Paula Temple über “Colonized”, Live 9 und Push
Paula Temple ist als Macherin elektronischer Musik ebenso versiert und erfahren wie in ihrer Rolle als Vinyl/Digital-DJ. Für ihre aktuellsten Veröffentlichungen tauchte sie im Vorfeld weit hinab in die Tiefen von Live 9 und Push. Das gerade auf dem ehrwürdigen R & S Label erschienene “Colonized” ist Paulas neues Statement – eine dunkle, atmosphärische Techno-Soundlandschaft, ergänzt durch Remixe ihres Seelenverwandten Perc. Kürzlich stellte uns Paula ein Video zur Verfügung, indem sie zeigt, wie “Colonized” mit Live 9 und Push entstand. Nach dem Videobeitrag finden Sie ergänzend ein kurzes Interview mit Paula.
Wie lange machst Du schon Musik? Und wann hattest Du das erste Mal Berührung mit Ableton Live?
Mit dem Musikmachen habe ich angefangen, als ich meinen ersten Synthesizer, einen Roland SH 101, und einen Akai-Sampler bekam. Das war vor 18 Jahren. Meine erste Platte erschien sieben Jahre später, im Jahr 2002. Ableton Live lernte ich schon 2001 kennen, gleich zur ersten Version. Zu dieser Zeit war ich an der Entwicklung eines neuen MIDI-Controllers beteiligt, der nannte sich MXF8 (MXF8 stand dabei für MIDI-Cross-Fade-8). Wir testeten ihn am häufigsten mit Ableton Live, weil das so anders gegenüber gebräuchlicher Software war und auf uns als DJs und als Produzenten Eindruck machte. Es gab uns die Möglichkeit, live mit unseren Rechnern zu performen und gleichzeitig DJ zu sein. Ich konnte während meinen Auftritten viel freier agieren und trotzdem noch mit Vinyl arbeiten wenn ich das wollte. Also bestand mein Setup zwischen 2002 und 2006 aus zwei Plattenspielern und Ableton Live plus dem MXF8. Das waren dann wohl acht virtuelle Decks und zehn insgesamt. Ein Heidenspaß (und manchmal auch chaotisch).
Hast Du mit "Colonized" gleich in Live 9 angefangen? Un wie sehr kamen Dir der neue Workflow und die Mix-Werkzeuge entgegen?
Ja,“Colonized” wurde komplett mit der Beta-Version von Live 9 gemacht. Und von den Optimierungen an der Bedienoberfläche war ich sehr schnell angetan. Aber was mich richtig gefreut hat, waren die Verbesserungen am EQ8 und am Glue Compressor. Um die Kompressionsqualität so hinzubekommen, wie ich sie im Video vorführe, verlasse ich mich normalerweise auf externe Hardware-Effekte. Techno-Produktionen bauen ja traditionell sehr viel auf Kompression. Für meinen Track legte ich den Glue und den EQ8 auf die unterschiedlichsten Kanäle, auf die Kanalgruppen und auf die Summe. Derart extreme Kompression killt normalerweise ein Stück. Aber das Überraschende war: Es passierte nicht! Ein weiteres Beispiel, das ich im Video zeige, ist die Übersteuerung der Hats. Auf diese Weise war ich in der Lage, die Musik roh und sparsam zu halten, ohne dass sie an Kraft verliert.
Hier ist eine Vorschau der "Colonized" EP
Wie hat Push Deine Arbeitsweise im Studio beeinflusst?
Vor Push ist mir gar nicht bewusst gewesen, wie stagniert man beim Musikmachen vor dem Bildschirm sitzen kann. Mit Push entwickle ich meine Ideen so viel schneller. Ich bin viel flexibler, mein Workflow ist interaktiver und ich schreibe darauf meine Beats und Melodien. Ich freue mich auch über das alternative Layout hinsichtlich Tastaturen mit herkömmlichen Skalen und Akkorden. Das wird im Video nicht thematisiert, aber ich denke davon profitieren ausgebildete Musiker ebenso wie nicht ausgebildete. Ich kann mir übrigens gut vorstellen, dass ich Musik unterwegs nur noch mit Push machen werde und das restliche Equipment einfach Zuhause lasse.
Hast Du vor, "Colonized" auch live zu promoten? Wenn ja, wie sieht dein Setup aus?
Ja, ich bin gerade dabei, einige Termine bekannt zu geben. Und ich werde folgendes Setup benutzen: Macbook Pro mit Ableton Live 9, Push (für Live- und Remix-Elemente), Allen & Heath Xone K2 (für Digital-DJing) und Technics 1210 Plattenspieler (für Djing mit Vinyl). Damit bin ich gut gerüstet. Ich kann neue Ideen ausprobieren und mir etwas Exklusives für jeden Gig ausdenken, ich kann Promos anderer Künstler spielen, die nicht auf Vinyl erhältlich sind und ich kann nach wie vor meine alten Lieblingscheiben spielen. Ich habe dieses Setup bei einem Auftritt in Glasgow bereits getestet und war sehr zufrieden damit.
Was kommt denn nach "Colonized"?
Ich arbeite gerade an zwei neuen Tracks als Paula Temple, die beide vielversprechend sind. Ich hoffe, dass sie noch dieses Jahr veröffentlicht werden. Eins der Stücke ist ein melodiöses Techno-Stück (Schock!).