Nick Hook: Teamgeist
„Ich mag Teams“, sagt Nick Hook, „und ich bringe gerne Menschen zusammen, mit denen das in der Gesellschaft oder in anderen Zusammenhängen nicht möglich wäre.“ Seinen Worten lässt er Taten folgen – mit seinem jüngsten Album Relationships, das 21 Kooperationen präsentiert und ein produktives Kalenderjahr beschreibt. Wer sich in Nicks Studio in Brooklyn umsieht, findet Edding-Unterschriften seiner Mitstreiter auf den Wänden (der Studio-Eingang ist auf dem Cover von Relationships abgebildet) und eine einladende Stimmung: Hier kann man an Nicks Synthesizern herumschrauben, die Gesangskabine nutzen oder einfach auf dem Sofa chillen.
Hinter Nicks Studio steckt viel Arbeit und es ist zu einem Ort geworden, an dem die verschiedensten Menschen zusammenarbeiten – renommierte Rapper, Newcomer und erfahrene Studio-Profis. Der Raum ist ein Beleg für Nicks Drang nach Kreativität und Kooperation. Selbst mit ihm ein Interview zu machen, fühlt sich an wie ein rundum positiver kreativer Austausch. Freundlicherweise stellt er das Live-Set eines Albumtracks zum Gratis-Download bereit.
Nicks Name mag für manche Leute neu sein, doch sein Einfluss ist es nicht – Hook hat unter anderem mit Run the Jewels, Azealia Banks, Action Bronson und Depeche Mode-Produzent Gareth Jones zusammengearbeitet und sich als „Produzent der Produzenten“ einen Namen gemacht. David Abravanel sprach mit Nick über das Mentorat, das Finden des richtigen Moments, das eigene Umorientieren zugunsten der Kreativität und über seine Pläne für die nächste Zeit.
Dein Studio ist zur Anlaufstelle einer ganzen Musiker-Community geworden. Wie hast du es aufgebaut?
Ich bin seit 2010 an diesem Ort – vorher habe ich unter meinem Hochbett in East Village aufgenommen, die Synths stapelten sich überall. Also bauten wir diesen Ort aus – L-vis 1990 war daran beteiligt. Ich habe sein erstes Album auf Island koproduziert und damit zum ersten Mal eine Platte von jemand anders gemacht – ich nahm hier meine eigene Musik auf, doch dann machten wir seine Platte. Er engagierte mich, weil er wusste, dass ich die Studio-Hardware bedienen kann – plötzlich war ich ein Dienstleister. Ich habe schon immer alle möglichen Leute gekannt, also… wir haben hier Kilo Kishs erstes Soloprojekt produziert. Ich wollte jedes Projekt annehmen, einfach um Platten zu vollenden und anderen zu zeigen, wie sie etwas abschließen und mit ihrer Musik loslegen. Kish brauchte damals A$AP Ferg und Flatbush Zombies mit, Donald Glover [Childish Gambino] kam vorbei, vorher nahmen wir hier [Azealia Banks’] „212“ auf – jedes Jahr gibt es diese unvorhergesehenen Ereignisse. Ich treffe jemanden auf einer Party oder es rufen Manager an, die von diesem Ort gehört haben: „Ich würde dir gerne ein paar junge Künstler vorbeischicken“, und dann kommen sie einfach vorbei. Es hat sich einfach so entwickelt.
Es waren auch einige Sound Engineers hier. Action Bronson hat einige seiner jüngsten Tracks hier aufgenommen, The Rap Monument ist hier entstanden. Das Studio ist zu einem umtriebigen Ort geworden, es ist einfach passiert.
Was passiert, wenn sich bei dir oder deinen Mitstreitern im Studio keine Zufriedenheit einstellt? Welche Strategien wendest du dann an?
Mit wachsendem Alter denke ich, wenn man etwas an diesem Tag partout nicht fertigbekommt, dann sollte es eben nicht sein. OK, wir waren einfach komplett gestresst. Meine Art zu arbeiten ist merkwürdig – ich renne im Raum herum und lasse die Sau raus, das macht vor allem die Mausklick-Leute verrückt. Ich habe früher in einer Band gespielt, und wenn ich an den Instrumenten zugange bin, wechsle ich innerhalb von vier Sekunden elfmal die Noten. „Versuch’ dieses C, oh nein, schieb’ es rüber...“. Mir ist aufgefallen, dass die jüngeren Musiker dann schweigen, weil sie noch nie über Musik geredet haben – weil der Weg vom Gehirn zur Maus ein innerer Dialog ist. Sie haben sich noch nie über Musik unterhalten! Das ist etwas, das mich bei dem, was ich mache, sehr beschäftigt.
Ein Mentor für jüngere Musiker zu sein – das scheint dich wirklich zu begeistern. Hattest du als Jugendlicher auch einen Mentor?
Ja, seit ich 14 bin. Mein bester Freund war damals 30 – er produzierte meine erste Band und nahm uns mit einem Vierspurgerät auf. Als wir 15 waren, spielten wir vor 800 Leuten als Opener für seine Band. Dann wurde Gareth Jones von Depeche Mode mein Mentor und später Mickey Petralia, der viele Sounds auf [Becks Album] Midnite Vultures programmiert und mit Mario Caldato Jr. gearbeitet hat. Und bestimmt auch John Kuker, von dem ich mein Studio habe. Er war der Philanthrop meines Lebens. Er sah meine Erscheinung und gab mir die Auster – mach’ diesen Scheißkerl bekannt! Ich denke, meine Karma-Kraft besteht darin, dass ich das weitergeben muss. Ich muss! Wenn ich das Wissen, das mir geschenkt wurde, nicht an andere weitergeben würde, gäbe es keinen Grund, hier zu sein. Das wäre kompletter Unsinn. Und ich habe einen Plan für die Zukunft: Ich will alle Jugendliche wissen lassen, dass sie das auch machen können. Ich hatte immer Jugendliche, Praktikanten und Assistenten hier und wollte ihnen alles zeigen.
Deine Musik lässt sich kaum einem Genre zuordnen – und Relationships trägt zu diesem Eklektizismus bei. Es gibt nicht so viele Alben, auf denen sowohl Chino von den Deftones als auch Novelist dabei ist. Wie würdest du definieren, was du machst?
Wenn du dieses Album zusammen mit mir von Minute 1 bis 53 anhörst, dein Telefon ausschaltest und wenn du Musik liebst, wird es dir bestimmt gefallen. Egal ob du auf Country, Trap oder die Deftones stehst – ich habe diese Platte so vielen Leuten vorgespielt und für mich ist es das, was Musik in Wirklichkeit ist, was [Dr. Dres] The Chronic mit mir machte. Es gab keine Vermischung, man nimmt sich ein Slayer-Riff und legt es über anderen Kram, als ob es keine Genres gäbe. So ähnlich sollte unser Wettbewerb aussehen: Kein Genre, weil wir uns nicht dumm anmachen können. Musik war die erste Form davon, die uns gelungen ist.
Wie findest du musikalische Mitstreiter?
Es ist jedesmal anders! Als ich Kilo Kish über den Weg lief, wusste ich gar nicht, dass sie Musik macht. Eines Tages drehe ich mich im Guitar Center-Laden um und sage, „oh, du schon wieder!“. Dann merkte ich mir ihren Namen und suchte sie auf Twitter – sie hatte 20.000 Follower und alle sagten, ihr beiden solltet zusammen Musik machen. Und ich dachte, „super Sache!“
Junglepussy habe ich letztes Jahr bei PS1 getroffen, über eine Zusammenarbeit haben wir zuerst gar nicht gesprochen. Ich habe sie hier ein paar Mal beim Aufnehmen gesehen – manchmal sind Leute da, während ich weg bin. Ich sah sie bei zwei Gelegenheiten und war aus der Ferne begeistert davon, wie sich ihr Rap-Stil entwickelte. Und dann meinte ich zu ihr, „unfassbar, wie sich das entwickelt hat – wollen wir es bald mal krachen lassen?“
Mit meiner EP auf Ninja Tune wollte ich meine Komfortzone verlassen. Ich wusste, dass ich [Parliament-Funkadelic-Keyboarder] Bernie Worrell gegen Bezahlung engagieren kann, und dachte, “Was will man mehr? Er ist mein Held – ich und er im selben Song!“ Er kam vorbei und es war unglaublich, es hatte sich wirklich gelohnt. Oft werde ich gefragt, was ich mache – es geht mir einfach darum, Beziehungen aufzubauen. Viele Leute in diesem Business sind nur auf den eigenen Vorteil aus, besonders wenn sie älter werden. Ich denke, es ist sehr wichtig, einen guten Ruf zu haben. Und ich habe zum Glück viel dafür getan, um als integer zu gelten.
Die „Against the Clock“-Folge mit dir war sehr erfolgreich. Wie repräsentativ ist sie für deine übliche Arbeitsweise?
Wenn ich dort eines Tages auftauchen sollte, würde ich die Sache zum Rocken bringen, das wusste ich. Deswegen war mein „Against the Clock“-Beitrag eher… ich renne hier rein und manchmal greife ich gleich zur 808 – ich nehme mir Zeit und fühle mich gut dabei. Aber ich will nur, dass ihr wisst, dass hier alles live und direkt ist. Als ich den Track am Ende langsamer machte, war ich sehr stolz – keine Ahnung, ob jemand bemerkt hat, dass ich einen ganzen Raum mit analogen Instrumenten mit Push gesteuert habe. Als ich das Tempo verlangsamte, wurden 20 Geräte gebremst – über ein digitales Instrument am Computer.
Ich wollte den Leuten zeigen, dass das kein Museum ist, dass diese Sachen funktionieren und unter Strom stehen. Wenn ihr meine fertige Musik hören wollt: Ich mache Alben, die ihr euch anhören könnt. Wenn ich sie abmische, poliere ich die Skulptur. Beim Mixen gibt es Präzision und ein bestimmtes Maß an Geduld. Und deswegen trage ich in dem Video meine Shorts – die Zuschauer sollten auf mich sauer sein, sich über mich lustig machen. Doch wenn ich mit [Action] Bronson hier bin, trage ich meine Shorts und wir machen es uns hier gemütlich.
Du meinst, dass sich dein Alltag beim Produzieren von Relationships geändert hat. Wie sieht für dich ein richtig kreativer Tag aus?
Ich wachte früh auf und fing um 7 mit dem Komponieren an – ernsthafte Aufnahmesessions. Ich habe nicht nur rumgespielt, sondern war total konzentriert. Die letzte Aktion des Abends bestand darin, das ganze Studio aufzuräumen und den Wasserkrug aufzufüllen. Nach dem Aufstehen machte ich mir eine Kanne Tee und konnte sofort loslegen. Dann bemerkte ich, dass die Sonne scheint und ich diese pure Energie habe – gerade aufgestanden und schon war es 11 und ich hatte noch kein einziges Mal auf mein Telefon geschaut. Da wusste ich, dass ich gelernt hatte, wie man es macht. Da wusste ich, wie das geht.
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