Sonic Faction: Polytek und mehr
„In erster Linie sind wir Künstler. Wir wollen coole Kunst machen, egal in welcher Form – ob wir eigene Tracks produzieren oder Software-Tools entwickeln, die Musiker inspirieren“. Sonic Faction, das holistische Künstler-/Entwicklerkollektiv von Taylor Martyr und Nathan Jenkins aus Los Angeles, zeichnet für eine stetig wachsende Reihe exzellenter Max-for-Live-Instrumente verantwortlich. Die beiden starteten das Projekt 2011, um Sample-basierte Emulationen ihrer analogen Lieblings-Klangerzeuger in Max for Live zu entwickeln. Inzwischen ist Sonic Faction „eine ausgewachsene Firma, die mit Programmierern, Komponisten, Sound Designern und Multimedia-Künstlern aus fünf Ländern zusammenarbeitet“, berichtet Martyr stolz.
Das Flaggschiff von Sonic Faction ist das 2015 erschienene Ableton Archetype Bundle. Es liefert alle bislang erhältlichen Instrumente – acht an der Zahl – als Paket. Polytek, die jüngste Anwendung, ist ein kreativer polyrhythmischer Step-Sequenzer mit integriertem Vocoder und zahlreichen Optionen der Klangbearbeitung. Das Instrument stellt das rhythmische und melodische Experimentieren in den Mittelpunkt und eignet sich hervorragend für Techno, Dub und andere Stilrichtungen, die sich als tendenziell dunkel beschreiben lassen.
Beim Interview hatte Martyr die Entwicklung von Polytek in frischer Erinnerung und erzählte uns, wie das innovative Instrument entstanden ist.
Versteht ihr euch eher als Entwickler oder als Künstler? Ist es schwierig, eine Balance herzustellen?
Bezüglich unserer Kreativität war die Balance zwischen Musik und Software schon immer sehr wichtig, wenngleich die Trennlinien immer mehr verwischt sind. Wir sind der Meinung, dass wir als Kollektiv interessantere Inhalte veröffentlichen können als als Solo-Künstler.
Eure Live-Anwendungen sind Max-for-Live-Patches, die in Racks verpackt und mit speziellen Bedienoberflächen versehen sind. Wie leicht lässt sich das realisieren? Was haltet ihr von Max for Live als Entwicklungsumgebung?
Beim Archetype Ableton Bundle hatten wir eine gemischte Herangehensweise. Max for Live nutzten wir in diesem Fall als „Front-End“-UI zur Steuerung ineinander geschachtelter Instrument-Racks. Die Umgebung erlaubt die Gestaltung schöner, maßgeschneiderter Bedienoberflächen und lässt uns Live auf neue Weise steuern. Beispielsweise können wir die Sample-Wahl-Zonen von Ableton Sampler mit einem Max-for-Live-Objekt manipulieren. Mittels Skalierung kann es innerhalb der Sample-Zone hin- und herspringen. Dieser Tweak hat uns völlig neue Möglichkeiten für die Sample-Wahl-Zonen eröffnet – wir können in einer einzigen Sampler-Instanz zwischen mehreren Variationen verschiedener Sounds wählen. Darüber hinaus haben wir weitere nützliche Features eingebaut, etwa zuweisbare LFOs und ein internes Preset-System. Damit kann man schnell zwischen Presets umschalten, ohne die Anwendung im Live-Browser per Hot-Swap austauschen zu müssen. In der Max-Umgebung lassen sich Ideen schnell in Prototypen verwandeln: praktische Ergebnisse, die sofort funktionieren. Aus unserer Sicht geht es bei Max for Live vor allem darum, dem Anwender neue Möglichkeiten zur Steuerung zu liefern, die mit Live interagieren und zu inspirierenden Ergebnissen führen.
Worin besteht das zentrale Konzept von Polytek?
Polytek im Grunde ein Vocoder, der eigene melodische Patterns erzeugt. Das Instrument hat einen Rhythmus-Sequenzer an Bord, der den Vocoder moduliert und das Pattern triggert. Parallel dazu fungiert ein Melodie-Sequenzer als Träger-Signal und erzeugt die Noten, die zu hören sind. Das Spannende daran: Der Rhythmus-Sequenzer arbeitet Frequenz-basiert, das heißt, er triggert verschiedene Klangfarben des Vocoders, um tiefgründige Techno-/Dub-Sounds zu erzeugen. Weil der Melodie-Sequenzer auch Akkorde produziert, ist Polytek ein mächtiger Akkordfolgen-Generator – mit integrierten Optionen für Klangerzeugung, -bearbeitung und Effekte.
Polytek scheint ein Instrument zu sein, bei dem die Freude am Experimentieren im Mittelpunkt steht. Ist es schwierig, beim Instrument-Design die richtige Mischung aus Kreativität und Tiefe/Komplexität zu finden?
Polytek soll sofort nach dem Laden in eine Spur Spaß machen – darauf kommt es uns bei allen unseren Instrumenten an. Wir legen den Schwerpunkt immer auf intuitives Design und einfache Bedienung, damit die Kreativität der Anwender schnell in Gang kommt: Sobald Regler oder Buttons betätigt werden, soll etwas Musikalisches oder Brauchbares entstehen! Wer eine neue Art von Interface und Instrument-Konzept vor sich hat, will das doch erst mal durch Ausprobieren erforschen. Polytek macht Spaß und ist auf den ersten Blick zugänglich, gleichzeitig sind alle komplexen Parameter und subtilen Funktionen vorhanden, die für detailliertes Sound Design notwendig sind.
Letzte Frage: Woher kommen die Ideen für eure Promo-Videos?
Die verrückten Videos sind das Ergebnis unserer Zusammenarbeit mit verschiedenen Filmemachern hier in Los Angeles. Wir mögen keine traditionellen, langweiligen Musiksoftware-Promo-Videos, im Grunde sehen sie doch alle gleich aus. Deshalb haben wir uns für eine Prise Action entschieden. Unser letztes Promo-Video war für das Archetype Ableton Bundle und ziemlich schräg. Komische Tanzeinlagen, aber mit schnittiger Musik unterlegt, während die Sounds und Designs der Instrumente vorgestellt werden. Sowas ist auf jeden Fall Geschmackssache. Wer das Video merkwürdig findet, sollte sich schon mal auf das nächste gefasst machen...