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Potatohead People: Producer in der Tasche
Wie wird aus zwei Hip-Hop-Produzenten, die einst gierig in Plattenkisten nach Samples suchten, eine Jazz-Funk-Band, die sogar von wahrhaftigen Rap-Legenden geliebt wird? Für das kanadische Duo Potatohead People war das auf jeden Fall ein langer und umständlicher Weg, auf dem sie stets ihrer Inspiration gefolgt sind. Sie mussten sich die Anerkennung der Künstler erarbeiten, die sie selbst bewunderten.
Potatohead People sind Nick Wisdom und AstroLogical aus Vancouver. Sie haben sich zu einer Zeit gegründet, als beiden noch zwischen Montreal und London pendelten. Ihre ersten gemeinsamen Releases entstanden also, als die beiden in unterschiedlichen Städte lebten.
„Last Nite feat. Redman“ vom Album „Eat Your Heart Out“ von Potaothead People
AstroLogical erklärt: „Potatohead People haben wir einfach aus Spaß gegründet. Ich war in einer anderen Band und bin mit der nach Montreal gezogen. Damals waren Potatohead People für uns noch keine große Sache, wir haben einfach Beats gemacht. Wir haben ein paar EPs auf Bandcamp rausgebracht. Dort hat dann das Label Bastard Jazz reingehört und uns unter Vertrag genommen."
Den ersten EPs folgte 2015 das Album „Big Luxury“, das ebenfalls entstanden ist, als die beiden Producer räumlich getrennt in Vancouver und Montreal lebten. Es sorgte dafür, dass die zwei wieder in Vancouver zusammenkamen, um das Projekt ernsthafter anzugehen.
Auch wenn das Album einen neuen Schwerpunkt setzte, war es nicht ihre erste Zusammenarbeit. Sie hatten sich als Kinder beim Baseballspielen kennengelernt und gründeten während der Highschool mit anderen Schulfreunden eine Gruppe namens Elekwent Folk.
„Nate war der Produzent. Es gab zwei Hauptrapper. Ich steuerte ein oder zwei Verse bei, hatte aber meine Stimme noch nicht gefunden. Aber ich wusste einfach, dass ich dabei sein wollte. Schließlich löste sich die Gruppe auf und die Mitglieder gingen ihre eigenen Wege. Nate und ich beschlossen, einfach unser eigenes Ding zu machen.“
Sie wussten damals, dass sie sich von den mega-ernsthaften Crews der damaligen Zeit abheben wollten. Sie wählten den Namen Potatohead People, um sich nicht in gespielter Intensität zu verlieren und sich stattdessen auf Spaß und gute Energie konzentrieren zu können. Das hieß wiederum nicht, dass sie nicht zielstrebig arbeiteten – das Duo machte Beats und hatte dabei immer ein offenes Ohr für Einflüsse, die ihnen wichtig waren. Zum Beispiel das Werk des legendären J. Dilla aus Detroit sowie die unzähligen Projekte und Künstler, mit denen er verbunden war und zusammenarbeitete.
Dillas Einfluss auf die Potatohead People wurde zu einer reichen Quelle für Kollaborationen und Connections. Er hatte großen Einfluss auf ihren wachsenden Output und machte ihn zu einer eigenständigen, klar-definierten Kraft. Ein entscheidender Moment für das Duo war der, als sie erfuhren, dass Dillas Kollegen Frank n Dank auf der Suche nach Beats waren.
„Frank Nitt von Frank n Dank hatte auf Facebook gepostet, er suche Arbeit, oder so ähnlich. Wir waren große Dilla- und Slum-Village-Fans. Als ich Frank Nitts Facebook-Post sah, dachte ich: „Alter Schwede.“. Wir haben ihm einen Beat geschickt und er meinte nur: „Ok, das ist krass.“. Ich mache euch den ganzen Track für 500 Dollar, wenn ihr Bock habt. Und Zack, ein Jahr später organisierten Nate und ich eine Dilla Day-Show in Vancouver. Wir meinten zu ihm: „Hey, Frank, bist du auch dabei?“ Er meinte: ‚Klar, und ich bringe Illa Jmit.‘“
Illa J, Slum Village-Mitglied und Bruder des verstorbenen J Dilla, kennenzulernen, war ein weiterer prägender Schritt für die Potatohead People. Ihr Dilla Day-Projekt führte zu einer Zusammenarbeit, bei der die Beatmaking-Skills der zwei plötzlich im Fokus standen. Das wiederum öffnete die Tür für weitere neue Partnerschaften.
„Nach der Show ging Frank pennen, aber Illa begleitete uns noch zu einem Freund und machte sowas wie Freestyle in seinem Wohnzimmer. Dann hing er einfach mit uns ab und wir hatten einen wirklich lustigen Abend. Ich bin später nach Montreal gezogen. Da habe ich erfahren, dass Illa J auch in Montreal lebte. Also schaute er bei mir vorbei und wir produzierten einen Track. Nate spielte darüber ein paar neue Akkorde und dann bauten wir einen frischen Beat unter seinen Rap. Noch am selben Abend hab ich ihm das Ding geschickt und gefragt: Wie findest du's? Er meinte: „Das ist die Musik, die ich machen will.“ Er kam vier oder fünf Tage pro Woche vorbei und wir haben anderthalb Jahre lang einfach nur an Musik gearbeitet.“
Diese Zusammenarbeit wurde ein wichtiger Teil des Albums „Big Luxury“ von Potatohead People und machte das Duo unter Beatmachern und Hip-Hop-Fans bekannt. Dadurch sollten sie später auch Phife Dawg von A Tribe Called Quest und De La Soul kennenlernen. Ihre wachsende Reputation als Producer von schrulligen, klugen Jazz-Grooves und innovativem, gefühlvollen Styles verschaffte ihnen weitere Zusammenarbeiten mit Kaytranada, Pomo, Nightmares on Wax, Big Boi und anderen. Auf ihrem neuesten Album „Eat Your Heart Out“ ist sogar Redman zu hören. Der lobt das Duo in den höchsten Tönen und wollte unbedingt einen Part nachlegen, nachdem er bereits einen auf einem Track hatte, den die zwei mit Illa J gemacht hatten.
Es wäre zwar völlig legitim, wenn sie sich selbst diese Lorbeeren einstecken. Doch in aller Bescheidenheit schreiben sie ihren Erfolg eher dem Zufall und dem Umfeld zu, in dem sie sich bewegten. „Die Zeit in Montreal war einfach unglaublich aufregend. Sie war geprägt von der Fusion von Hip-Hop, House, Jazz, RnB und Neo-Soul, woraus sich diese neue Bewegung der letzten zehn Jahre entwickelt hat.“
Mit dieser Alchemie lässt sich der Sound von Potatohead People ziemlich gut beschreiben. Wenn man die Zutaten auflisten würde, wären all das dabei. Während das Endergebnis jedoch immer ein stabil sitzender Groove ist, der wippt und schwebt – als wären ihre Beats eine Strebe genagelt, die so fest verankert ist, dass man sie nicht umstoßen kann, die aber trotzdem mühelos über den Bürgersteig gleitet. Solche anachronistischen Widersprüche sind das Ergebnis ihrer leidenschaftlichen Getriebenheit, die ohne zu große Fixierung auf Technik auskommt. Potatohead People schaffen es, den Vibe von klassischem RnB und Funk aus den 70ern einzufangen, ohne dabei eine Parodie oder eine obsessive Neuschöpfung zu versuchen. Anstatt alten Sound wieder aufzuwärmen, wählen sie eher ein bekanntes Gefühl unabhängig von einer bestimmten Zeit.
„Wenn man ernsthaft eine musikalische Ära reproduzieren will, muss man meiner Meinung nach genau wissen, was man tut. Nur so bekommt man die Platte beim Aufnehmen richtig aufs Band usw. Dass wir etwas eingeschränkt sind, hilft uns, weil wir nicht wirklich wissen, wie wir das alles machen sollen. Wir nehmen also einfach alle Teile, die wir zusammenkriegen und machen damit, was wir können, so gut wir können. Wir sind technisch nicht gut genug, um ein Schlagzeug so aufzunehmen, dass es wie Steve Gadd im Jahr 1976 klingt. Wir programmieren unsere Drums auf unsere eigene Art und Weise. Wir hatten ehrlicherweise nie das Bedürfnis, mit den modernen Plug-ins und dergleichen Schritt zu halten. Und das ist es, was unsere Musik irgendwie immer auf dem Boden gehalten hat und auch dafür sorgt, dass sie nicht zu sehr von anderen abgeleitet klingt.
Wer Musiktheorie versteht, kann aus jeder Musikepoche schöpfen, weil alles der Theorie folgt. So kann man sich aus dem Jazz der frühen 70er oder dem RnB der späten 80er bedienen, weil man einfach die Akkordstrukturen und andere Dinge in dieser Musik versteht. Man kann das auf jeden Beat anwenden, den man macht. Und dann lässt man etwas aus jeder Ära einfließen.“
Das Projekt hat sich stilistisch, technisch und philosophisch kontinuierlich weiterentwickelt. Indem sie ihre eigenen Sounds designen, nicht versuchen, frühere Äras wiederzubeleben und abseits der Trends nach Ideen suchen, haben sie etwas völlig Eigenes entwickelt.
„Wir verwenden keine Samples mehr, was auch der Grund dafür ist, dass wir klingen wie wir klingen. Viele Leute verwenden immer noch Samples, weil sie es sich leisten können. Wir sitzen zwischen den Stühlen und können uns einerseits keine freigegebenen Samples leisten, aber andererseits auch keine Platten herausbringen, die auf Samples basieren. Aber es war auf jeden Fall eins meiner Ziele, Sachen zu machen, die klingen, als würden wir irgendein obskures Jazz-Fusion-Album aus den späten 70ern sampeln. Einfach, weil wir mental aus dieser Schule der Hip-Hop-Beats kommen.“
Es ist diese Einstellung, aus der heraus sie die Rap-Elite und noch viele andere Musiker als Kollaborateure gewinnen. Die beiden engagieren regelmäßig lokale Musiker aus Vancouver, um ihnen bei der Ausarbeitung von Ideen zu helfen. Anstatt jeweils nur an einem Titel zu arbeiten, arbeitet das Duo an mehreren Ideen parallel und findet durch Tüfteln heraus, welche zuerst passt. Mit den Live-Musikern können sie mehrere Entwürfe gleichzeitig weiterentwickeln. Das Duo vergleicht es gern damit, „hundert Mahlzeiten für hundert Personen zuzubereiten“
„Du fängst eine Sache an, du fängst was anderes an, du fängst noch was an… Dann geht man wieder zurück, mixt noch etwas rein, packt die Kartoffeln dazu. Danach kommt man nochmal wieder und legt den Speck darauf. Wir fangen nicht einfach einen Song an, ziehen durch und machen ihn fertig. Wir entwickeln haufenweise Ideen, gehen damit zu den Musikern und sagen: ‚Hey, lasst uns all diese verschiedenen Songs ausprobieren.‘“
Erfordert Live 12 Suite
Wenn man mehrere Ideen in Echtzeit mit ausgebildeten Live-Musikern ausarbeitet, können sie sich verändern oder sich komplett neu entwickeln, statt einzurosten. „Sobald sich für uns irgendwas uninspiriert anfühlt, wechseln wir einfach zu einem anderen Lied. Viele unserer Songs sind vor Jahren bereits gestorben und dann plötzlich wieder auferstanden. Wenn man nur eine Note spielt, ist man nicht an eine Tonart gebunden. So kann man zwischen allen Tonarten wechseln, die diese Note enthalten. Damit hat man also viele Optionen. Anders, als wenn man ein Sample einbaut, das einen Akkord enthält. Das schränkt die Auswahl dessen stark ein, was man darüber legen kann. Aus diesem Grund enthält praktisch jeder einzelne Potatohead Track eine modale Mischung. Das ist ein Teil unseres Sounds.“
Potatohead People haben es auf ihre Art und Weise perfektioniert, voll im Takt zu liegen und dabei geschmeidige, geerdete Grooves kreieren, die Erinnerungen wecken, die aber dennoch nicht an eine bestimmte Zeit angelehnt sind oder irgendwie bemüht wirken. Das empfindliche Gleichgewicht dieser Elemente hat dafür gesorgt, dass die zwei raubeinigen Kanadier in die Riege der Hip-Hop-Größen aufgenommen wurden, wo sie bereits viele Köpfe zum Nicken gebracht haben.
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Text und Interview: Kevin McHugh
Foto: Thomas Maxey