Wenn es um originelle Biografien in der Musikindustrie geht, dann hat Mark Ramos-Nishita (aka Money Mark) aus Los Angeles eine der besten Geschichten auf Lager. Als lebenslanger musikalischer Abenteurer (mit einem breiten Spektrum an musikalischen Vorlieben und Begeisterung für alle Arten von Hardwaresynthesizern und akustischen Instrumenten), verdiente er anfangs sein Geld als professioneller Tischler, bis er eines Tages ein Tor an einem Haus in LA reparieren sollte, was zufällig gerade das der frisch an die Westküste gezogenen Beastie Boys war. Der Erzählung nach wurde die Gruppe schließlich auf Nishitas Musikinteresse und sein Ausnahmetalent aufmerksam und die Beastie Boys nahmen seine Hilfe in Anspruch, als ihr G-Son Studio gebaut wurde. Das brachte ihn unter die Fittiche der Gruppe und er wurde ein wichtiger Mitmusiker, was ihm später den Spitznamen „Money Mark” eintrug. Was die Hinterlassenschaft der Beastie Boys angeht, bildeten Nishitas Instrumente eine Schlüsselkomponente für die Aufnahmen und die Produktion von Check Your Head (1992) und die Folgealben Ill Communication und Hello Nasty.
Seit diesen Anfängen wirkt Money Mark nun schon seit über zwei Jahrzehnten als eine ganz eigene musikalische Größe. Als Solokünstler feierte er erste Erfolge mit seiner selbstproduzierten 30-Track-Platte Mark’s Keyboard Repair (ursprünglich veröffentlicht als Serie von drei separaten 10-Zoll-Platten) und später mit Push The Button (1998), wodurch er zu James Lavelles renommierten Label Mo Wax zurückkehrte. Darüber hinaus hat Nishita sich einen Ruf als kreativer Projektpartner aufgebaut, der über die Jahre mit diversen Künstlergruppen zusammengearbeitet hat, darunter Yoko Ono, die Yeah Yeah Yeahs und Beck (das ist Money Marks Keyboardriff bei dem Megahit auf Odelay „Where It’s At”).
Vor seinem Erscheinen bei Loop in Berlin wollten wir diesem Kunstveteranen mit dem fundierten Musikwissen ein paar goldene Worte entlocken. Also riefen wir ihn vor Kurzem nachmittags in seinem Studio in LA an. Wie eh und je besitzt er kreativen Unternehmungsdurst und die Fähigkeit, neue Techniken und Einflüsse zu absorbieren. Also führte Money Mark uns eifrig durch einen Teil seiner eigenen Musikgeschichte, gab uns bereitwillig Einblick in seine Arbeitsmethoden und konnte erklären, warum er findet, die Lösung für eine Schreibblockade bestehe darin, einfach überhaupt nicht an sie zu glauben.
Wie hat sich deine Arbeitsweise über die Jahre entwickelt? Schreibst du noch auf dieselbe Art Songs wie auf den Alben Mark’s Keyboard Repair und Push the Button oder gehst du inzwischen ganz anders an Musik heran?
Im Grunde gibt es jetzt mehr Tools, mit denen ich arbeiten kann und viele verschiedene Wege, eine Idee zünden zu lassen. Ursprünglich kamen meine Ideen aus dem Versuch eine Songarchitektur zu Entwerfen. Dann ging es ums Produzieren, danach Sampling, Sequencing und das Einbauen von „found sounds” (ich neige dazu alles zu verwenden, was ich kann). Das Album Mark’s Keyboard Repair kam als experimentelles Konzept zustande, angelehnt an Lars von Triers Idee von Dogma 95. Ich dachte mir, ich versuche „die Musik zurückzuerobern”, indem ich mir selbst Regeln gebe, z.B.
1. Arbeite mit einem einfachen Schlagzeugloop.
2. Verwende nur vier Spuren.
3. Keine Overdubs.
4. Wiederhole niemals einen Songstil.
5. Nimm ein Mikrofon (Shure SM 57) für alles.
6. Keine Kompression.
7. Mach eine Sammlung von nur zehn Stücken für ein Album. Presse nur auf Vinyl, fünf pro Seite. (Am Ende machte ich drei Platten, was auf 30 Songs hinauslief.)
Es gab noch mehr Regeln, aber an die kann ich mich nicht erinnern. Ich war beeinflusst von Dogma 95, denn das war damals eine Zeit, die stark von [Steven] Spielberg beeinflusst wurde. Alles war unheimlich aufpoliert, auf so vielen Alben wurden für einen einzigen Song 68 Spuren aufgenommen, dagegen war Mark’s Keyboard Repair auch ein bisschen als Trotzreaktion gemeint.
Ist es immer noch dein Ansatz, dass du eine konkrete Idee im Kopf hast oder dich an bestimmte, festgelegte Regeln hältst?
Im Grunde geht das bei mir bis zu dem Punkt zurück, an dem ich anfing Instrumente zu sammeln. Obwohl es im Grunde genauso gut eine Gitarre hätte sein können oder irgendetwas, was Sounds oder Geräusche macht, kaufte ich als erstes Instrument ein Fender Rhodes [E-Piano]. Dann sparte ich mein Geld und kaufte als zweites ein [Shure] SM 57 als Mikrofon und einen TEAC 3440 als Vierspurrekorder, den ich, glaube ich, mal auf einem Albumcover von Lee Perry gesehen hatte.
So fing ich damit an und nach einigen Jahren hatte ich etwas mehr Gear beisammen, ein Fender Rhodes, ein Clavinet, eine Orgel und einen monophonen Synthesizer. Das war die Grundlage für mein Setup, aber diese vier Dinge bieten unbegrenzte Möglichkeiten, wenn man sie auf bestimmte Weise miteinander kombiniert. Ich habe so viel Musik gemacht nur mit diesem Setup! Irgendwann fing ich an, einiges an neuem Gear anzuschaffen bis ich an den Punkt kam, wo ich dachte: „Was soll ich bloß mit dem ganzen Kram anfangen?” Damals, 1994, stand ich zwischen [der Arbeit an] den Alben Check Your Head [von den Beastie Boys] und Ill Communication. Mir war immer noch nicht klar, wie ich zu meiner eigenen Musik zurückfinden sollte, also beschloss ich, ganz weit zurück zu gehen bis zur Idee vom Vierspurgerät. Ich spürte, dass ich dorthin zurückkehren müsste, sozusagen um dort weiterzumachen, wo ich aufgehört hatte.
Warst du damals noch Tischler oder hattest du dich inzwischen voll und ganz der Musik gewidmet?
Nein, damit hatte ich aufgehört. Ich begann mit der Arbeit an der Platte als wir von der Tour für Check Your Head zurückkamen und vor der Tour stand ich an einem Punkt wo ich mich entscheiden musste [zwischen musikalischer Karriere und professioneller Tischlerei]. Nachdem Check Your Head aufgenommen war, riefen [die Beastie Boys] an und sagten: „Hey Mark, wir überlegen, mit dem Album auf Tour zu gehen und weil du alle Parts gespielt hast, wollen wir, dass du mitkommst.” Und ich dachte mir: „Naja, ich habe gerade so ein Angebot, für 30.000 $ eine Küche zu renovieren.” Also musste ich [den Tischlerjob] absagen; darüber habe ich mich damals ein bisschen aufgeregt, aber ich glaube, ich habe die richtige Entscheidung getroffen. [lacht]
Zwischen dieser Tour und [der Arbeit an]Ill Communication bastelte ich an dem Album und versuchte einfach zu Hause zu bleiben und herauszufinden, wo ich [als Künstler] hin wollte, und was dabei herauskam, verwandelte sich in mein erstes Album. Damals war ich außerdem arm, ich konnte also nicht einfach rausgehen und hatte nicht dasselbe [Potenzial] wie jemand, der mit nicht-destruktiven Digitalaufnahmen arbeitet. Ich hatte nur eine kleine Tonbandrolle und musste das Beste daraus machen, also beschloss ich, einige dieser dogmatischen Ideen einzuführen, tatsächlich nur als ein Experiment, aber es funktionierte ziemlich gut für mich . [Die Einschränkungen] brachten mich dazu, mein Hirn zu gebrauchen und das ist es worum es mir eigentlich immer geht.
Ich habe es früher in anderen Interviews schon gesagt, aber wenn ich an meiner Musik arbeite, fühle ich mich wie ein Maler, in dem Sinne, dass ein Maler allein ist. Es gibt keine Malergruppen, die zusammen in einem Raum arbeiten und ich arbeite gern allein und schöpfe Kraft daraus, alles griffbereit vor mir zu haben. Das Problem dabei ist, man muss alles wissen - man muss sein Gear komplett kennen, wie man ein Gitarrenkabel aufrollt, wie man einen Lautsprecher ersetzt, usw. Man muss eine Menge wissen.
„Es gibt so viele Wege, eine Idee in die Welt zu setzen, also sollten deine Möglichkeiten immer verfügbar sein. Deine Sammlung von Filmen, Büchern, Bildern, was auch immer...”
Hast du einen bestimmten Workflow oder Prozess, aus dem heraus du entscheidest, wo du einen Song anfängst?
Ich komme einfach von der Idee einer Songarchitektur nicht los, wie man einen Song macht, und das lebt nur in meinem Kopf. Aber ich habe auch die ganzen anderen Möglichkeiten, um die Idee mit allen mir verfügbaren Mitteln zu unterstützen: Ableton Live, ein Reel-to-Reel-Achtspurgerät und alles andere, womit ich aufnehme und einen Sound in einem Medium festhalte. Jetzt habe ich alle diese Optionen, aber ich muss immer noch herausfinden, wie ich mit ihnen umgehe, ich lerne also immer dazu.
Ich glaube, ich habe mal eine Liste gemacht und es gibt mehr als 30 verschiedene Startpunkte für mich, einer davon ist einfach das Aufschreiben von Noten auf Notenpapier, denn ich denke, wenn ich eine musikalische Idee habe, will ich nicht immer gleich einen Ton heiraten. Wir sind nur Menschen, wenn wir also etwas hören, das sofort funktioniert, denken wir meistens, „Oh, genau das ist es!”, wie nennt man das, Demoitus? Du hörst es und dann kommst du da nicht mehr raus. Also schaue ich manchmal gern zuerst, wie es auf dem Papier aussieht.
Ich starte auch gern so - und das macht am meisten Spaß, obwohl es eventuell erst viel später zu etwas führt - dass ich hinter meinem Schlagzeug sitze mit einem Mikrofonheadset um. So eins wie Britney Spears oder so benutzen würde [lacht]. Ich trommele einen Beat heraus und singe eine Melodie oder Bassline und dann gehe ich zurück und grabe eine ganze Zeit darin herum und ersetze die Ursprungsidee durch echte Instrumente. Das macht total Spaß, aber es führt nicht zwangsläufig zu etwas. Doch ich bastele einen kleinen Groove oder kleinen Part und vielleicht reicht das zum Anfangen aus, man weiß ja nie.
Wie ist dein Verhältnis zu Sampling? Samplest du dich normalerweise selbst oder andere Musikstücke?
Auf dem Album Check Your Head haben wir uns selbst gesamplet und so habe ich damals gesamplet. Was das Samplen der Musik anderer Leute angeht, betrachte ich das wohl als „found sounds”. Ich habe es ja auf einem Album gefunden. Für mich ist es wie etwas zu finden, das ich wirklich mag: Ich habe diese Muschel am Strand gefunden und jetzt werde ich sie mit nach Hause nehmen, sie polieren und etwas aus ihr machen.
Dienen Samples jemals als Ausgangspunkt für einen Song oder passt du Samples eher in eine existierende Songarchitektur ein?
Ich stelle mir einen Song gern als ein „Gebäude” vor und in diesem Gebäude passieren viele gefühlsgeladene Dinge. Aber wenn man nur einen Sound hat, dann steckt da nicht viel Emotion drin, da gibt es Klangfarbe und Textur. Und später, wenn das Songgebäude in Gang kommt, denke ich: „Oh Mann, ich habe diesen anderen Texturschnipsel, wenn ich den dran setze, kann er die Geschichte mit erzählen.” Ich glaube, Songs sind so kleine Erzählungen und man will, dass etwas geschieht, was die Erzählung voranbringt.
Wenn ich an den Punkt gelange, an dem ich glaube, dass ein Song einen speziellen Sound oder eine bestimmte Ambience braucht, dann mache ich mich auf die Suche. Wenn ich das Musikstück erstmal mache, weiß ich, was für Sounds da hinein passen werden.
Welche Techniken hast du dir im Laufe deiner Karriere angeeignet, um Kreativblockaden zu überwinden?
Ganz ehrlich, ich hatte noch nie eine Kreativblockade. Ich glaube nicht, dass sie existiert und ich glaube, das ist zum Teil der Grund, warum ich nie eine hatte. Zu glauben und zu wissen, dass es immer einen Weg gibt, eine Idee zu verwirklichen, ist der Schlüssel, und es geht wirklich um den Prozess und die nötige Zeit um „dorthin” zu gelangen. Es ist eine Frage der Zeit und wie lange etwas anhält. Für mich geht es nicht um die Fixierung auf eine Schreibblockade, es geht nur darum, wie lange es dauert, ein [Schaffensziel] zu erreichen.
Es hilft, Herr im eigenen Studio zu sein. Du solltest bei jedem einzelnen Gegenstand wissen, wie man ihn bedient. Behalte eine Ordnung bei - Ordnung hilft. Zurück zu dem, was ich vorhin sagte. Es gibt so viele Wege, eine Idee in die Welt zu setzen, also sollten deine Möglichkeiten immer verfügbar sein. Deine Sammlung von Filmen, Büchern, Bildern, was auch immer, sollte immer griffbereit sein und dich sofort inspirieren können. Außerdem, solltest du immer positiv und fokussiert bleiben. Das ist vielleicht vor allem eine Frage der Persönlichkeit und der Selbstreflexion, aber eine gesunde Perspektive zu bewahren ist großartig für das Schaffen und die Produktivität.
Denkst du, dass es außerdem ein Problem ist, wenn man zuviel Zeit im Studio hat und dadurch nicht gezwungen ist, eine Entscheidung zu treffen, sondern sie immer auf die lange Bank schiebt?
Absolut, das stimmt total. Aber ich bin ein alter Typ, ich habe also gelernt, wie man nicht in diese Falle tappt. Es ist eine echte Falle, dass man etwas immer weiter und weiter hinauszögern kann. Es gibt einen Unterschied zwischen verschieben, d.h. nicht an etwas arbeiten, und proaktiv sein [ohne das Ziel zu erreichen]. Kann sein, dass man eine Woche darüber nachdenkt, wie man es anpackt, aber man muss immer proaktiv sein. Man kann das nicht einfach ignorieren und sich abwenden. Ich glaube, das habe ich von [Allen] Ginsberg oder so, aber ich meine, die ursprüngliche Idee, die man hat, ist die Idee. Sie enthält alle Elemente, die eine Idee braucht und durch Aufschieben kann sie nur verschwinden. Ich glaube, jeder der etwas schafft, hat diese Erfahrung gemacht, vor allem Musiker, die vielleicht eine tolle Melodie im Kopf haben, aber wenn sie nicht aufgenommen ist oder eingepasst in etwas, woran sie arbeiten, wird sie verloren gehen. Letzten Endes ist die Zeit auf deiner Seite, aber du musst sie nutzen.
Ich habe den Vorschlag schon mal gemacht, aber ich mag die Idee, einen Timer zu setzen und für 20 min an einem bestimmten Aspekt oder auf ein Ziel hin zu arbeiten und dann „Bing!” ist die Zeit vorbei und du kannst einen Moment überlegen, ob du daran weitere 20 min arbeitest oder mit etwas anderem weitermachst. Aber du musst das Telefon ausschalten und wirklich die 20 min lang in diese Arbeit eintauchen.
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Laden Sie das Album Mark’s Keyboard Repair kostenlos von Money Marks Website herunter.
Foto von Benito Barco und Autumn de Wilde.