Meld: Der neue bi-timbrale Synthesizer in Live 12
Manchmal hĂ€lt das Musikmachen diese besonderen Momente fĂŒr uns bereit. Zum Beispiel, wenn ganz zufĂ€llig ein Sound entsteht, der sich perfekt in ein StĂŒck einfĂŒgt und es einfach besser macht. Oder wenn wir ziellos herumprobieren und sich auf einmal eine neue Idee herauskristallisiert. Meld, der neue Makro-Oszillator-Synthesizer in Live 12 Suite, wurde genau fĂŒr solche glĂŒcklichen ZufĂ€lle entwickelt. Inspiriert von der WandlungsfĂ€higkeit und MultifunktionalitĂ€t der Modularsynthese haben Melds Designer Christian Kleine und der leitende Ingenieur Rob Tubb mit ihrem Team ein neues Instrument entwickelt, Musiker:innen ermöglicht, auf Basis konkreter musikalischer Vorhaben intuitiv KlĂ€nge zu entdecken.
Meld enthĂ€lt zwei Engines und eine Menge vorinstallierter komplexer Oszillatoren. Der Synthesizer eröffnet zahllose Möglichkeiten, zu routen, zu cross-modulieren und zu kombinieren. Auch wenn sich die ĂŒbersichtliche OberflĂ€che auf den ersten Blick erschlieĂt, ist der Synthesizer darunter Ă€uĂerst raffiniert aufgebaut. Meld lĂ€sst Musiker:innen eine breite und farbenfrohe Palette von Sounds zu erkunden, die integrierte Scale-Awareness-Funktion macht es leicht, die Ergebnisse der klanglichen Experimente innerhalb einer Tonart zu halten. In Meld gibt es nichts, was es nicht gibt â und schöne Ăberraschungen sind garantiert.
âDas ist so etwas, was ich schon immer machen wollteâ, erklĂ€rt Christian Kleine, Konzeptleiter und UX-Designer von Meld. âDie Inspiration war weniger technischer als musikalischer Natur.âÂ
Meld ist bi-timbral. Das bedeutet, dass seine unterschiedlichen Engines zwei komplett eigenstĂ€ndige Sounds erzeugen, formen und kombinieren können, ohne an die Amplituden- und FilterhĂŒllkurven eines einzelnen Systems gebunden zu sein. NatĂŒrlich können die fĂŒr normale Synthesizer erwartbaren Wellenformen miteinander kombiniert werden, Meld bietet jedoch auch die Möglichkeit, Sounds an den Anfang zu stellen, die normalerweise das Endergebnis einer anderen Technik wĂ€ren.
Schon frĂŒh im Entwicklungsprozess kam das Team zusammen, um sich bei der Entwicklung der integrierten Sounds kreativ auszutoben. âDas hat SpaĂ gemachtâ, erinnert sich der leitende Ingenieur Rob Tubb. âEin paar Wochen lang haben wir alle nur Oszillatoren in Max for Live erstellt. Wir haben eine Liste mit allen Möglichkeiten erstellt, die wir abdecken wollten, haben mit den Ăblichen begonnen, und je weiter wir die Liste abarbeiteten, umso weirder wurde es.â
So ist es zum Beispiel möglich, einen zischenden, gefalteten FM-Oszillator fĂŒr Engine A zu wĂ€hlen und ihn mit dem wabernden Barberpole âShepard's Piâ oder mit âBitgrungeâ, der wie ein Internet-Einwahlsound klingt, auf Engine B zu kombinieren. âEs sind zwei Synthesizer in einemâ, sagt Christian. âMit Meld kann man zwei komplett verschiedene Dinge miteinander kombinieren, und das, was dabei entsteht, ist gröĂer als die Summe der Teile.â
Christians Hoffnung: dass die Arbeit mit vorgegebenen komplexen Oszillatoren das musikalische Experimentieren an eine frĂŒhere Stelle im kreativen Prozess rĂŒckt. âEs gibt eine Synthesetechnik, die man mit einem Synthesizer wie Operator oder Wavetable oder was auch immer hinbekommt. Und natĂŒrlich kann man das machen, aber das ist dann auch alles, was man getan hatâ, erklĂ€rt er. âIch wollte im Grunde den Endpunkt davon nehmen und den Weg weitergehen.â
Direkte Kontrolle
Jede Engine verfĂŒgt ĂŒber zwei Haupt-Makro-Regler, deren Funktion je nach verwendetem Oszillator wechselt. Die Makros geben sofortige Kontrolle ĂŒber die jeweiligen Parameter, jede Ănderung bewirkt sofort hörbare klangliche VerĂ€nderungen. âMan kann sich das wie zwei Parameter vorstellen, die den Gesamtsound einer Engine bestimmen und die man per Knopfdruck steuern kannâ, erklĂ€rt Christian. âSo kann man sich stĂ€rker auf die musikalische Relevanz dieser Parameter konzentrieren und muss nicht ĂŒber das technische Set-up nachdenken.â
Dadurch werde es bedeutend einfacher, die MPE-Funktionen von Meld zu nutzen, fĂŒgt Rob hinzu. âWenn man eine Milliarde Parameter hat, muss man ganz schön viel mappen, damit die MPE-Steuerung ĂŒberhaupt Resultate bringt. Wenn man hingegen nur ein paar Makros hat, kann man zum Beispiel sagen, dass man mit dem einen Makro den Slide steuert und das dann auf jeden Fall einen Effekt hat.â
Sinn und Zweck der Makros ist, schnelles und effektives Arbeiten zu ermöglichen â und nicht etwa, Möglichkeiten einzuschrĂ€nken. Der Sound kann auf verschiedenste Arten detailliert angepasst und verĂ€ndert werden. In diesem Aspekt ist Meld von der FlexibilitĂ€t der modularen Synthese inspiriert. âIch bin ein groĂer Fan der Sachen von Mutable Instruments,â sagt Rob. âDie Wandelbarkeit und MultifunktionalitĂ€t deren Module waren ein groĂer Einfluss bei der Entwicklung von Meld. Man kann in Meld zum Beispiel einen LFO einem Parameter zuweisen, der dann wiederum von etwas anderem bearbeitet wird, sodass der LFO eine andere Form bekommt. Und diese Idee haben wir aus der modularen Welt ĂŒbernommen, in der man alles mit allem bearbeiten kann.â
FĂŒr Christian war es besonders wichtig, kreative FlexibilitĂ€t zu ermöglichen, ohne dabei aber User:innen mit weniger Erfahrung abzuschrecken. âMein Hauptinteresse besteht darin, etwas fĂŒr beide Enden des Spektrums zu schaffen â und nicht, ein System zu entwickeln, das fĂŒr Nerds geeignet, aber zu kompliziert fĂŒr AnfĂ€nger:innen ist. Wer alles ĂŒber Synthesizer weiĂ und auch weiĂ, was modulare Systeme so leistungsfĂ€hig macht, kann auf diesem Wissen aufbauen, um sich mit Meld auszutoben.â
Sounddesign, das in die Tiefe geht
Wer das ganze Potenzial von Meld ausschöpfen will, kann zum Beispiel die Spread-Funktion als Modulator verwenden. Normalerweise hat Spreading Panning â also die leichte Verstimmung von Oszillatoren â die Funktion, dem Sound mehr Weite zu verleihen. Mit Meld kann man die Technik jedoch auf die komplette Bandbreite der Modulationsmatrix anwenden. âMan kann das beispielsweise den Filterfrequenzen zuordnen, wodurch man auf einmal eine ganze Menge Filter mit unterschiedlichen Frequenzen hat,â erklĂ€rt Rob. âUnd man kann es der LFO-Geschwindigkeit zuordnen, sodass verschiedene LFOs zum gleichen Zeitpunkt starten â auch solche, die wiederum andere Sachen modulieren. So kann es ziemlich schnell sehr verdichtet und sehr weird werden.â
Wer ins detaillierte Sounddesign einsteigen will, bekommt durch ein Aufklappen der Modulationsmatrix einen vollstĂ€ndigen Ăberblick ĂŒber alle Optionen, einschlieĂlich der Cross-Modulation zwischen den beiden Engines. Das heiĂt: Engine A kann mit den Modulatoren von Engine B modulieren werden und umgekehrt. âCross-Modulation birgt ihre eigenen interessanten technischen Möglichkeitenâ, sagt Christian. âWenn man will, kann man vier LFOs oder drei HĂŒllkurven auf einer Engine haben, aber ein zentrales Element ist, dass man damit die beiden Engines miteinander verschmelzen kann.â
In der Modulationsmatrix besteht auch die Möglichkeit, Werte von einer Engine in die andere zu kopieren. Rob erklĂ€rt, dass dies besonders dann nĂŒtzlich sein kann, wenn man sich in einem Rabbit Hole verloren und etwas gemacht hat, das in der anderen Engine nur schwer zu wiederholen wĂ€re. âIch benutze die Kopierfunktion ziemlich hĂ€ufig, wenn ich beispielsweise einen super komplizierten euklidischen Rhythmus durch Envelope Follower und allerlei anderes Zeug erzeugt habe. Dann möchte ich vielleicht, dass das genauso im anderen Engine passiert, möchte aber eine Sache daran Ă€ndern. Dann kann ich das einfach kopieren, die eine kleine Ănderung vornehmen â und es funktioniert.â
Musikalische Modulation
Endlose Modulationsoptionen und die damit einhergehende Möglichkeit, sehr komplexe Sounds zu erzeugen, können es zur Herausforderung machen, musikalisch noch alles im Griff zu behalten. Der Scale-Awareness-Funktion von Live 12 macht es jedoch leicht, verschiedene Stimmungssysteme zu entdecken und in der jeweiligen Tonart zu bleiben. Integriert in Meld bietet Scale-Awareness sogar noch mehr Möglichkeiten fĂŒr das Sounddesign: So es es etwa möglich, durch die Quantisierung der Tonhöhe und die Verwendung eines LFOs einen in der Tonhöhe abgestuften Glissando-Effekt zu erzeugen, der zur jeweiligen Tonleiter passt.
âSelbst wenn man die Scale-Awareness-Funktion nicht verwendet, ist das meiner Meinung nach ein Muss fĂŒr jeden modernen Synthesizerâ, sagt Christian. âEs ist einfach eine sehr musikalische Art der Modulation, weil das Ohr so empfindlich auf VerĂ€nderungen der Tonhöhe reagiert.â
Auch die Plate- und Membrane-Resonator-Filter von Meld enthalten die Scale-Awareness-Funktion. Die Resonanz lĂ€sst sich nutzen, um aus dem eingehenden Signal Glockentöne zu erzeugen, die in der gewĂŒnschten Tonleiter gespielt werden. âIn diese Filter kann sonst was reinkommenâ, sagt Rob. âAber weil sie auf die Tonleiter abgestimmt sind, kommt es als Musik heraus.â
âAll das hilft einem, in die Geheimnisse der Harmonik einzutauchenâ, fĂŒgt Christian hinzu. âJeder Sound erhĂ€lt sofort eine andere MusikalitĂ€t, wodurch man sich harmonische ZusammenhĂ€nge in einem anderen Kontext anschauen kann.â
Die Möglichkeit, Scale-Awareness zu integrieren, war fĂŒr Christian Resultat des integrierten Designs von Live. âAbleton-Instrumente und -Effekte sind im Allgemeinen stĂ€rker integriertâ, sagt er. âDas fĂŒhlt sich wie ein modernes Feature an, das sich von anderen modernen Features unterscheidet. Mit anderen Anwendungen kann man das Gleiche auch irgendwie erreichen, aber ich finde es faszinierend, einfach Scale-Awareness zu aktivieren und dann rumzuprobieren. Speziell im Fall von Modulation sind die Ergebnisse manchmal ganz anders, als wenn man an die chromatische Tonleiter gebunden ist.â
Letztlich gehe es bei Meld darum, Dinge auszuprobieren und zu sehen, was passiert, sagt Christian. âWenn du nur Live auf einem Laptop hast und drei Wochen auf einer Insel verbringst, was wĂŒrde dich bei Stange halten? Ich denke, ich wĂŒrde immer wieder zu Meld zurĂŒckkommen, weil das Ergebnis damit offener ist. Meld ist fĂŒr ZufĂ€lle gebaut, und die finde ich einfach sehr spannend.â
âIch glaube, dass er den Leuten mit der Zeit ans Herz wachsen wird,â erklĂ€rt Christian abschlieĂend. âDas ist nicht der Synthesizer, von dem man nach dem ersten Blick sagt, das ist das Tollste, was ich je gesehen habe. Aber je mehr Zeit man mit ihm verbringt, desto mehr Gefallen findet man an ihm, weil er einen in Klangbereiche bringt, an die man sonst nicht gedacht hĂ€tte.â
Live 12 ist bald da â hier erfĂ€hrst du, was es sonst noch Neues gibt.