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Spirit of the Beehive: Unbeschreiblich intensiv
Spirit of the Beehive gehört zweifellos zu den originellsten und eigensinnigsten amerikanischen Indiebands. Seit ihrem Debüt 2014 integrierte die Band aus Philadelphia immer mehr Elemente aus DIY-Postpunk, Psychedelic Rock, Synthpop und elektronischer Musik in ihren Sound. In Kombination mit gelegentlichen sanften Gitarren-Interludes und Vocals entstand daraus ein musikalisches Panorama, das an eine vorgespulte VHS-Kassetten aus jemandes Campingurlaub denken lässt. Versuche von Musikjournalist:innen, den Sound der Band zu beschreiben, bedienten sich in der Vergangenheit oft an Adjektiven wie „kryptisch”, „stumpfsinnig”, „zurückhaltend”, „paranoid”, „intensiv”, und – besser wird’s nicht – „unbeschreiblich”.
Hin oder her: Spirit of the Beehive ist eine Band, deren Musikalität sich zugleich durch Strenge und Lockerheit auszeichnet. Egal wie extrem und desorientierend die Rhythmen, Harmonien oder Texturen in ihren Songs dabei auch manchmal sein mögen, die Entwicklung all jener Elemente macht nie einen wahllosen Eindruck. Jeder Parameter und jedes Arrangement klingt nuanciert, geplant und komponiert. Dies mag daran liegen, dass die Band sich durch ihre Wurzeln im DIY-Punk und das ständige Auftreten auf der Bühne synchronisiert hat, während sie gleichzeitig ihren experimentellen Impulsen treu blieb. Woran es nun auch liegen mag, der Pfad der Band mündete in Entertainment, Death, ihrem vermutlich radikalsten und dennoch einladendsten Album.
Wir haben mit Spirit of the Beehive darüber gesprochen, wie sie ihr erstes komplett selbst produziertes Album aufgenommen haben, und welche neuen Sounds und Techniken dabei zum Einsatz kamen. Wie der Drummer, Keyboarder und Sampler-Experte Corey Wichlin feststellt, bestand der rote Faden der Band immer in deren Anspruch, kompositorisch mit Spannung und Entspannung zu arbeiten – eine Herangehensweise, die sich auf jeden Aspekt ihrer Musik anwenden lässt. „Wir arbeiten viel mit Transpositions- und Tempomanipulationen, um ein Gefühl von Nervosität oder Düsterheit zu erzeugen”, sagt Gitarrist und Sänger Zack Schwartz. „Wir spielen aber auch gerne mit Räumlichkeit, also wo bestimmte Sounds einen im Stereofeld treffen.”
Die Entstehung von Songs
Bis zum Jahre 2020, so Zack Schwartz, gestaltete sich der Prozess des Songwritings noch eher traditionell: Die Arbeit an Tracks begann bei einem der Bandmitglieder zu Hause, bevor sie dann im Proberaum an Substanz gewannen. Schritt für Schritt hielten jedoch mehr elektronische Elemente Einzug in den Prozess. „Normalerweise hatte ich eine Songidee bereit, die wir dann übten, um von dort aus weiterzugehen”, erklärt Schwartz. „Wir haben mit Synths aufgenommen, aber haben sie live erst einige Jahre später eingebunden. In Hinblick auf Elektronisches hatten wir uns maximal vielleicht mal ein paar Drum Machines genähert.”
Die Entwicklung von Entertainment, Death zu Zeiten von Pandemie und Isolation führte noch eine ganz andere Komponente in die Arbeit der Band ein: E-Mails. Tatsächlich sogar Massen an E-Mails, mit Ideen und Sound-Dateien, sowie zahlreichen Diskussionen darüber, welche davon nun auf einer Platte zusammenpassen würden.
„Wenn ich Parts aufgenommen habe, habe ich oft raue Mengen davon aufgenommen und allen anderen geschickt, im Wissen, dass viele davon rausfliegen, sodass wir im Mixdown Optionen haben würden,” erzählt Wichlin. „Dasselbe gilt für Effekte und Synth-Patches,” fügt er hinzu. „Ich habe manchmal denselben Part öfters durch verschiedene Hardware-Effektketten aufgenommen, oder mit verschiedenen Keyboards, sodass wir verschiedene Sounds benutzen konnten, sobald der Kontext des kompletten Arrangements stand.”
Laut Schwartz war es dieses – in Ermangelung eines besseren Ausdrucks – dezentralisierte Herangehen, dass der Band mehr Zeit gab, als sie jemals in einem richtigen Studio gehabt hätte. Und so suboptimal es gewesen sein mag, musikalische Spuren und Ideen hin und her zu mailen, es funktionierte. „Der Entstehungsprozess dieses Albums war im Grunde das exakte Gegenteil davon, wie wir [das vorherige Album] Hypnic Jerks gemacht haben,” erklärt Schwartz. „Das mussten wir in sieben Tagen aufnehmen, weil das eben die Studiozeit war, die wir hatten, während Entertainment, Death über einen Zeitraum von drei oder vier Monaten entstand.”
Synths und Effekte
Die Mitglieder von Spirit of the Beehive sind im Besitz einer beträchtlichen Anzahl an Synths, Gitarren-Effektpedalen und anderen Instrumenten für die Herstellung von Sounds. Im Prozess der Produktion von Entertainment, Death konnte alles davon für Aufnahmen genutzt werden. Schwartz erzählt dazu: „Wir haben eine ganz anständige Sammlung an analogen Synths, und wir layern die normalerweise mit bestimmten Soft-Synths, die Sachen können, die die alten Synths nicht hinkriegen.” War ein Instrument aufgenommen, erledigte die Band den Rest der Bearbeitung und des Mischens in Ableton Live.
Für Entertainment, Death investierte die Band außerdem in ein UAD Apollo-Audiointerface, vor allem der Kompressoren und Equalizer wegen. Auf Vocals wurde Kompression angewandt, dazu Delay, Reverb und – ganz im Sinne des Interesses der Band für das Stereofeld – Chorus- und Widening-Effekte. „Ob mehr passiert als das, entscheiden wir je nach Fall, und manchmal ist das dann mehr das Ergebnis der Bus-Bearbeitung und betrifft nicht nur die Vocals,” erklärt Wichlin. „Bei Aufnahmen benutzen wir meistens Effekte mit Sends/Returns und entsprechender Balance, live legen wir den Effekt aber normalerweise auf die eigentliche Spur und halten den Mix einfach niedriger als wenn wir aufnehmen,” fügt Schwartz hinzu. Bei Konzerten beinhaltet das Delays und Reverbs, aber auch gelegentliches Pitch-Shifting und zahlreiche Widening-Techniken.
Sampling
Eine weitere wichtige Produktionstechnik auf Entertainment, Death ist das Sampling. Dies rührt zum Teil aus Experimenten von Wichlin her, bei denen er alte Tapes der Library of Congress rückwärts oder auf halber Geschwindigkeit durch einen Kassettenspieler laufen ließ. „Ich habe das einfach für die Effekte durch die Roland SP-404 geschickt”, erklärt er. „Aber ja, es wird irgendwann knifflig, weil man die Tapes zum richtigen Moment zurückspulen muss, und während des Sets ständig die Tapes wechseln muss, was irgendwie nervt.”
Spirit of the Beehive arbeiten mittlerweile beim Sampling eher mit Software, sowohl im Studio als auch auf der Bühne. Während ihre Herangehensweise ans Sampling, oft sogar drastisch, von Song zu Song variiert, bilden Samples mitunter das Rückgrat ganzer Songs.
„Wir haben auch damit gearbeitet, um unseren Mixen subtil mehr Kraft zu geben,” sagt Wichlin. „Ich glaube, Samples sind für uns im Entstehungsprozess einer Platte wichtig, wenn es darum geht, Welten entstehen zu lassen. Sie können dazu beitragen, eine von uns erzählte Geschichte mit Kontext anzureichern – und das auf eine Art, die traditionellere Soundquellen nicht leisten können.”
„Fast alle von uns haben mittlerweile Sampler für den Einsatz auf der Bühne, und wir nutzen sie in der Regel, um Sachen abzuspielen, die auf der Platte sind, aber die wir nicht einfach nur im Backing-Track lassen wollen,” fügt Schwartz hinzu. „Das erlaubt uns ein bisschen mehr Improvisation. Wir samplen auch all unsere Interludes, sodass wir sie abspielen können.”
Mit der Arrangement-Ansicht auf der Bühne
Obwohl Schwartzs erste Versuche mit Ableton ihn in die Session-Ansicht führten, fand die Band ihren Schwerpunkt während der Aufnahme und Proben von Entertainment, Death eher in der Arrangement-Ansicht. „Die Arrangement-Ansicht ist einfach bei Proben so viel leichter zu benutzen, wenn wir zu einem speziellen Part springen wollen,” fügt Schwartz hinzu. „Ich habe auch einfach nie herausgefunden, wie man das in der Session-Ansicht macht. Ich habe die Session-Ansicht früher in der Regel fürs Aufnehmen benutzt, aber bin dadurch irgendwie immer in 8-Bar-Loops hängengeblieben.”
Im Live-Kontext nutzt die Band die Arrangement-Ansicht etwa, um Songs zu starten, Samples zu triggern oder Vocals zu bearbeiten. Wichlin erzählt, dass alles so gemappt ist, dass Ableton Live, sobald die Band Songs startet, die Drum-Racks für die Roland SPD des Drummers „beherbergt”, so wie auch alle Soundbearbeitungen für Vocals und Gitarren. Er erklärt, dass alles so automatisiert ist, dass Effektketten und Drum-Racks zu den richtigen Momenten umschalten. Dadurch muss die Band live weniger nachdenken und kann einfach ihre Instrumente spielen und singen. „Es ist ein schmaler Grat dazwischen, dass alles perfekt ist und alles live gespielt ist,” erklärt Schwartz. „Wir versuchen das Playback-Zeug so weit es geht zurückzufahren; es ist desorientierend wenn man jemanden etwas spielen hört, was die Person nicht auf der Bühne performt.”
Unabhängigkeit
Was Spirit of the Beehive im zweijährigen Prozess des Aufnehmens, Probens und Auftretens von Entertainment, Death gelernt hat? „Alles selber zu machen gibt uns die Möglichkeit, uns Zeit zu nehmen und Dinge ohne Druck auszuprobieren,” sagt Wichlin. „Wir haben gerade eine Konsole gekauft, die unsere ersten Preamps außerhalb des Interfaces enthält, die zu benutzen wird Spaß machen. Wir hoffen auch, dass wir ein paar Outboard-Kompressoren und -Effekte kriegen, um das Mixing außerhalb der Box zu erledigen, wenn wir da Lust drauf haben.”
Schwartz sieht noch einen anderen Vorteil in der DIY-Produktionsweise: Die Band muss keine Studiozeit mehr buchen und sich dann mit Techniker:innen und Produzent:innen auseinandersetzen, die sich dann vielleicht mit ihren „Dumpfbacken-Anfragen und -Ideen” beschäftigen müssen. Durch Software und Mails haben die Bandmitglieder auch die Freiheit, aus ihren eigenen Home-Studios aufzunehmen, statt jeden kreativen Schritt immer zu zentralisieren.
„Ich meine, mein Studio war immer ziemlich spärlich – ich hatte nur meinen Rechner und ein paar Monitore oben in meiner Wohnung,” erzählt Schwarz über seinen heimatlichen Aufnahmeort für Entertainment, Death. „Ich hatte keinerlei Schalldämmung oder sowas, obwohl ich ein ganz anständiges Vocal-Mic hatte, das mir Corey geliehen hat, das ich auch für die Aufnahme von akustischem Zeug benutzt habe. Aber ja, meins war ziemlich trostlos. Corey hatte da schon ein bisschen mehr Zeug in seinem Keller, glaube ich.”
In Wichlins Heimstudio fanden der Großteil des Instrumenten-Tracking – zum Beispiel von Gitarren und Schlagzeug –, sowie die finalen Aufnahmen statt. Zwar besitzt er mehr Mikrofone, hat jedoch im Heimstudio längst nicht mit allem technischen Drum und Dran gearbeitet, das sich Künstler:innen mit dem nötigen Budget heute leisten. „Ich hatte ein Focusrite-Interface, und es war halt ein, naja, unausgebauter Keller – komplett aus Beton,” erzählt Wichlin. „Ziemlich herausfordernd, da unten einen guten Sound zu bekommen.”
Dennoch klingt Entertainment, Death bei weitem nicht, als wäre es in spärlich ausgestatteten Kellerstudios entstanden. Letztlich passt natürlich genau das zum Ansatz der Band – und dient als Reminder, dass man für großartige Musik letztlich weder riesige Budgets braucht, noch gar unberschreiblichere Dinge.
Text und interview von DJ Pangburn / Ableton
Foto von Peggy Fioretti
Infos zu Spirit of the Beehive gibt es aufBandcamp, YouTube und ihrer Webseite