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Melati ESP: Einmal um die Welt kollaborieren
Wie funktionieren Echtzeit-Kollaborationen, wenn die Beteiligten über den ganzen Globus verteilt sind? Mit dieser Frage sahen sich Melati Malay, Erin Rioux aka Tristan Arp und Izak Jerasimo aka Kaazi konfrontiert, als das als Asa Tone bekannte Trio 2020 auf dem komplett remote stattfindenden New-Forms-Festival spielen sollten. Melati und Kaazi lebten in Indonesien und Tristan Arp in Mexiko, eine Improvisation aller Mitglieder in Echtzeit war also in weiter Ferne. Und so sahen sich die drei zu Kreativität gezwungen: Sie entwickelten eine ganz eigene Lösung für das Problem, aufbauend auf Ableton Live und den aufstrebenden künstlerisch-technischen Plattformen, für die New Forms bekannt ist.
Im Anschluss an die Performance begannen Melati und Kaazi die Arbeit an Melati ESP. Das Projekt zieht Inspiration aus Jungle, Pop, Ambient und anderen musikalischen Formen, Melati performt im Zuge des Projekts erstmals Texte auf Bahasa. Für ihr Debütalbum hipernatural kollaborierten Melati ESP über Landesgrenzen hinweg mit Tristan Arp und zeigten einmal mehr, wie Kreativität die Hürden von Lockdowns und räumlicher Distanz überwinden kann.
David Abravanel hat sich mit Melati, Kaazi und Tristan zu einem interkontinentalen Videocall getroffen, um über Kollaboration, das Spielen vokaler Phrasen mit MIDI-Flöten, Granularsynthese und mehr zu sprechen .
Heute lebt ihr auf der ganzen Welt, aber früher wart ihr alle in Brooklyn?
Kaazi: Genau – bis COVID haben wir uns alle in Brooklyn ein Studio geteilt. Dort hatten wir unser gemeinsames Equipment und haben da oft zusammengearbeitet. Kurz vor COVID haben wir das Studio dann zusammengepackt und Erin ist nach Mexiko City gezogen. Und wir [Ich und Melati] blieben dann eine Zeitlang in Australien hängen und sind dann nach Indonesien. Wir haben also seither remote zusammengearbeitet. Trotzdem haben wir aber in New York zusammenwohnt. Wir waren Mitbewohner:innen und haben 13 Jahre lang in New York gelebt.
Habt ihr alle in New York angefangen? Oder wie seid ihr da alle gelandet?
Melati: Niemand von uns hat tatsächlich in New York angefangen. Ich habe auf einer Reise dahin gefunden, einfach im Urlaub mit meiner Schwester, und bin dann letztlich in meinen frühen 20ern da geblieben.
Erin: Ich bin in einem Vorort von Detroit aufgewachsen, bin mit 18 zum Studieren dahin gezogen und dann geblieben. Ich habe da dann mit meinem besten Freund, der dort auch lebte, ein Plattenlabel namens Human Pitch gegründet.
Isaac, Melati und ich haben damals angefangen, zusammen zu arbeiten. Wir haben uns auf einer Party kennengelernt, die ich veranstaltet habe, und für die ich sie mit einem früheren Projekt gebucht habe. Und ja, ich bin dann in Mexico City gelandet, weil ich da zu Besuch war. Ich bin dort eine Beziehung eingegangen und habe Spanisch gelernt, und als die Pandemie begann, war das sowas wie das finale Zeichen, dass ich meinen Weg in diese Richtung fortsetzen sollte.
Ich vermisse New York sehr. Ich vermisse es, am selben Ort wie Isaac und Melati zu leben, aber ich denke schon, dass wir diese neuen Heimatorte alle sehr schätzen […]. Isaac und Melati sind oft zurück nach Indonesien geflogen, und an diesem Punkt haben wir das Projekt auch irgendwie begonnen, weil wir so eine Art gemeinsame Idee hatten, zusammen eine Kollaboration zu starten, nachdem wir schon eine Weile befreundet waren. Es war Melatis Idee oder Vorschlag, wenn ich mich recht erinnere. Warum begeben wir uns nicht alle an einen außergewöhnlichen Ort, um dieses Projekt zu beginnen? Ich fahre jedes Jahr nach Hause, um meine Familie in Indonesien zu besuchen, und in Indonesien haben wir dann auch mit unseren ersten Aufnahmesessions begonnen. Ich habe also das Gefühl, in New York haben wir alle gelebt. Aber unsere initialen Aufnahmen und unsere erste Show, wegen der Pandemie auch eine unserer einzigen, fanden in Indonesien statt.
Wie hat es sich während der Arbeit am Melati-ESP-Album auf den kollaborativen Prozess ausgewirkt, dass ihr an unterschiedlichen Orten wart?
Kaazi: Ich glaube, ein gutes Beispiel dafür [wie wir kollaborieren] ist das New-Forms-Projekt, das eigentlich ein Live-Event war. Das war eine Show, für die wir auf einem Festival in Vancouver gebucht wurden. Wir haben uns auf eine Show vorbereitet, auf der wir 2020 persönlich spielen sollten, aber das haben wir offensichtlich nicht geschafft.
Erin: Die Anforderungen änderten sich von „auf eine Tour vorbereiten” zu „in ziemlich kurzer Zeit eine Arbeit für einen spezifischen Ort entwickeln”. Das war eine coole kreative Herausforderung und wir haben uns entschieden, eine Sammlung an Loops zu erstellen, weil wir ja nicht alle am selben Ort sein konnten. Ich habe so eine kleine Regel vorgeschlagen, es macht Spaß, diese Spielereien und Spielregeln so aufzusetzen. Und das sah dann so aus, dass wir alle um die hundert Loops in derselben Tonart und im selben Tempo gemacht und die dann irgendwie zusammengeschmissen haben. Wir haben uns auf Zoom getroffen, die alle in die Session-Ansicht geladen und dann irgendwie improvisiert, so halb zufällig diese verschiedenen Loops gestartet und geschaut, was passiert.
Melati: Das war über zwei Zoom-Sessions. Ich weiß nicht mehr, wer das Hauptprojekt hatte, aber wir haben quasi irgendwie live zusammen komponiert und gemischt und irgendwie hingekriegt, und ich war so: „Bitte halt das mal an, das hat richtig gut zusammengepasst. Das ist ein super Moment. Halt das mal fest.” Also ja, ich glaube das war mehr so eine Art kollaborative Komposition, nachdem wir alle die Parameter festgelegt haben und alle Entscheidungen getroffen haben. Das war ein bisschen wie Live-Tetris oder so.
Und du meintest, das war sowas wie ein Trockenlauf für die Arbeit am Album von Melati ESP?
Kaazi: Es war anders, weil wir sehr spezifische Parameter im Kopf hatten, sowohl was die Abgeschlossenheit angeht, als auch eine Reihe von Richtlinien bezüglich Tonart und Tempo, so dass wir relativ schnell zusammen komponieren konnten. Ich würde sagen, die ESP-Platte war anders, [obwohl] sie einen ähnlichen Ursprung hatte, da sie größtenteils während des Lockdowns fertiggestellt wurde. Weil wir aber weit weg vom Studio waren, von unserer Ausrüstung, der Hardware, allen Tools und Dingen, die wir für sowas normalerweise nutzen wurden, haben wir dann letztlich vor allem mit dem Computer gearbeitet und diese Musik durch etwas entwickelt, was ich eine nicht-hierarchische Sampling-Struktur nennen würde. Wir haben uns in dieser Phase irgendwie an allem möglichen bedient. Ich hatte also nicht so richtig eine Richtlinie. Dass Melati dann in Bahasa-Indonesisch sang, war glaube ich der Punkt, ab dem ich realisiert habe, dass hier ein einzigartiger und für sich stehender Körper an Arbeiten entstand.
Melati: Wir haben ein paar Learnings mitgenommen und ich würde sagen, man kann das New Forms und unser Vorgängeralbum Temporary Music schon als Übungslauf betrachten, insofern, als dass auf beiden Album viel Improvisation stattgefunden hat, die ich toll fand und die und beim Produzieren von hipernatural am Leben erhalten bleiben sollte.
Wir haben auf zwei Arten improvisiert. Wenn’s um die Aufnahme von Vocals geht, höre ich mir den Track meistens zum ersten Mal an, während die Aufnahme läuft. Ich nehme dann Sachen aus meinem Tagebuch, meinem Notizbuch und über die Jahre gesammelte Worte, und singe die einfach, wenn ich die Musik von Kaazi zum ersten Mal höre, unabhängig von den Instrumentals, die ich gemacht habe. Ich habe das als das Quellsample genutzt und bin bei diesem improvisatorischen Ansatz geblieben. Und andersrum ist etwas ganz ähnliches früher bei der Arbeit mit Erin und Isaac und Asa Tone passiert – dass Erin seine Experimente mit virtuellen Instrumenten ausgehend von der Stimme gemacht hat. Wir haben lange Takes von meinen Vocals aufgenommen, Worte oder Melodien, und haben dann mit Granulator II gearbeitet.
Ich habe den Granulator mit meiner MIDI-Flöte gespielt, die noch mehr Zufall in die Komposition bringt. Und diese Aufnahmen waren eine wesentliche Inspiration – Songstarter sozusagen –, um danach Vocals zu schichten und aufzunehmen, oder das als melodisches Element zu nutzen, das uns auf eine neue Spur führt. Es war diese Zusammenarbeit mit der Technik und dem Zufall.
Du hast also eine MIDI-Flöte benutzt, um deine eigene Stimme zu spielen?
Melati: Ja. Als virtuelles Instrument.
Kaazi: Die MIDI-Flöte hat als Instrument ein Gummi-Mundstück, das abhängig von der Menge an Luft die Form des Sounds verändert – sie sorgt für Pitchbending, Wirbel oder ungewöhnliche Artefakte. Ich glaube, Melati, dass du sie vor allem als ein Tool genutzt hast, um neue melodische Ideen zu erzeugen. Sie war deine Begleiterin beim Aufnehmen von Vocals.
Melati, du meintest, dass du angefangen hast, die Lyrics zu schreiben, als du die Backing-Tracks zum ersten Mal gehört hast. Was war da der Prozess? Hast du ein paar Takes gemacht um zu schauen was gut funktioniert, oder hast du versucht, die ersten Improvisationen direkt einzufangen?
Melati: Ein bisschen was von beidem. Manche Tracks wie „E.M.Z.” sind [bezüglich der Lyrics] Single-Takes, andere sind stark bearbeitet bis hin zu komplett neu arrangiert, was bei den Lyrics viel Chaos reinbringt, für mich ist das aber okay. Mir geht’s eher darum, das energetische Gefühl zu erreichen, das ich mir vorgestellt habe. Ich fand es okay, dass die Lyrics zerschnitten und Sachen herumgeschoben wurden – solange diese Spontanität und die initiale Energie des ersten Gefühls oder der ersten Reaktion da war, die ich in dem Moment mit dem Track hatte, wenn sich das weitergetragen hat, war’s für mich ein Erfolg.
Kaazi: Zum Beispiel „E.M.Z.”, das war ursprünglich quasi eine Skizze, ein Break, ein paar Pads, vielleicht 90 % vollständig. Wir zeigten Melati dann, wie sie schon erklärt hat, den Track und ließen sie die initialen Ideen für Lyrics und Vocals auf dem Handy aufnehmen und das aus dem Kopf singen. Das war unser erster Take. Viel von der Arbeit passiert danach, zum Beispiel, indem wir Elemente aus dem Track entfernen, um ihm mehr Raum zu geben, oder am Ende eine Bassline darunterlegen.
Als ihr an hipernatural gearbeitet habt, wie sah da eure Zusammenarbeit aus? Habt ihr Ideen hin und her geschickt?
Kaazi: [Melati und ich] haben das irgendwie bis an einen Punkt gekriegt, nur zu zweit, an dem wir das Gefühl hatten, okay, so weit können wir gehen. Wir haben diese Musik genug gehört, fügen an diesem Punkt nichts mehr hinzu. Und dann haben wir dieses Paket, das – würde ich sagen – fast fertig ausgearbeitet war, an Erin geschickt. Und dann hat Erin die Platte abgemischt, aber bei ein paar Tracks auch noch was zusätzlich produziert. Es war also anders als bei Asa Tone, wo wir immer alles zusammen gemacht haben, normalerweise bei Livejams, und die Sachen gemeinsam entwickelt haben.
Erin: Ja. hipernatural ist vor allem die Platte von Melati und Isaac, bei der ich dann am Ende dazu kam, als die Songs schon so ziemlich standen. Für mich war das so eine moderne Mutation der Produzenten/Mixer/Letzter-Schiff-Rolle, wo es einfach darum ging, ein paar Farben hinzuzufügen, ein paar Texturen und hier und da vielleicht eine zusätzliche Rhythmus-Sektion. Die Songstruktur war schon weitestgehend da, und ich habe so 80 bis 90 Prozent der Platte zu Ende gebracht, so habe ich das wahrgenommen.
Wenn man sich die Lyrics anschaut, sind die Worte, die du sagst, ein bisschen im Mix verwischt. Du meintest, dass dieser Part deiner Art der Vocalperformance entspricht. Zu welchem Maß wolltest du, dass die Lyrics klar herausstechen, anstatt sie wirken zu lassen wie ein Gefühl oder ein weiteres Instrument?
Melati: Naja, das ist das erste Mal, dass ich eine Platte auf Bahasa Indonesia mache, einer Sprache, die sehr weit von mir weg und doch sehr nah an mir dran ist. Ich bin in Jakarta aufgewachsen und habe sowohl Indonesisch als auch Englisch gelernt. Ich bin nicht so fließend in Bahasa. Der Prozess des Bahasa-Sprechens auf der Platte war also tatsächlich ziemlich aufregend, weil er auf die Art von Authentizität zielte, die meines Erachtens bei meinen früheren Arbeiten und im Englischen gefehlt hatte. Das war so, als würde ich direkt in dieses wundersame Kindheitsgefühl eintauchen. Und ich habe eine sehr visuelle Verbindung zu der Sprache. Wie erkläre ich das? Es gibt einen limitierten Ausschnitt dessen, was ich auf Bahasa ausdrücken kann, wegen meines Verständnisses dafür. Ich hatte das Gefühl, mit den gewählten Lyrics sehr direkt und visuell sein zu können. Und deshalb wollte ich, dass die meisten Vocals sehr geradeheraus sind, damit man die Bilder hört. Ich meine, das ist auch begrenzt, weil nicht jeder Mensch Bahasa spricht. Aber ich wollte, dass diese Platte in großen Teilen sehr geradeheraus ist.
Kaazi: Du hast viel mit mir darüber gesprochen, dass du ein Gefühl für das Gesagte auch bei Menschen entstehen lassen wolltest, die die Lyrics nicht unbedingt verstehen. Ein großer Teil meiner Produktionsarbeit bestand also darin, das zu unterstützen, du hast mir die Übersetzungen in Teilen gegeben, und durch die weitere Produktion war es so, dass man ein Gefühl dafür bekam, was du sagen wolltest, ohne zu wissen, was du sagst.
Melati: Ja und nein, weil manche Lyrics tatsächlich ziemlich heftig und ein bisschen düster sind und große Themen berühren, aber dennoch auf eine Art gesungen oder präsentiert werden, die leicht, poppig oder glänzend ist. Es ist also ein Hin und Her.
Kaazi: Das stimmt. Darüber haben wir auch gesprochen, dieses Stereolab-Ding, dieser zuckrig-süße Song über politische und Umweltthemen in dieser sehr zuckrigen Welt.
Übersetzung: Julia Pustet