STLNDRMS: Nach 10.000 Beats siehst du weiter
Der Produzent STLNDRMS lebt nach dem Mantra „Das Leben ist schön, Zeit ist wertvoll, also bring die Leute zum Lächeln“ und seine Biografie liest sich deswegen auch wie ein Hollywood-Drehbuch.
Der erfahrene Beatmaker hat nicht nur das Produzent:innen-Kollektiv und Beat-Showcase Controllerise mitgegründet, das Sample-Pack Slappy Drums entwickelt und fast 50.000 Instagram-Follower hinter sich gebracht, sondern auch schon als Militärangesteller, Telekommunikationsexperte, MC und Fotograf für Future, Jeezy und Schoolboy Q gearbeitet.
Seine musikalische Karriere verfolgte STLNDRMS bislang eher außerhalb der USA – zum Beispiel in Italien, wo er vor fast zwanzig Jahren seine ersten Tracks komponierte. Später zog er mit seiner Familie nach Tokio, wo seine Musik für das Videospiel MadWorld und den Nachfolger Anarchy Reigns lizensiert wurde – unter seinem anderen Pseudonym MC Ox.
Nun ist STLNDRMS wieder zurück in den USA und arbeitet in seinem Heimstudio in Atlanta. Seine Wanderjahre haben Spuren hinterlassen, in Form von trippigen und runtergepitchten Soul-Samples und knackigen Drum-Hits. STLNDRMS sampelt gerne weitgehend unbekanntes Material, zum Beispiel rare japanische Singles und alte Anime-Soundtracks wie Lupin III und Cowboy Bebop. Zusätzlich greift der Produzent auf Tracklib-Samples zurück – und checkt seine Jazz- und Soul-Platten.
Bei der Suche nach Sounds zum Verformen lässt er sich gerne vom Gefühl des Songs leiten: „Ton, Textur und Klarheit müssen zur Klangästhetik passen, die ich mir für die Platte vorstelle“, sagt er.
„Und ich feuere auch gerne Loops ab“, fügt er lachend hinzu.
Fans von Beats+Chill, seiner Live-Video-Serie auf Facebook, werden wahrscheinlich bemerkt haben, dass die MPC2000XL schon länger eine tragende Säule in STLNDRMS Studio ist. Nach jahrelangem Training beherrscht er die Workstation inzwischen im Schlaf: „Wenn ich mit der MPC arbeite, stoppe ich die Platte, lasse sie wieder los und hole mir das Stückchen, das ich haben will. Dann weise ich es einem Pad zu. Ein Drum-Kit bauen – dafür brauche ich nur wenige Minuten.“
Bei vielen Projekten – zum Beispiel der gefeierten ersten Single „lifestyle“ und dem 2017 veröffentlichten Album Veggie Tacos von 2017 – kam die Kombination aus 2000XL, Roland SP-303 und SP-404 verstärkt zum Einsatz. STLNDRMS schwört auch heute noch darauf und nutzt dieses Setup für seinen Workflow, wenn auch in modifizierter Form. Zuerst zerlegt er die Samples in der MPC, dann nimmt er das Ergebnis über einen 8-Spur-Mixer auf und nutzt dabei EQ und Effekte. Der Roland 404 liefert die charakteristischen Stutter-Effekte und Dropouts, der 303 fügt die Vinyl-Simulation hinzu.
Diesem Setup war er bis 2018 treu ergeben. Während der Produktion von Veggie Tacos III ging allerdings seine MPC kaputt, was ein Umdenken notwendig machte. STLNDRMS komponierte die Hälfte seines Albums mit Maschine und beschloss, auch Live in den Prozess einzubinden.
Der Umstieg zur DAW klappte allerdings erst beim zweiten Versuch: Anfangs war STLNDRMS mit der neuen Methode des Sample-Importierens und -Zerlegens nicht zurechtgekommen. Dann gab er Live eine weitere Chance und entdeckte neue musikalische Möglichkeiten: „Der große Vorteil von Live sind all die Mixing-Tricks, Loop- und Stretch-Funktionen und unzählige weitere Sachen, die mir jetzt zur Verfügung stehen.“
Rückblickend ist STLNDRMS klar, wo anfangs das Problem lag: Er wollte sich in kurzer Zeit alle Aspekte von Live und Push aneignen. Besser wäre es gewesen, das neue und unbekannte Territorium Schritt für Schritt zu erforschen. „Ich habe das Programm einfach nicht verstanden – Push und Live gleichzeitig zu lernen war für mich als MPC-User wirklich seltsam“, sagt er. „Dann beschloss ich, mich zuerst auf die Software zu konzentrieren und nur mein Keyboard zu nutzen. Auf diese Weise machte dann alles Sinn.“
Ein weiterer wichtiger Schritt bestand darin, den in Live gemixten Tracks seinen Signature-Sound zu verpassen. Vintage-Equipment verleiht Samples automatisch eine gewisse Wärme, und es dauerte einige Zeit, bis STLNDRMS diese Wärme auch in Live erzeugen konnte. „Das hat ewig gedauert“, sagt er. „Ableton ist toll, weil es die Sounds erstmal nicht beeinflusst – es bleibt neutral und lässt dich einfach kreativ sein. Aber gleichzeitig hat es keinen eigenen Sound – man muss also herausfinden, wie man darin einen eigenen Sound entwickelt.“
Nach vielen Experimenten gelingt es STLNDRMS mittlerweile, das Feeling und den Sound der MPC realistisch nachzubilden. Er nutzt dafür mehrere Plug-ins gleichzeitig, was dem Common Sense eigentlich widerspricht: „Alle raten davon ab – doch am Ende hatte ich zehn verschiedene Plug-ins im Master-Bus. Und mit dieser Kombination entsteht ein Sound, der der MPC sehr nahekommt.“
Außerdem fand STLNDRMS heraus, wie er die Möglichkeiten von Live in Kombination mit seinem vorigen Setup noch erweitern kann: „Ich nutze den MIDI-Sync für meine MPC, damit ich die Samples so zerlegen kann, wie ich will. Dann verwende ich die Tools zur Klangbearbeitung in Ableton. So nutze ich das Beste beider Welten.“
STLNDRMS gibt sich nicht damit zufrieden, nur seine MPC mit Ableton zu verbinden: Er nutzt auch den 303 als Buskompressor über Lives External Audio Effect-Modul. „Ich kann sagen: 'Schick alles von der MPC zum 303 und nutze ihn als Mastering-Tool'. Das Verrückte dabei: Ableton behandelt meinen 303 dann wie einen Effekt.“
Für markante Drum-Spuren hat STLNDRMS in Live eine sehr aufwendige und komplexe Methode entwickelt. Allerdings rät er davon ab, sie Schritt für Schritt nachzumachen: „Mach das, was für dich klasse klingt, und genieße die Tipps von mir und anderen Produzent:innen mit Vorsicht. Denn eigentlich sind wir doch alle ahnungslos.“
Beim Aufbau von Percussion-Patterns legt STLNDRMS viel Wert auf die EQ-Einstellungen, vor allem in Hinsicht auf die Kick-Drums: „Ich mag sie fett, deswegen booste ich die Bässe bei 60-70 Hz“, erklärt er.
Je nach Song-Kontext erfordern auch andere Drum-Sounds manchmal einen Eingriff per EQ. Das Absenken per EQ hat zwar einen subtileren Effekt als das Anheben, aber STLNDRMS setzt die Technik gerne ein, wenn Tracks überladen sind: „Manchmal booste ich die Snare bei 150 Hz, aber wenn der Track zu voll ist, nehme ich an derselben Stelle auch mal was weg. Hi-Hats booste ich dagegen nie.“
Mach 10.000 Beats. Ich bin davon überzeugt, dass du währenddessen alle Antworten findest. Leg einfach los und hol dir den Durchblick.“
Genau wie andere Produzenten, die ihrer Musik eine menschliche Note geben wollen, vermeidet STLNDRMS das Quantisieren. Lieber verschiebt er nach Bedarf einzelne Noten und Drum-Hits, sobald das Beat-Fundament steht.
Das Experimentieren mit dem EQ spielt für die Percussion-Sounds eine wichtige Rolle – genau wie Vintage-Emulationen und Reverb-Effekte: „Ich schicke den Drum-Bus gerne durch eine Tape-Emulation“, sagt STLNDRMS. „Ich mag diese Wärme. Und ich füge dem Bus auch noch ein wenig Reverb hinzu, um den Drums einen umfassenden Raum zu geben.“
Das dynamische Room-Modeling-Plug-in Ocean Way Studios und Cytomics Kompressor The Glue sind weitere Lieblingstools für den perfekten Vibe.
Live zum Experimentieren mit Akkorden zu verwenden findet STLNDRMS unendlich faszinierend. Ein Aspekt, der seinem Sound eine ganz neue Tiefe verleiht: „Ich baue eine Akkordfolge und kopiere sie dann auf zwei oder drei Spuren mit anderen Sounds, um eine Klangatmosphäre zu entwickeln. Mit Arpeggiatoren gebe ich ihr dann noch mehr Textur. Oft landen die MIDI-Noten auf dem Raster, deswegen verschiebe ich sie, um sie ein bisschen off klingen zu lassen. Das macht das Ganze musikalischer – und menschlicher.“
Genau wie im Studio erweist sich Live auch auf der Bühne als Gamechanger – zum Beispiel beim kürzlichen Zusammentreffen mit Trae Young, dem Basketball-Star der Atlanta Hawks: „Ein großes Kunstprojekt der Firma Verizon, an dem auch vier oder fünf Maler:innen aus der Stadt beteiligt waren. Es ging darum, zu jedem Gemälde einen Beat zu machen.“
Als zwischen den Maler:innen und dem Beatmaker eine kreative Synergie entstand, behielt STLNDRMS beim Spielen mit Samples die Vibes nahtlos bei: „Ich habe Beats gedroppt und live neue Beats entwickelt. Und Samples passend zu ihren Aktionen gespielt. Manchmal habe ich auch mit dem Crossfader zwischen Samples übergeblendet und zeitsynchrone Acapellas gespielt.“
Durch solche Events ist STLNDRMS noch bekannter geworden – und ein Vorbild für Nachwuchsproduzent:innen, die es ihm gleichtun wollen und deswegen bei ihm Rat suchen.
Wenn STLNDRMS über den Weg nachdenkt, den er vor 18 Jahren eingeschlagen hat, ist sein Ratschlag ziemlich einfach: „Meine Antwort ist immer gleich: Mach 10.000 Beats. Ich bin davon überzeugt, dass du währenddessen alle Antworten findest. Leg einfach los und hol dir den Durchblick.“