Die späten Nullerjahre waren die Blütezeit von Beat-zentrierter Electronica. Zu den vielen neuen Künstlern, die shuffelnde HipHop-Grooves à la Dilla mit EDM-Breitwand-Emotionen kombinierten, zählten auch Seekae. Doch das Trio aus Sydney hatte noch mehr zu bieten: Auf The Sound of Trees Falling on People, ihrem Debütalbum von 2008, verknüpften sie elektroakustische Texturen mit raffiniert-trippigen Beats – eine Mixtur, die auch heute noch frisch klingt. Vor kurzem ist ihr hochgelobtes drittes Album The Worry erschienen: Seekae haben ihren Ansatz auf beeindruckende Weise weiterentwickelt und einen selbstbewussten Weg eingeschlagen, um ihre Musik zu einem neuen Stil zu führen.
George Nicholas ist Seekae-Gründungsmitglied und ein geschätzter Akteur der Ableton Community. Wenn er sich nicht gerade mit Seekae auf Welttournee befindet oder mit Cliques (Seitenprojekt mit Hamish Dixon) mächtige UK-Bass-Mutationen produziert, ist George als Dozent an der Live School Sydney tätig. Wir fragten den Push-Experten nach seinen bevorzugten Workflows und erfuhren auch, was es bedeutet, Mitglied einer äußerst erfolgreichen Band zu sein.
Wie komponiert ihr bei Seekae? Ist es schwierig, eine Balance zwischen den Vorstellungen dreier Individuen zu finden?
Wir komponieren inzwischen mit räumlicher Trennung, weil wir drei nicht mehr in derselben Stadt wohnen. Alex Cameron und ich leben in Sydney, sind aber oft unterwegs, und John Hassell lebt in Großbritannien. Unser erstes Album The Sound of Trees Falling on People haben wir im Großen und Ganzen noch gemeinsam gemacht. +Dome, das zweite Album, entstand genauso – wir hatten ein Studio, in dem wir Drums und Gitarren aufnahmen und zusammen an den Mixen arbeiteten. Bei The Worry waren wir in alle Himmelsrichtungen zerstreut und komponierten hauptsächlich via Dropbox.
Welche Auswirkungen hatte das auf das finale Produkt?
Es ist insgesamt ein wenig durchdachter. Ich habe auch festgestellt, dass ich es eigentlich bevorzuge, alleine zu komponieren. Zusammen mit anderen besteht immer die Gefahr, sich punktuell zu verheddern – man krallt sich an einer Idee fest, denkt „Oh ja, das ist toll“ und ist eher unkritisch. Außerdem muss ein bestimmter positiver Vibe im Raum sein, damit die gemeinsam aufgebaute kreative Energie nicht verschwindet. Es mag schon sein, dass man alleine viel langsamer arbeitet und sich mehr den Kopf zerbricht. Aber man bekommt auch mehr Zeit, die Dinge kritisch zu reflektieren und viele verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren.
Wie bringt ihr eure Setups unter einen Hut, wenn eine Tour ansteht?
Meist schließen wir uns eine Woche im Voraus im Studio ein und versuchen, die Tracks zu dekonstruieren. Wir machen uns einen halben Tag Gedanken und sagen dann, „diesen Track können wir auf diese Weise spielen und jenen Track auf jene Weise“. Im Grunde geht es immer um den Kompromiss zwischen einer überzeugenden Live-Performance und exzellenter Soundqualität – einerseits wollen wir keine statischen WAVs abspielen, andererseits unserem Sound treu bleiben.
Seit neuestem ist Push auf der Bühne dabei und erscheint auch in deinen Tutorials. Wann hast du Push entdeckt?
Als Trainer an der Live School in Sydney hatte ich das Glück, mich schon vor der Veröffentlichung mit Push beschäftigen zu können – ich hatte eine frühe Beta-Version, die dem finalen Produkt schon sehr ähnlich war.
Ein neues Instrument – wie hast du gelernt, es zu spielen?
Zuerst habe ich Push auf relativ simple Weise verwendet, ähnlich wie ein vielfarbiges Launchpad – „Wow, die ganzen Farben! Die Farben sind toll!“. Für mich sah Push wie ein grandioses Launchpad oder ein APC aus, so habe ich Push eine Zeitlang auch eingesetzt. Doch dann befasste ich mich ausgiebig mit dem Drum-Sequenzer, der einen inspirierenden Workflow bietet, und mit Pushs Melodie-Sequenzer. Dessen Möglichkeiten haben mich einfach umgehauen – eine spätere Firmware-Erweiterung, die meine Art und Weise mit Melodien zu arbeiten komplett verändert hat.
Wie hat Push deine Musik damals verändert?
Wenn man mit einem neuen Spielzeug loslegt, bieten sich viele Möglichkeiten zur Veränderung – das ist ist immer so. Jedes neue Instrument bringt einen dazu, anders über Sound zu denken. Push hat vor allem meine Beziehung zur gleichtemperierten Stimmung verändert – man wählt eine Tonleiter aus und kann sich dann innerhalb der Skala frei bewegen. Man hat zwar weniger Noten zur Verfügung, kann aber leicht mit der Skala experimentieren – vor allem dann, wenn man (so wie ich) nicht besonders fingerfertig ist. Beim Livespielen nutze ich Push zum Sequencing. Ich bin kein Drummer und auch kein großer Fingerdrumming-Fan, aber ich finde es toll, in Echtzeit sequenzieren zu können.
Welche Elemente sequenzierst du? Zerlegst du Samples oder steuerst du VSTs?
Ich nutze meist den Melodie-Step-Sequenzer, um sehr kurze Arpeggien zu entwickeln. Manchmal sind sie nur einen Takt lang. Während ich diese kurzen Sequenzen loope, transponiere ich einzelne Noten schnell mal um eine Quinte nach unten oder manipuliere die VST-Parameter über die Makro-Regler. Auf diese Weise kann ich mehrere Elemente gleichzeitig subtil verändern. Ich entwickle eigene Makro-Mappings, das heißt, ich muss die VSTs nicht öffnen und das jeweilige Auto-Mapping überprüfen. Meist packe ich meine VSTs in ein Instrument Rack, nehme die wichtigsten Parameter – ADSR, Filter oder räumliche Effekte – und verbinde sie mit den Makro-Reglern.
Wie passt Max for Live in dieses Kontext? Nutzt du Push-spezifische Anwendungen?
Vor kurzem bekam ich einen neuen Sequenzer, der eigens für Push entwickelt wurde. Ich nutze viele Max-Anwendungen, die aber nicht generell für Push ausgelegt sind. Im Allgemeinen versuche ich die Anzahl von Plug-ins und Max-Anwendungen beim Live-Spielen möglichst klein zu halten – als Sicherheitsmaßnahme. Neulich habe ich zwei tolle Max-Patches entdeckt: eine Space-Echo-Simulation namens Diffuse, die zweite Anwendung heißt Magnetic. Sie wurden von Surreal Machines entwickelt. Ein RE-201-Emulator, kombiniert mit Faltungshall, dem Wow-and-flutter und organischen Sound des Originals.
Dein Projekt Cliques zielt mehr auf den Dancefloor ab als Seekae – eine erfrischende Kombination verschiedener Spielarten von UK Bass. Gibt es große Unterschiede hinsichtlich der Produktion?
Auf jeden Fall – alle Cliques-Tracks beginnen mit Drums, Bass und Percussion, die Melodien kommen – wenn überhaupt – später dazu. Seekae-Tracks beginnen dagegen meist mit einer Akkordfolge, dann entwickeln wir eine passende Melodie und die Bassline. Die Drums entstehen erst am Schluss.
Manche dieser Drum-Sounds klingen ziemlich satt. Was hältst du von vorgefertigten Drum-Samples – hattest du schon mal den Eindruck, dass sie zu massiv sind?
Dieses Gefühl habe ich öfters. Manche Sample-Packs klingen zu perfekt, sie lassen einfach wenig Freiheit. Es bleibt kein Raum zum Experimentieren, weil alles schon so massiv ist. Im Cliques-Material steckt immer noch viel Klangbearbeitung. Es soll möglichst wenig nach Ableton klingen – wir nutzen Tape-Saturation-Emulationen, Max-Effekte wie Dub Machines und diverse Vintage-Effekte.
Werden die Effekte parallel zugemischt? Oder legst du sie direkt in die Kanäle?
Es kommt darauf an. Ich habe immer eine Return-Spur mit einem Sound Toys Decapitator, in dem ein bisschen von allem landet. Das Ganze komprimiere ich dann und lasse es mit einer zusätzlichen Prise Rauschen stets im Hintergrund laufen.
Wie komplex ist das Routing deiner räumlichen Effekte? Schickst du Audio in mehrere Send-Kanäle und holst es zurück?
Nicht wirklich. Kompliziert wird es dann, wenn ich Racks verwende, eine Menge Effektketten anlege und auf diese Weise die Audiobearbeitung parallel ablaufen lasse. So kann ich mit EQs bestimmte Frequenzbereiche des jeweiligen Sounds in der Spur anwählen und separat bearbeiten – beispielsweise die Bässe komprimieren, die Mitten mit Chorus versehen und die Höhen mit Overdrive.
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