Perspectives from Loop: Wiederholung, Variation und Sampling
Ein Loop beginnt nahtlos und zuverlässig immer wieder von vorne, so seine Definition. Es gibt viele Arten von Musik, die auf Wiederholung basiert, doch allen ist die unmittelbare Erfüllung und die Gewissheit der Auflösung einer Phrase gemeinsam. Von den Tonband-Experimenten der Musique Concrète bis zu den repetitiven Drum-Machine-Patterns des Techno: Der Loop war immer ein zentraler Aspekt der elektronischen Musik. Die körperliche Wirkung von Wiederholung – Hypnose durch Kopfnicken, Euphorie durch Zeitdehnung – erleben Berghain-Besucher und Fans von Steve Reich vermutlich gleich. Im Fall von gesampelten Loops öffnet sich eine kulturgeschichtliche Dimension, die die Hörer in andere Zeiten und Sounds eintauchen lässt.
„Loop“ ist natürlich auch der Name des Gipfeltreffens für Musiker, das Ableton im Herbst 2015 zum ersten Mal ausgerichtet hat. Beim Panel „Again and again and again and again“, das zusammen mit CDR präsentiert wurde, sprachen die drei Produzenten und DJs Henrik Schwarz, King Britt und Recloose über das Entwickeln und Finden von Quellmaterial für Loops. In ihren Präsentationen und mit ihrer Trackauswahl analysierten die drei die vermeintlich simple Funktionsweise von Loop-basierter Musik und die unendlichen Möglichkeiten, die Barrieren von Genre, Kontext, Tempo und vorgegebenen Strukturen durch endliche Loops zu durchdringen. Als vierte Panel-Referentin sprach Hillegonda Rietveld, Professor of Sonic Culture an der South Bank University in London, über den Loop als paradoxe Auflösung einer nicht mehr existierenden Gegenwart und darüber, wie Loops zu Gipfelpunkten und Bruchstellen führen.
Geschichtete Loops, verzahnte Rhythmen
Für Henrik Schwarz und King Britt bilden Loops die Energie und die Textur der Live- Performance. Im Studio ist das Entwickeln von Loops eine ritualisierte Arbeitsweise, die das grundlegende Material für Kompositionen liefert. Britt sprach über seine „Loop Mondays“ – eine wöchentlich stattfindende sechsstündige Studio-Session, in der er ausschließlich unterschiedlich lange Loops entwickelt und nur jene speichert, die er sich länger als zehn Minuten am Stück anhören kann. Die verbleibenden Loops nutzt Britt später in seinen Produktionen und DJ-Sets.
Als Ergebnis dieser Disziplin spielte King Britt „The Hour“ vor – eine neue Produktion, die er unter seinem Alter Ego Fhloston Paradigm auf dem hochgeschätzten Label Hyperdub veröffentlicht hat. Das Stück ist von Philip Glass, Terry Riley und DJ Premier beeinflusst – allesamt Künstler, deren Produktionsprinzipien auf Wiederholungen und zyklischen Sätzen basieren. In „The Hour“ finden sich keine Drums, doch auch in diesem Stück liefert der Loop eine Sicherheit – eine Drehachse für die unberechenbaren rhythmischen Schichten und Wechsel. In früheren Releases unter diesem Pseudonym spielte die Kick-Drum eine wichtige Rolle, doch das Arrangieren ineinandergreifender Loops in verschiedenen Taktarten war immer eine konstante Größe.
Henrik Schwarz' ausgewählter Loop, seine Produktion „Lockstep“ von 2014, verfolgt eine ähnliche Strategie des Aufschichtens und Verzahnens von Loops, allerdings werden die Techniken auf die Percussion-Programmierung angewendet.
„Dieser Track war für mich ein Experiment“, so Schwarz. „Afrikanische Polyrhythmen haben mich schon immer interessiert – ich habe Bücher darüber gelesen, um sie zu verstehen, doch es gelang mir nicht wirklich. Dann hatte ich die Möglichkeit, mit Kahil El'zabar zusammenzuarbeiten – einem fantastischen afrikanischen Perkussionisten. In einer der Sessions fragte ich ihn, ‘Kahil, kannst du mir erklären, wie Polyrhythmen funktionieren?’ Er meinte, ‘Ich werde dir ein Beispiel zeigen’. Er zeigte mir den sogenannten Baya-Rhythmus – einen sehr einfachen Loop, der nicht wirklich polyrhythmisch ist, doch über Verschiebungen funktioniert. Mit diesem kleinen Element lassen sich hundert verschiedene Rhythmen erzeugen. ‘Die Möglichkeiten sind grenzenlos und es wird sogar noch spannender, wenn du das in Echtzeit verschiebst’, meinte er. ‘Alles basiert auf einem sehr einfachen, doch sehr cleveren Loop. Sobald du ihn gefunden hast, kannst du etwas sehr komplexes daraus machen.’"
Bei seiner Loop-Performance mit dem norwegischen Jazzmusiker Bugge Wesseltoft sprach Henrik über die Programmierung von Percussion-Loops und plädierte dafür, sich über den Zwang des BPM-Matchings hinwegzusetzen – zugunsten unsynchronisierter Elemente, die sich an interessanten Punkten überschneiden. „Die BPM-Zahl ist zufällig“, so Schwarz, „vielleicht habe ich mich für 120 BPM entschieden und Bugge spielt 65 BPM. Dann entstehen diese interessanten Klangverschiebungen. Sehr oft ist es nur Noise oder macht keinen Sinn, doch irgendwann haben wir immer einen Loop oder einen Drum-Loop, der über ein Solo läuft. Es gibt immer den Moment, an dem ich denke, ja, das war gut! Irgendwie fügen sich die Beats und die Melodie auf eine schöne und neue Weise zusammen.“
Sehen Sie das Video der Loop-Präsentation von Henrik Schwarz und Bugge Wesseltoft
Zeitreise durch Sampling
In diesem Zusammenhang lenkte Recloose alias Matthew Chicoine den Fokus der Diskussion auf das Sampling – der elementaren Technik von moderner, elektronisch produzierter Musik, neben Synthese und Sequencing. Gesampelte Vintage-Drum-Breaks im HipHop, DJ-freundliche Edits von Disco-Tracks und gesampelte Vocal- und Melodie-Schnipsel für House- und Techno-Tracks – in allen Fällen ist die Funktionsweise gleich: Musikalische Elemente werden aus existierenden Aufnahmen isoliert und in andere, manchmal komplett neue Zusammenhänge gestellt. Auf diese Weise dienen Samples in Songs nicht nur für bestimmte musikalische Zwecke, sondern auch als Portale zu anderen Zeiten und Orten. In manchen Fällen eröffnen Samples für den Produzenten und die Hörer also einen Dialog mit der Musikgeschichte an sich.
„Alles basiert auf einem sehr einfachen, doch sehr cleveren Loop. Sobald du ihn gefunden hast, kannst du etwas sehr komplexes daraus machen.“ – Henrik Schwarz
Recloose spielte „Stop And Get A Hold Of Yourself“ von Blue Magic, einen Philadelphia-Soul-Track aus den 1970er Jahren, zusammen mit einem eigenen Track, an dem er gerade arbeitete – eine treibende, Synth-lastige House-Produktion, die eine gesampelte und geloopte Vocal-Passage des Blue Magic-Songs beinhaltete. Während er den Track vorspielte, meinte Recloose: „In den 1980ern war es völlig OK, einen 4-taktigen Loop zu nehmen und endlos zu wiederholen – das war dein Song. Als die Sampler raffinierter wurden, wurde auch die Sampling-Technik raffinierter, die Leute machten mehr daraus. Es gibt viele Wege, Loops interessanter zu gestalten – du kannst den Startpunkt verschieben, unterschiedlich lange Loops kombinieren und testen, wie sie sich überschneiden. Du kannst Loops umkehren, filtern, transponieren oder kleine Bereiche herausschneiden. Loops können ziemlich langweilig sein, deshalb suche ich immer nach interessanten Wegen, mehr aus ihnen herauszuholen.”
Leider wird der Recloose-Track, den wir beim Loop Summit zu hören bekamen, nicht veröffentlicht werden. An seiner Stelle finden Sie hier einige Beispiele für Tracks, in denen das gesampelte und geloopte Ausgangsmaterial auf verschiedenste Weise zerschnitten, gewarpt und manipuliert wurde. Trotzdem ist die Grundstruktur des Ausgangsmaterials noch erkennbar.
Billy Cobham und DJ Nature
Brandy und Blawan
Slade und Neil Innes and Son und J Dilla
Loop-DNA
Die vier Panel-Teilnehmer waren sich darin einig, dass gute Loops dadurch gekennzeichnet sind, dass sie auf Basis des Ausgangsmaterials eine zeitlose, hypnotische Wirkung entfalten – und gleichzeitig trotz verschiedener Mutationen die Essenz des Ausgangsmaterials bewahren. Bestimmte wiederholte Motive können eine Meme-artige Existenz annehmen, ohne explizit gesampelt zu werden, und in verschiedenen Zeiten und Genres fortbestehen. Die folgende Track-Genealogie ist ein Beispiel für diese These:
Eine neu arrangierte Version der synkopierten Drums und wiederholten Clavinet-/Bassline von Herbie Hancocks Track „Chameleon“ bildet in Becks Song „Cellphone's Dead“ die Basis für die Vocals. Eine Generation später erscheint Ricardo Villalobos’ Bootleg-Remix dieses Tracks – hier werden die Rap-Vocals von Beck zerlegt und mit rasanter Percussion und einem 4/4-Beat kombiniert. In Villalobos’ Produktion taucht weder das charakteristische Riff noch der Groove von „Chameleon“ auf, trotzdem hört man, wie sich die DNA des Hancock-Tracks auf der Ebene der Textur und Dichte und in den ineinandergreifenden Zyklen der Bass- und Percussion-Programmierung manifestiert.
Peak Cycle
Die Notwendigkeit von Dance-Produktionen, eine Dancefloor-Crowd in den Bann zu ziehen, ist die direkte Fortsetzung der Disco-Remix- und DJ-Edit-Kultur. Aus Sicht der Musikerin und Wissenschaftlerin Hillegonda Rietveld bewirkt diese Notwendigkeit das Gefühl, die lineare Wahrnehmung von Zeit zu verlassen. Trotzdem ist kein Loop wie der andere – veranschaulicht am Sample eines West London Broken Beat-Tracks:
Rietveld weist darauf hin, dass jeder Loop eine Vorwärtsbewegung ist, die eine einzigartige Beziehung zu den benachbarten Loops in der Timeline von Tracks aufweist. Die kombinierten Wahrnehmungen der Vorwärtsbewegung und der Kreisbewegung erzeugen eine Spirale, die die jenseitige hypnotische Wirkung der Kreisbewegung zwar einschließt, doch die Hörer/Tänzer gleichzeitig an einen neuen Startpunkt bringt.