Searching for Sound: Sandunes hört Mumbai
Auf diesem Planeten bietet Mumbai (auch Bombay genannt), die indische Hauptstadt des Kommerz und der Unterhaltungsindustrie, das dichteste Amalgam von Sinneseindrücken zum Sehen, Riechen und Hören. Wer könnte uns die Stadt besser zeigen als die dort lebende Produzentin Sanaya Ardeshir aka Sandunes? In einer neuen Folge der Doku-Reihe Searching for Sound führt sie uns durch die imposante Klangkulisse Mumbais.
Begleiten Sie Sandunes zu den besonderen geschäftigen Orten und kulturellen Stätten, an denen sie Aufnahmen macht. Sie zeigt, wie die Lebendigkeit der Stadt sie inspiriert und wie die darin gefundenen Klänge in ihre Arbeit einfließen. Schauen Sie unten den Trailer zu Searching for Sound. Holen Sie sich das kostenlose Sample-Paket zum Download und lesen Sie unser Interview mit Sandunes, wo Sie mehr über die Klänge und ihren Herkunftsort erfahren und nachvollziehen können, wie Sandunes sie für ihre Arbeit nutzt.
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Man hört, dass du ziemlich viel Arbeit in deine Aufnahmen aus Mumbai investiert hast, um die musikalischen Momente darin freizulegen. Warst du überrascht von der Vielfalt der Klangfarben, Rhythmen und Melodien, die deine Stadt dir geboten hat?
Allerdings. Es war ganz schön viel Arbeit, die ganzen Aufnahmen durchzugehen und daraus die besten „Samples“ auszuwählen. Vor allem, weil Mumbai eine ziemlich laute Stadt ist, da musste ich mich entscheiden, ob ich die Sounds durch ein Gate schicken oder säubern wollte bzw. an welchen Stellen ich es den atmosphärischen “Grundlärm” der Stadt drin lassen wollte, weil er diese Aufnahme zu etwas Besonderem macht. In der Vergangenheit habe ich einige Projekte mit gefundenen Klängen gemacht, aber das waren eher Interviews oder gesprochene Texte, die als Erzählungen über einen Klangteppich gelegt waren. Ich hatte noch nie ein Musikstück gemacht, das komplett aus Feldaufnahmen besteht, das war also eine ganz neue Arbeitsweise für mich. Mein Plan war, eine Menge verschiedener Texturen und Rhythmen zu sammeln, aber ich hatte überhaupt nicht erwartet, dass das alles so ergiebig und musikalisch sein würde! Der eher alltäglichen Umgebung zu lauschen hat auf jeden Fall die Art verändert, wie ich meiner Stadt zuhöre. Ich merke, dass mein Hören auf eine Weise reaktiviert wurde, die ich vorher nicht für möglich gehalten hätte.
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In deinem Sample-Paket stecken viele interessante perkussive Sounds, die zum Teil von Mühlen aus Metall und Holz stammen oder von Blumen- und Gemüsemärkten in Mumbai. Welche dieser Sounds hast du letztlich für deinen Track verwendet und wie sah der Arbeitsprozess aus?
Schon bevor ich sie mit ins Studio nahm, betrachtete ich die perkussiven und metallischen Klänge als One-Shots. Beim ersten Durchhören siebte ich bei jeder Aufnahme die Schläge aus und markierte sie, wenn mir ihr Klang gefiel und sie gut ausgesteuert waren. (Mein Zoom H6 kann automatisch eine “Backup”-Aufnahme machen, die um 12 dB niedriger ausgesteuert ist. Das heißt: Selbst wenn die Haupt-Aufnahme etwas übersteuert ist, hat man ein Backup, das nicht übersteuert ist.)
Danach gruppierte ich die Sounds nach Orten und Klangqualitäten und organisierte sie in mehreren Drum-Racks. Ich baute etwa zehn Drum-Racks und steuerte sie dann über die Pads eines Roland SPD-SX an. Ich arbeitete mit Aarifah Rebello zusammen, einer Schlagzeugerin mit einem sehr melodischen Ansatz. Sie spielte für alle Kits mehrere Grooves ein und dann suchte ich diejenigen heraus, die am besten zur Musik passten, und fügte sie ein.
Ich versuchte, beim Bearbeiten der Klänge vorsichtig zu sein, um die Atmosphäre und Klangqualität der Aufnahmen nicht zu verlieren. Bei den meisten Samples entfernte ich die tiefen Frequenzen mit dem EQ Eight, außerdem schickte ich einige durch Gate. Im Normalfall automatisiere ich die Cutoff-Frequenz in Lives Auto Filter, um bestimmte Elemente ein- und auszublenden. Für die sich wiederholenden Schläge nahm ich oft den LFO in Max for Live und modulierte den Gain so, dass die Rhythmen ein bisschen mehr atmen.
Meine Lieblingsaufnahmen waren die Schläge vom Kartoffelhacken auf dem Gemüsemarkt Byculla, die Aufknallen der Stiegen, die auf dem Blumenmarkt Dadar von den LKWs geladen wurden und viele Glocken- und Klingelgeräusche der metallenen Mühle. Die meisten Grooves stammen vom Hämmern und Zerlegen der vielen Autoteile auf dem Markt Chor Bazaar.
Findest du es wichtig, dass deine Musik einem geographischen oder kulturellen Punkt zuzuordnen ist? Muss man beim Hören wissen, dass einige Aufnahmen einen speziellen Entstehungsort haben, z.B. diesen einen Markt in Mumbai? Oder ziemlich dogmatisch formuliert, besteht da nicht ein grundsätzlicher Widerspruch, wenn man derartig ortspezifische Klänge und Strukturen in einem so abstrakten Medium wie Elektronische Musik verarbeitet?
Ich glaube, es gibt in der Auseinandersetzung mit Musik weder Richtig noch Falsch. Wenn das Rekontextualisieren von ortsgebundenem Sound zu einem interessanten Ergebnis führt, sehe ich nicht ein, wieso das die Freiheit der Elektronischen Musik einschränken sollte. Für mich ist es nicht so wichtig, dass die Hörer ein Stück geographisch zuordnen können, denn ich hoffe vielmehr, dass die Musik einen emotionalen Zustand auslöst, der mit der Essenz aller Sounds und Orte verbunden ist.
Manchmal ist es die Idee, einen Sound so zu verstümmeln, dass er am Ende nicht wiederzuerkennen ist. Das Ergebnis verrät dann überhaupt nichts über die Essenz des Aufnahmeortes. Aber hier ging ich definitiv von einem anderen Punkt aus. ich hatte die Absicht, etwas Collagenartiges zu erschaffen und dabei die Essenz zu bewahren - aber ohne es während der Arbeit allzu wörtlich zu nehmen.
Was tun in deiner Vorstellung andere Musiker und Musikerinnen mit den Sounds, die du bereitgestellt hast?
Ganz ehrlich, ich bin einfach nur gespannt darauf, wie andere mit den Sounds umgehen. Ich bin ganz sicher, dass sie vielseitig genug sind und sich für die verschiedensten Ideen eignen. Ich weiß also nicht, was dabei herauskommen wird, aber ich brenne darauf, es zu hören!
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