Im Jahr 2020 war das Internet zwar bereits schon ein wesentliches Medium für die Kommunikation von Musik, wurde aber dann völlig unverzichtbar, als die Herausforderungen der Pandemie über die Gesellschaft hereinbrachen. Die weit verbreiteten Absagen von Konzerten und Veranstaltungen auf der ganzen Welt haben das Musikmachen für ein Publikum, das online stattfindet, jüngst zu einem immer wichtigeren Thema gemacht.
Rachel K Collier nahm auf der Loop 2017 an einer Diskussionsrunde mit drei Musiker:innen teil, deren Verwendung von YouTube und Social Media beispielhaft darin ist, mit einem Publikum in Kontakt zu treten und individuelle Musik und Kreativität zu erforschen. Collier hat sich ein signifikantes Following auf YouTube aufgebaut und zusammen mit den anderen Panelteilnehmern Andrew Huang und Adam Neely Millionen von Videoaufrufen generiert. „Wenn ich damals meine Performance nicht online gestellt hätte, hätte ich wohl nicht diese coole Karriere aufbauen können”, sagt Rachel in einem Interview, das wir mit ihr vor kurzem auf Zoom geführt haben.
Während in der Vergangenheit niemand die Herausforderungen des Jahres 2020 erahnen konnte, brachte ihre schon vorhandene Arbeit Rachel in die einzigartige Lage, die Möglichkeiten zu ergreifen, die das Internet ihr in einer auf den Kopf gestellten Welt bot. Vier Jahre später sind Veranstaltungsorte auf der ganzen Welt seit über einem Jahr geschlossen, und Colliers Arbeit mit ihrer Online-Fangemeinde ist noch viel wertvoller als erwartet – wegen ihr kann sie auf einer der wenigen noch vorhandenen Bühnen weiterhin auftreten. Neben Performances befinden sich auf Rachels YouTube-Kanal in der Zwischenzeit auch Gear-Reviews, Setup-Anleitungen und Kollabo-Projekte. Wir haben Rachel gefragt, wie es ist, eine so starke Online-Präsenz zu haben, jetzt wo die Bedeutung der Online-Bühne größer ist als je zuvor.
„Es gibt nicht wirklich viele Momente am Tag, an denen ich nicht auf den Bildschirm schaue. Wenn ich arbeite, stört mich das nicht, aber ich bin mittlerweile schon ziemlich süchtig nach Telefon und Laptop. Obwohl ich auch am Bildschirm hänge, wenn ich Musik mache, fühlt sich das anders an, weil ich dabei tatsächlich etwas kreiere. Gerade bin ich mitten in einer massiven Musikphase, deshalb bin ich mit meinen Socials ziemlich hinterher. Ich habe seit etwa zwei Monaten nichts mehr auf Youtube gepostet, aber ich habe eine fantastische Zeit, in der ich an Musik arbeite. Mein Arbeitsmodus läuft im Allgemeinen eher über Deadlines. Wenn es bedauerlicherweise gerade keine Deadline gibt, dann arbeite ich an meinen Songs weiter. Ich habe festgestellt, dass ich mich über die Arbeit ablenke. Sobald ich keine Deadline mehr habe, geht es mir nicht gut, mit ihnen gehe ich auf. Als ich mir über Weihnachten eine Auszeit genommen habe, war ich sehr angespannt und hatte das Bedürfnis, wieder loszulegen. Das könnte zweierlei bedeuten – entweder liebe ich verdammt nochmal meine Arbeit und sie ist einfach mein Leben, oder ich habe tiefer liegende Probleme, von denen ich mich ablenke.”
Durch die plötzliche Absage von Plänen und Deadlines im Jahr 2020 bekam Collier die Chance, sich um ein jahrelanges Bedürfnis vieler ihrer Fans zu kümmern: Ressourcen für Anfänger zu schaffen. Mit ihrer Freundin und Musik-YouTuberin Mary Spender verbrachte sie gute sechs Monate damit, einen kompletten Ableton for Beginners Online-Kurs zu entwickeln.
„Ich habe in der Vergangenheit schon immer Behind-The-Scenes-Videos von Performances online gestellt, und ich wurde oft gefragt, ob es auch etwas für Anfänger gibt. Ich wollte gerne versuchen, so etwas anzubieten, aber daraus wurde dann ein ziemlich großes Ding. Mary und ich haben eine ähnliche Arbeitsmoral und einen ähnlichen Antrieb, und ich glaube, das hat viel geholfen. Wenn ich so eine Zusammenarbeit mit einer Person gemacht hätte, mit der ich nicht auf einer Wellenlänge bin, dann wäre das wahrscheinlich ein absolutes Desaster geworden. Ich glaube, ich hätte das auch nicht alleine gemacht, weil ich davon schon ziemlich abgeschreckt war. Es ist so schön, dass ich jetzt sagen kann: ‚Ja, den Content für Anfänger haben wir abgedeckt.’”
Rachel hatte zwar immer gehofft, dass die Musiker:innen, die an ihrem Kurs teilnehmen, sich miteinander vernetzen, sie konnte allerdings nicht ahnen, wieviel die Community der Teilnehmer:innen ihr schließlich bedeuten würde. Über die Vielzahl an Online-Plattformen für Musikproduzent:innen ist sie jetzt direkt mit allen Menschen verbunden, die mit ihrem Kurs arbeiten, wenn sie ihre Musik, Erfahrungen und Fragen über Zoom, Discord und Twitch teilen.
„Ich liebe es, mit Leuten zu reden und mit ihnen zu chatten. Wenn ich diese Freude mit anderen teilen kann, dann macht mich das sehr glücklich. Wir haben für unsere Schüler:innen eine Community geschaffen und Challenges kreiert. Wir ermutigen die Schüler:innen, sie mit uns zu teilen, damit ich auch sehen kann, was ihre Ergebnisse sind. Ich fühle mich wirklich stolz, wenn die Leute das, was sie gemacht haben, teilen.”
Für die neuen Produzent:innen in ihrer Community ist Rachel eine Quelle der Begeisterung und Ermutigung und eine große Anhängerin der Möglichkeiten, die es online gibt.
„Legen Sie einfach los, halten Sie sich nicht zurück, Sie wissen nie, wer es hören wird. Es spricht sich nämlich herum. Deshalb wird aus all diesen kleinen Dingen am Ende immer etwas. Wenn Sie online sind und es Künstler:innen gibt, die Sie lieben und die coole Dinge machen, nehmen Sie unbedingt Kontakt auf und machen etwas zusammen.”
Es ist nicht schwer zu verstehen, warum Rachel neben dem Kurs, ihrem eigenen YouTube-Kanal und der Videoerstellung für andere Plattformen vielleicht nicht so einfach Zeit für ihre eigene Musik findet. Wenn sie aber dann einen Moment ohne Deadlines hat, scheint es für sie unglaublich schnell zu gehen, wie bei ihrem Release MicroFreaking Out aus dem Jahr 2020.
„Mein Modus war: den einen Job beenden, weiter zum nächsten, den anderen Job beenden, und wieder ab zum nächsten; vielleicht ist meine Musik deshalb letztes Jahr in den Hintergrund geraten. Im Oktober hab ich mir dann gedacht: ‚Ich bringe ein Mixtape raus, ich mache das jetzt einfach’. Ich musste mir dafür einen eigenen Zeitraum reservieren und Druck auf meine eigene Musik ausüben. Es war wirklich ein Last-Minute-Release. Wir haben es in das System aufgenommen und es kam 24 Stunden später heraus.”
Während die Bandbreite der Projekte, an denen Rachel arbeitet, immer größer und vielfältiger wird, bleibt das Musizieren ihre größte Liebe und Leidenschaft. Sie ist mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert wie viele von uns in einer Welt, die zunehmend online verortet ist, sie weiß jedoch sehr gut, wo sie sie am glücklichsten ist.
„Ein erfolgreicher Tag ist ein Tag, an dem ich hier mit meinem Equipment sitze und Musik machen kann, anstatt mich auf Streams, Zahlen und Follower zu konzentrieren. Auch wenn das für mich wichtig ist, weil es motivierend ist, so ist es trotzdem nicht das Wesentliche. Manchmal will ich einfach nur ein Mensch sein und im Studio Songs produzieren.”
Sehen Sie sich die ganze Loop-Diskussion aus dem Jahr 2017 an, in der Rachel, Andrew Huang und Adam Neely über ihre Erfahrungen mit dem Aufbau und Erhalt eines Online-Publikums für ihre eigenen Musik-Projekte sprechen und darüber, wie andere den Bildschirm zu ihrer Bühne machen können.
The Screen Is Your Stage