Fit für die Platte: Ihre eigenen Tracks auf Vinyl
Vergangenen Samstag fand erneut der Record Store Day statt. Ein Tag, an dem Vinylfreunde auf der ganzen Welt in unabhängigen Plattenläden zusammenkommen, um sich für das so oft totgesagte Tonträgerformat stark zu machen. Denn trotz des Komforts, den Online-Musikportale bieten, geht doch nichts über das aufregende Stöbern in Regalen und den Gedankenaustausch mit gleichgesinnten Musikliebhabern. Seien wir ehrlich – sobald Musik auf Vinyl festgehalten wird, scheint sie unsterblich zu sein. Und immer noch träumen viele Produzenten davon, ihr künstlerisches Werk in Form einer schwarzen oder andersfarbigen Scheibe in den Händen halten zu können.
Anlässlich dieses Ereignisses zu Ehren des Vinyls sprachen wir mit dem Journalisten, Labelbetreiber und Plattenfreak Oli Warwick. Er schildert, wie Ihre Musik auf die schwarzen Scheiben gelangt und worauf Sie achten müssen, damit Ihre Tracks so gut wie möglich klingen, wenn die Nadel endlich die Platte berührt.
Labels
Bevor wir uns den technischen Aspekten widmen, wollen wir uns mit der Herausforderung beschäftigen, ein Vinyl-Label auf sich aufmerksam zu machen. Das Interesse eines Labels zu wecken kann recht mühselig sein und nicht selten hagelt es nach dem Versand der Demos ausschließlich Absagen. Es macht daher Sinn, sich bei der Bemusterung auf Labels zu beschränken, zu deren Philosophie die eigene Musik passt und man auf möglichst Gleichgesinnte trifft. So hält sich der Aufwand in Grenzen. Sollte auch das nicht den gewünschten Erfolg bringen, lässt sich immer noch ein eigenes Label gründen. Viele Künstler verfahren mittlerweile so. Wenn Sie davon überzeugt sind, den absoluten Killertrack in Petto zu haben, der nicht darauf warten kann, über ein Label veröffentlicht zu werden, können Sie sich auch direkt an einen Vertrieb wenden. Im Idealfall streckt dieser gegen eine bestimmte Umsatzbeteiligung die Presskosten vor und kümmert sich um die Distribution. Auch solche Verträge sind heute nicht leicht zu bekommen, aber noch einmal: Mit etwas Recherche finden Sie eine Firma, die für Ihre Art von Musik in Betracht kommt und sie in die richtigen Plattenläden stellt. Sollten Sie die nötige Energie aufbringen, können Sie den Vertrieb natürlich auch selbst in die Hand nehmen. Das allerdings erfordert viel Aufwand und Geduld und Sie sollten dann auch nicht vergessen, sich mit den Mitarbeitern Ihrer Postfiliale gutzustellen.
Mastering
Als Nächstes halten Sie Ausschau nach einer geeigneten Adresse zum Mastern. Hier gibt es etliche Möglichkeiten – von semiprofessionellen, mit High-End-Plug-Ins und ordentlichen Monitoren ausgestatteten Anbietern bis hin zu speziell errichteten Masteringstudios. Nutzen Sie als Orientierung Aufnahmen, deren Sound Sie mögen und finden Sie heraus, wo diese gemastert wurden. Entsprechende Hinweise finden Sie auf dem Cover oder auf dem Label. Informationen zu fast jeder Veröffentlichung finden Sie außerdem auf Discogs. Und denken Sie daran, die günstigste Option ist nicht immer die beste.
Physische Denkweise
Erst einmal sollten Sie wissen, was auf einer Platte tatsächlich passiert. Als physisches Medium ist die Aufnahmekapazität naturgemäß begrenzt und je länger die Spieldauer einer Seite ist, desto flacher ist auch die Rille. Und je flacher die Rille, desto leiser das Tonsignal. Obwohl es keine exakten Regeln gibt, empfehlen die meisten Masteringstudios eine Spieldauer von acht bis neun Minuten bei 45 Umdrehungen und zehn bis zwölf Minuten bei 33er Abspielgeschwindigkeit. Diese Richtwerte erlauben einen lautestmöglichen Schnitt, der insbesondere für Clubtracks wichtig ist, die sich gegenüber allen anderen Platten eines DJ-Sets behaupten sollen. Ist Ihre Musik eher für Hörerlebnisse zuhause ausgelegt, muss die Empfehlung nicht ganz so dogmatisch gesehen werden. Sollen mehrere Tracks auf einer Seite angedacht sein, macht es auch aus physischen Aspekten Sinn, über die Reihenfolge nachzudenken: Denn je weiter die Nadel Richtung Plattenmitte wandert, desto größer werden die Verzerrungen innerhalb der Rille. Achten Sie also darauf, dass Ihre wichtigsten Stücke nach Möglichkeit im äußeren Bereich angesiedelt sind.
Mischung vor dem Mastern
Nachdem alle Spuren angelegt sind, geht es darum, den Stereo-Mix richtig aufzubauen. Natürlich ist das Mixen selbst eine enorme Herausforderung, auf die wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen wollen. Aber behalten Sie im Hinterkopf, dass das Mastern unschöne Details hervorheben kann, die Ihnen beim Mixen gar nicht unbedingt aufgefallen sein müssen. In Bezug auf kritische Elemente wie etwa den Gesang empfiehlt es sich, Versionen mit 'lauterer' und 'leiserer' Stimme anzuliefern. So hat der Tontechniker alle Optionen, um das beste Ergebnis für Sie zu erzielen.
Einer der wesentlichen Punkte beim Mixdown ist das Setzen der korrekten Spitzenpegel. Grundsätzlich liegt die Empfehlung für Pegelspitzen zwischen -3 und -6 dBs. Die dann noch vorhanden Aussteuerungsreserven sind der magische Spielraum für den Tontechniker. Ohne diese 'Headroom' genannten Reserven kommt es beim erforderlichen Anheben bestimmter Frequenzen unweigerlich zu Verzerrungen. Wenn Sie natürlich aggressiven Techno machen, kann es gut sein, dass diese grenzüberschreitenden Verzerrungen genau das sind, wonach Sie suchen. Aber jeder halbwegs gute Toningenieur wird alles tun, um dies zu vermeiden – es sei denn, Sie bestehen explizit darauf.
"Der Dynamikumfang macht die Musik erst aufregend" sagt Shawn Joseph, leitender Tontechniker bei Optimum Mastering in Bristol, UK, "und ganz gleich, ob Ihre Musik leise oder laut ist, sollten wir alles daran setzen, ihn zu erhalten. Ein Mix sollte viel Headroom haben, klare kurzanhaltende Pegelspitzen und reichlich Energie. Wenn Die Spitzen bereits clippen oder der Mix schon totkomprimiert ist, können wir eigentlich nichts mehr tun."
Finger weg von diesen Einstellungen
Ebenso wichtig wie ausreichend Headroom ist, dass der Mix-Bus frei von Kompressoren, Limitern und Equalizern bleibt. Auch wenn es verlockend sein mag, die Tracks im Vorfeld (insbesondere in Clubs) auszutesten und sie über den Mix-Bus mit etwas Nachbearbeitung aufzublasen, sollten Sie es in Vorbereitung auf das Mastern unbedingt sein lassen. Denn genau das ist die Hauptaufgabe der Tontechniker, mit der sie später das Maximum aus Ihren Tracks herausholen können. Wenn Sie beim richtigen Studio gelandet sind, stehen für diese Arbeiten die besten (und teuersten) Geräte zur Verfügung.
"Jeder Mix ist anders und daher gibt es auch keine Standardlösung. Der Gang ins Masteringstudio macht deshalb viel mehr Sinn als die Verwendung irgendeines Plug-Ins" führt Shawn weiter aus. "Ein Toningenieur sollte einschätzen können, ob Ihr Mix dem Genre entsprechend ausgewogen ist und sein Publikum erreicht. Und er berücksichtigt auch das Format, mit dem die Musik wiedergegeben wird."
Das Bouncen
Ihre Files bouncen Sie am besten als WAV oder AIFF mit 24 bit und 44,1 kHz. So sind Sie vollkommen verlustfrei und nicht die kleinste klangliche Information geht verloren. Nach dem Bouncen kontrollieren Sie Ihre Files noch einmal ganz genau, damit Sie keine fehlerhaften Daten übermitteln. Abrupte Enden kommen viel häufiger vor als gedacht und Sie wollen auch bestimmt nicht eine inkorrekte Automation oder den Take mit dem ausprobierten Divengesang übersehen, der dann ungewollt auf Ihren Tonträger gelangt. Auch nicht ungewöhnlich sind digitale Spratzer, die beim Bouncen auftreten können. Ein gutes Masteringstudio wird Ihnen mitteilen, wenn etwas auffällig ist und die Möglichkeit einräumen, Ihre Daten noch einmal neu zu übertragen. Ein anderes Studio macht das aber vielleicht nicht und nur Sie wissen, wann der Track genau so ist, wie er sein soll.
Hören Sie auf Ihre Ohren
Wenn Sie der Mastering-Session nicht persönlich beiwohnen können, bitten Sie um Zusendung der gemasterten Files und kontrollieren Sie sie so genau wie möglich. Machen Sie Tests mit Freunden und vergewissern Sie sich, ob es wirklich das ist, was unveränderlich auf Ihre Scheiben gepresst wird.
"Auch wenn es Extrakosten verursacht – der einzige Weg, vor dem Lackschnitt auf der völlig sicheren Seite zu sein, ist ein Testacetat zu fertigen" erläutert Jack Adams, Leiter der Vinylfertigung bei Optimum. "Das Acetat repräsentiert exakt das Endergebnis und kann beliebig oft in allen möglichen Szenarien abgespielt werden, bis alle Beteiligten zufrieden sind. Und später lässt es sich zur Kontrolle mit dem fertigen Produkt vergleichen."
Für eine Testpressung gibt es gute Gründe. Sie haben vor der Pressung noch einmal die Chance zu überprüfen, ob Sie wirklich mit allem zufrieden sind. Insbesondere der Stereobass kann beim Schneiden Probleme verursachen und bei Bedarf mit einem elliptischen EQ korrigiert werden. Auch bestimmte hohe und tiefe Frequenzen können Störungen in der Rille hervorrufen, die vor dem Schneiden ausgeglichen werden müssen.
"Extreme Stereo-Mixe lösen eine deutlich vertikale Bewegung des Schneidkopfes aus" ergänzt Jack "Dadurch wird die Rille breiter und flacher. Die Schneidvorrichtung wird förmlich über die Scheibe gejagt, verbraucht dabei mehr Platz und kostet Spielzeit oder Lautheit."
Das fertige Produkt
Es gibt nichts Vergleichbares mit dem Tag, an dem Sie Ihre eigene Platte in den Händen halten. Jetzt ist es an der Zeit, sich zu setzen und zuzuhören, wie die Nadel jede kleinste Nuance aus Ihren geliebten Tracks herauskitzelt und in den Raum abstrahlt. Bewahren Sie die Erinnerung daran, denn in diesem Moment ist Ihre Musik so real wie niemals wieder.