilrichtungen ausprobieren kann, die ich jetzt vielleicht noch gar nicht kenne. Zu diesem Entschluss kam ich erst vor ein paar Jahren. Eigentlich war das auch der Grund für die Zonez-Serie. Ich fühlte mich in Hinsicht auf meine Musik ein wenig missverstanden – es wurde versucht, mich auf einen Stil festzunageln, und in diese Falle wollte ich nicht tappen, weil ich abwechslungsreiche Alben machen will. Das war meine Mission für die Zonez-Serie, und ich würde sagen, dass das bisher gut funktioniert hat.
Bleiben Sie mit Suzi Analogue über ihre Website und Soundcloud in Verbindung.