Angesichts der perfekt organisierten Ableton-Live-Sets von Noah Pred wirkt der Name des Labels, das er mitgegrĂŒndet hat, schon ein wenig paradox: âThoughtless Musicâ. Andererseits zeigt Noahs neues Album Third Culture einen Sinn fĂŒr unaussprechliche Tiefe â und fĂŒr Musik, die sich gerne komplett in Rhythmen und Sounds verliert. Third Culture klingt wie die Kulmination der letzten Jahre, in denen Noah nicht nur ein tolles Label gegrĂŒndet hat, sondern auch von seiner Heimatstadt Toronto nach Berlin umgezogen ist.
Noah Pred ist nicht nur als Musiker und DJ aktiv, sondern auch als zertifizierter Ableton-Experte und Dozent â fĂŒr AskAudio/macProVideo und Noisy Academy in Berlin. Wir trafen uns mit ihm, um ĂŒber seine Musik und sein Album zu sprechen, das er wĂ€hrend des Umzugs entwickelt und aufgenommen hat. AuĂerdem wollten wir von Noah erfahren, was er seinen Studenten mit auf den Weg gibt â nicht nur zum Thema Musikproduktion, sondern auch hinsichtlich der Orientierung in der professionellen Musiklandschaft von heute.
Du bist vor ein paar Jahren nach Berlin gezogen. Hast du Third Culture gröĂtenteils in Berlin komponiert? Oder manches davon noch in Toronto?
Einige Tracks hatten ihren Anfang in Toronto, doch 90 % des Albums habe ich hier in Berlin komponiert.
Hat der Umzug nach Berlin deine Musik beeinflusst?
Ich wĂŒrde schon sagen, dass der Umzug nach Berlin Auswirkungen auf meine Musik hatte. Ich denke, dass Musik als eine Form des persönlichen Ausdrucks immer von dem beeinflusst ist, was im Leben passiert. Neben meinem Umzug haben sich zu der Zeit, als ich das Album komponierte, noch andere aufregende Dinge ereignet, und das Album ist das Ergebnis von alldem. Jederzeit neue Wege fĂŒr die eigene Arbeit zu entdecken und neue Sounds zu erkunden ist einfach ein wichtiger Teil des kreativen Prozesses.
Hattest du Push beim Aufnehmen des Albums bereits im Studio?
Als ich mir Push geholt habe, war ungefĂ€hr ein Drittel des Albums fertig. Die ĂŒbrigen beiden Drittel enthalten also Material, das ich mit Push aufgenommen habe. Die Platte ist definitiv von Push geprĂ€gt â in mindestens 50 % der Tracks habe ich die Melodien und Rhythmen damit eingespielt. Ohne dieses Instrument wĂ€re es bestimmt ein ganz anderes Album geworden.
Noah Pred - foto von Jacob Hopkins
Wie verwendest du Push im Studio?
Das Wichtigste, ganz unabhĂ€ngig von Push: Meine Tracks beginne ich immer in der Session-Ansicht. Ich jamme und improvisiere dort so viel wie möglich. Doch jeder Track ist anders â manche beginnen mit einer rhythmischen Idee, andere mit einem Sample oder einer melodischen Idee. Wenn ich Push verwende, fange ich immer mit Drum-Racks im Step-Sequenzer an. Ich habe viele selbstgemachte Drum-Racks, und mit Push ist sehr einfach, sich darin zu vertiefen, um interessante Rhythmen zu entwickeln. Die Rhythmen bilden dann das Fundament fĂŒr alle spĂ€teren melodischen Elemente. Es gibt auch einige MIDI-Effekt-Racks, die ich hĂ€ufig fĂŒr verschiedene Akkord-Stimmungen oder anderes nutze. Im nĂ€chsten Schritt finde ich mit Push heraus, welche Tonleiter ich erkunden will und mache ab da mit verschiedenen Instrumenten weiter.
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Du hast das Live-Set des Titeltracks âThird Cultureâ mit uns geteilt. Das Set ist wirklich perfekt organisiert.
In diesem Punkt bin ich zugegebenermaĂen ein wenig obsessiv. Trotzdem resultiert diese Art von Set-Organisation auch aus einem System, das ich mir ausgedacht habe, um Tracks aus dem Stadium der Improvisation in der Session-Ansicht zu abgeschlossenen Projekten in der Arrangement-Ansicht zu machen. Ich gehe da einige Schritte durch, und dabei bekommen die Tracks zwangslĂ€ufig diese Form von Organisiertheit.
Mich wĂŒrde sehr interessieren, wie du auf Basis von Loops vollstĂ€ndige Tracks entwickelst. Wie wĂŒrdest du diesen Prozess beschreiben?
Zuerst entwickle ich in der Session-Ansicht eine Pseudo-Sequenz der Clips. Zum Beispiel bereite ich alle Drum-Clips vor, um einen Haupt-Drum-Clip zu erhalten, und ĂŒberlege mir dann, wie ich loslegen will. Als NĂ€chstes deaktiviere ich alle Drum-Parts, mit denen der Track nicht beginnen soll, dupliziere diesen Clip dann und aktiviere die Parts, die als nĂ€chstes ins Spiel kommen sollen â weil sich die deaktivierten Noten ja bereits in diesem Haupt-Drum-Clip befinden.
Von da an kann ich die neuen Parts der Reihe nach beim Duplizieren aktivieren, Clip fĂŒr Clip. Dann plane ich ein bisschen voraus, wann der Basslauf beginnen soll, an welcher Stelle die Akkorde usw. kommen und nehme dann einen Live-Jam in der Arrangement-Ansicht auf.
NatĂŒrlich muss im Jam manches korrigiert, neu eingespielt und editiert werden, doch so kann ich direkte kinetische Energie einfangen und intuitive Momente festhalten. Auf diese Weise bleibt eine IntensitĂ€t erhalten, die verlorengehen kann, wenn die Elemente nur in der Arrangement-Ansicht per Copy-and-paste zusammenkommen. NatĂŒrlich modifiziere ich wĂ€hrenddessen Parameter. Aber sobald ich mich in der Arrangement-Ansicht befinde, geht es um die Automationen, die ĂbergĂ€nge, das Editing, die Wirkung und den Flow, den ich erreichen will. Danach folgt der Mixing-Prozess.
Noah Pred - foto von Jacob Hopkins
FĂŒr viele Produzenten scheint das eine groĂe HĂŒrde darzustellen: Vom Jamming zum fertigen Track zu gelangen. Geht das deinen Studenten auch so?
In vielen meiner Kurse versuche ich, den Studenten genau das beizubringen. Ich zeige ihnen den mehrstufigen Prozess, der vom improvisierten Entwurf zum fertigen Produkt fĂŒhrt. Trotzdem sind die kreativen Prozesse individuell, weswegen ich auch nicht vorschreiben will, was richtig und was falsch ist. Ich habe ein System entwickelt, das fĂŒr mich funktioniert und das ich sehr gerne mit meinen Studenten teile.
Du bist ein erfolgreicher Musiker. Was empfiehlst du Studenten, die sich fragen, wie ihre Musik zu den derzeitigen Bedingungen Hörer finden kann? Der Markt ist randvoll und es scheint heutzutage wirklich schwierig zu sein, sich einen Namen zu machen.
Ich ermutige die Leute dazu, sich mit ihrer Musik Zeit zu lassen. Es kann ein bisschen dauern, bis man seinen persönlichen Stil gefunden hat â vielleicht bringt man fĂŒnf Jahre lang Platten raus, ohne ihn gefunden zu haben und bereut das dann. Ich will meinen Studenten beibringen, zu ihrer eigenen Stimme zu finden, damit sie etwas veröffentlichen, das auf dem Markt einmalig ist. Je individueller die Musik, desto besser ist die Chance, mit ihr aufzufallen â egal in welcher Stilrichtung.
Du hast dein Album in Live komponiert und dort auch gemixt. Wie sieht dein Kanalzug bei diesem finalen Prozess aus (enthalten im âThird Cultureâ-Live-Set-Download)?
Ich fasse alle Spuren in verschiedenen Bussen zusammen, je nach Sound â Drums, die tiefen Frequenzen und die Mitten. Ich habe das ganze Album in Live gemixt, mit den Ableton-Plug-ins von Live 9, die ich wirklich toll finde. Es gibt Dynamic Tube, das die Sounds bei Bedarf ein bisschen wĂ€rmer macht, und einen Saturator mit einer Sinus-Kurve: Meist nutze ich das Preset âSinoid Foldâ ohne Ănderungen, weil es den Sounds eine angenehme SĂ€ttigung gibt. Dann der Glue Compressor, dessen Klang ich einfach fantastisch finde. Der Effekt macht die Sounds auf eine elegante Weise dynamisch und gibt ihnen eine schöne Klangfarbe, die vermutlich auf dem modellierten Original basiert â und am Ende kommt dann der neue EQ Eight, um sicherzugehen, dass im Klangspektrum alles seinen Platz findet.
Wozu dient das Low-Mid-Notch-Filter, das in deinem Live-Set standardmĂ€Ăig auftaucht?
Das verwende ich fĂŒr meine BĂ€sse. Zwischen 2 und 300 Hz kann es manchmal etwas matschig klingen. Wenn man den Low-Mid-Notch-Makroregler ganz nach links dreht, wird das abgeschaltet.
Also fast schon so wie bei einem analogen Mixer?
Ja, das macht den Klang natĂŒrlicher. Ich kann allen Lesern nur empfehlen, das mal auszuprobieren â in einem Bus oder einer normalen Spur. Ein weiterer Tipp, der den Workflow beim Produzieren wirklich verbessert, betrifft die Ausgangseinstellung der Spuren: Ich stelle alle meine Spuren anfangs auf -7 dB, damit ich fĂŒr den finalen Mixing-Prozess so viel Headroom habe wie möglich.