Nicolas Bernier: Dem A/V-Kontinuum auf der Spur
Kühle Installationen, die das Kontinuum zwischen Licht und Sound zum Vorschein bringen: frequencies von Nicolas Bernier zieht uns in den Bann. Seine prämierte Serie ist von komplexen Lehrsätzen inspiriert, wirkt aber elegant und schlicht – elementare Zusammenhänge werden anschaulich vermittelt. Das jüngste Kapitel von frequencies greift Einzelaspekte und Möglichkeiten der Quantenphysik auf und überträgt ihre Logik auf den audiovisuellen Bereich – kurze Impulse von weißem Rauschen und Sinuswellen steuern eine schroffe Lichtchoreographie. Ort der Aufführung: ein dunkler, intimer Raum. Wir trafen uns mit Bernier, um zu erfahren, wie Theorie und Wirkungsprozess ineinandergreifen können: Wie lässt sich ästhetische Anmut mit Konzepten, die zum Nachdenken herausfordern, in Einklang bringen?
Wissenschaftliche Theorien prägen deinen kreativen Prozess. Wie formte die Quantenphysik deine Audio- und Lichtinstallation?
Das beste Beispiel sind die Grafiken, die per Laser in die Acryltafeln geschnitten werden – sie bilden Schemata nach, die ich in Büchern über Quantenphysik fand. Allerdings sind die grafischen Elemente auf mehrere Felder verteilt – man sieht also nur Ausschnitte, je nachdem, welches Panel gerade beleuchtet wird. Ich legte die grafischen Muster auf ein Raster, das mir beim Platzieren der verschiedenen Elemente zur Orientierung diente. Irgendwann wurde mir klar, dass das Raster selbst – es besteht aus winzigen Punkten – die Idee am besten repräsentiert. Wenn seine Punkte aufleuchten, entsteht kurz der Eindruck einer unendlichen Sternenkonstellation.
Auf die klangliche Ebene lässt sich die Quantenphysik sehr leicht übertragen. Das Stück basiert auf der Vorstellung von Partikeln und dem Einsatz winziger Elemente: kurze Impulse und Clicks. Dieses Prinzip wurde auf die gesamte Form angewendet – sie basiert auf Mikromontage – und anschließend auf die Soundbearbeitung. Zur Klangerzeugung nutzte ich hauptsächlich die Granularsynthese, genauer gesagt eine Max/MSP-basierte Anwendung, die der Klangkünstler Ennio Mazzon für das Label Farmacia901 entwickelt hat.
Im Text zu frequencies (light quanta) ist von einer „organischen Entwicklung“ die Rede. Wie gehst du die Erzeugung „organischer“ Sequenzen von Sound und Licht an?
Das Konzept der Soundpartikel bestimmt auch die Gesamtform des Stücks – es besteht aus hundert audiovisuellen Sequenzen mit unterschiedlichen Längen. Die meisten dauern nur ein paar Millisekunden oder maximal 50 Sekunden. Um den Eindruck eines komponierten Stücks entstehen zu lassen, verwendete ich auch ein paar längere Fragmente (drei bis fünf Minuten). Die Form ist organisch, weil alle Fragmente darauf ausgelegt sind, gemäß eines weiteren quantenphysikalischen Prinzips aleatorisch gespielt zu werden. Diese Theorien basieren oft auf Berechnungen von Wahrscheinlichkeiten. Das Ganze ist aber weniger komplex oder geheimnisvoll als andere Installationen oder Arbeiten, die keinen Anfang und kein Ende haben. Für mich passt die aleatorische Form des Stücks perfekt zum Konzept.
Wie hat man sich den kompositorischen Prozess eines multimedialen Stücks vorzustellen? Wie splittest (oder verbindest) du den Fokus auf Audio, Licht und Objekte, wenn sich das Projekt in einem frühen Stadium befindet?
Der Prozess ist überhaupt nicht systematisch. Jedes Projekt wächst mit eigener Geschwindigkeit, unter eigenen Bedingungen und mit individuellen Beschränkungen. Am Anfang von frequencies (a) stand beispielsweise der mechanische Apparat. Da dieser auf akustischen Elementen basiert, musste ich also zuerst das „Instrument“ bauen. Licht und Sound wurden dann im Geist der „Synchrèse“ komponiert – ich stellte mir beide Elemente als Einheit vor, als ein akustisch-leuchtendes Medium.
frequencies (light quanta) begann dagegen mit dem Sound. Den Großteil habe ich als eigenständige Musik komponiert. Dann kamen neue Ideen dazu und das Projekt nahm seine jetzige Form an. Es gibt immer einen Punkt, an dem der Sound und die Visuals komponiert (oder wenigstens zum Teil reorganisiert) werden müssen, damit alles passt. Manche Audio-Fragmente konnte ich beispielsweise nicht verwenden, weil sie in der Installation nicht funktionierten. Dann änderte ich eben ihre Struktur.
Erfahren Sie in unserem früheren Feature mehr über Nicolas.
Auf seiner Webseite können Sie weitere Arbeiten erkunden.