Leonard Charles: Die Rekonstruktion von Donuts
James Dewitt Yancey alias J Dilla starb 2006 im erschreckend jungen Alter von 32 Jahren, doch seine Musik hat weiterhin großen Einfluss auf viele Beatmaker und Produzenten. Dass J Dillas Bedeutung in den letzten Jahren noch wachsen konnte, ist nicht zuletzt der J Dilla Foundation zu verdanken, die sein musikalisches Vermächtnis betreut und weiterwirken lässt – in Form von Jugendbildungsprojekten an städtischen Schulen und weltweiten Musik-Events zu seinen Ehren.
Eines dieser Events brachte Leonard Charles alias Jeremy Toy, den Produzenten aus Auckland/Neuseeland, auf die Idee, Basement Donuts zu entwickeln – eine eindrucksvolle Interpretation des legendären J Dilla-Albums „Donuts“. Während das Original ein Meisterwerk des Samplings und der Beat-Programming ist, wurde Leonard Charles’ Basement-Version mit akustischen Instrumenten, analoger Hardware und Vocals eingespielt – ein faszinierendes Pendant, das ein neues Licht auf das Ausgangsmaterial wirft und mit eigener Musikalität bezaubert. Das L.A.-Label Hit + Run hat „Basement Donuts“ mittlerweile veröffentlicht und ist die ideale Plattform für das Album – genauso besorgt um das Werk und Vermächtnis von J Dilla wie Leonard Charles.
Instrument-Racks zum Gratis-Download
Wir sprachen mit Jeremy über das Interpretieren von Dillas Musik, den Aufnahmeprozess von „Basement Donuts“ und die an der Produktion beteiligten Instrumente – manche von ihnen wurden von Jeremy gesampelt und freundlicherweise als kostenlose Ableton-Live-Racks zur Verfügung gestellt.
Wie kamst du auf die Idee, J Dillas Donuts-Album mit akustischen Instrumenten zu interpretieren? Du kennst das Album bestimmt sehr gut – wieviel zusätzliches Hören war notwendig, um die Details zu erfassen?
Ich war eingeladen, bei einer Jay Dee Tribute Night in Auckland zu spielen, bei der alle Einnahmen an die Dilla Foundation gingen, und hatte die Idee, das gesamte Donuts-Album zu interpretieren und zu performen. 2016 feiert es Zehnjähriges und hat meine Musik mehr beeinflusst als jedes andere Album, das seitdem erschienen ist.
Bei der Arbeit an meinem Donuts-Liveset dachte ich, dass es cool wäre, das gesamte Album aufzunehmen und daraus ein eigenes Projekt zu machen. Ich wollte nicht mit den Originalsamples des Albums herumspielen oder es Note für Note nachspielen. Mich komplett auf die Platte einzulassen und sie mit meinen eigenen Gefühlen und Vibes zu interpretieren, erschien mir der beste Weg zu sein, J Dilla meinen Respekt zu erweisen.
„Die Kombination aus alten und neuen Instrumenten ist für mich so ein tolles Konzept – nicht sagen zu können, ob ein Sound einen analogen oder digitalen Ursprung hat.“
Ich beschloss, mich an das Format / die Länge / das Tempo der Originalversionen zu halten und meine Tracks in der Reihenfolge des Albums aufzunehmen. Um die Songlängen und Arrangements hinzubekommen, legte ich in Live für jeden Song eine neue Session an, inklusive Beat-Mapping. Wer Donuts kennt, der weiß, dass manche Tracks schneller und langsamer werden, um wirkungsvoll zu sein. Ich wollte sichergehen, dass das in meinen Versionen stimmt, denn das Tempo ist in diesem Fall genauso wichtig wie die anderen Teile des Arrangements. Über diese Vorgabe habe ich mich nur in wenigen Tracks hinweggesetzt – manchmal muss man Regeln auch brechen, oder?
Wie hast du komplett Sample-basierte Tracks für konventionelle Instrumente übersetzt? Hast du jedes Element einem passenden Instrument zugewiesen? Ging es dir darum, einen bestimmten Gesamtsound zu erreichen?
Ich habe mir von Anfang an die Beschränkung gesetzt, nur die Instrumente zu verwenden, die mir zu Beginn des Projekts zur Verfügung standen – die Drum Machine Roland Rhythm 330, Akai MPC60, ein Drum-Kit, Roland MP-600 Electric Piano, Push 2, Roland RE-301 Chorus Echo, Roland Juno 60, Moog Slim Phatty, Fender P und Jazz Bass sowie mein UAD Apollo. Manchmal bin ich von diesen Instrumenten abgewichen, doch sie machen schon den Großteil der Platte aus.
Diese Beschränkung half mir dabei, einen Gesamtsound für das Album zu entwickeln. Die Kombination aus alten und neuen Instrumenten ist für mich so ein tolles Konzept – nicht sagen zu können, ob ein Sound einen analogen oder digitalen Ursprung hat. Die Filter-Optionen in Live und die Max-for-Live-Synths verwischen tatsächlich die Grenzen zwischen digital und analog.
Nachdem ich mich auf die Instrumentierung festgelegt hatte, hörte ich mir Song für Song die Originalversion des Albums an und jammte dazu mit einem meiner Instrumente. Sobald ich etwas eingespielt hatte, das mir gefiel, schaltete ich den Originaltrack stumm und entwickelte meine Version weiter. Diese Technik war für mich naheliegend, weil sie dem Beatmaking mit Samples sehr ähnlich ist. Der Gesamtsound sollte in Richtung Basement Funk gehen – Künstler wie Jeff Phelps. Es war mir wichtig, dass es funky wird und Jay Dees Kunst feiert.
Du hast alles alleine eingespielt, mit Ausnahme mancher Vocals – wen hast du ans Mikro geholt?
Stimmt, abgesehen von den Vocals habe ich alle Instrumente selbst gespielt. Bei manchen Tracks sind die Vocals von mir, bei anderen haben mich Freunde unterstützt. Und Anji, meine Frau – unsere gemeinsame Band heißt She's So Rad.
In einem Song ist Georgia Anne Muldrow zu Gast. Mit diesem Song hatte ich bereits begonnen, bevor das Projekt losging. Sie war bei einer J Dilla-Podiumsdiskussion dabei und ihre Reaktion auf den Track „Airworks“ war der Grund dafür, dass ich sie zu diesem Stück eingeladen habe.
Die Instrumente, die du verschenkst, basieren auf Samples von drei Instrumenten, die du auf dem Album verwendet hast. Wie hast du sie aufgenommen und in Instrument-Racks verwandelt?
Das Roland MP-600 ist ein E-Piano von 1978. Ich stehe auf Afrobeat-Musik und dieses Piano hat den passenden Sound. Soweit ich weiß, ist es ein Synth mit „divide down“-Architektur und einem einzigen Rechteck-Oszillator. Das Tolle an diesem Keyboard ist, dass es drei unabhängige Filter besitzt – zwei Tiefpassfilter mit unterschiedlichen Eckfrequenzen und ein Hochpassfilter. Man kann alle drei Sounds mischen und ein großes Klangspektrum erzeugen. Zusätzlich gibt es einen Decay-Regler, der beim Performen sehr effektiv ist.
Es gibt zwar sehr wenige Möglichkeiten, den Sound zu ändern, doch innerhalb dieser Beschränkung findet sich eine endlos erscheinende Klangpalette. Das Keyboard hat bissige Höhen, die im Mix sehr spannend klingen können. Die Velocity-Spanne ist fantastisch und macht das Instrument unglaublich ausdrucksstark.
Beim Sampeln des Instruments habe ich alle Filter geöffnet und den komplett ungefilterten Klang eingefangen. In Live habe ich jede dritte Note (in kleinen Terzen) aufgenommen und die Samples in Sampler gemappt. Ich hielt es nicht für nötig, die Samples mit verschiedenen Anschlagstärken aufzunehmen, weil ich das später in Sampler nachbilden konnte. Anschließend habe ich die Filter-Sektionen des MP-600 analysiert – visuell mit Lives Spectrum-Plug-in und akustisch mit meinen Ohren – und in Sampler drei Kopien der gesampelten Wellenformen angelegt, jede mit einem anderen Filter. Der Klang der Filter sollte den Original-Filtern des Keyboards möglichst nahe kommen. Zum Schluss habe ich in Sampler noch die Decay-Einstellungen des MP-600 eingefügt – und eine EQ-Sektion mit den Frequenzspektren des Originals.
Der Moog-Lead-Sound stammt von meinem Slim Phatty. Ich bin ein großer Fan von Bob Moogs Werk, und die Sound-Engine des Slim Phatty hat er noch selbst entwickelt. Ich traf ihn 2003 bei der RBMA – ein unglaublich toller Mensch. Der Sound, den ich entwickelt habe, ist von den Moog-Leads von Brian Jackson (Gil Scott-Heron) inspiriert. Aufgenommen habe ich ihn mit dem Programm SampleRobot – ein sehr praktisches Programm! Anschließend habe ich die Filter-Sektion von Lives Sampler hinzugefügt.
Die Roland Rhythm 330 ist eine meiner Lieblings-Drum-Machines / Rhythm Boxes. Sie erinnert mich an die Musik von Shuggie Otis und Raphael Saadiq. Die Stimmung der Sounds meiner Rhythm 330 sind an meine Vorstellungen angepasst. Ein wunderbares Gerät – man kann es aufmachen und im Inneren die Eigenschaften jedes Sounds verändern. Ich habe es mit meiner Universal Audio LA-610 aufgenommen und die einzelnen Drum-Hits in ein Drum-Rack gelegt. Dazu nutzte ich Push 2, mit dem das Schneiden und Bearbeiten von Samples wirklich Spaß macht.
Zusätzlich ist ein Max-for-Live-Faltungshall enthalten. Er stammt von meinem Roland RE-301 Chorus Echo, genauer gesagt ist es der Federhall des Effektgeräts.
Hat dir die Arbeit an diesem Projekt eine neue Sicht auf J Dillas Musik eröffnet? Schätzst du sie jetzt noch mehr?
Es war schwer, manche Tracks von „Donuts“ in Dauerschleife zu hören, weil die Botschaft der Musik sehr heavy ist. Die Arbeit an diesem Projekt hat mich daran erinnert, was bei meiner Kunst am wichtigsten ist – die Kunst muss Vorrang haben. Ich finde, dass sich das in „Donuts“ widerspiegelt. Man hört diesem Album wirklich an, dass es aus einem einzigen Grund gemacht wurde: J Dilla wollte es machen.
Leonard Charles’ „Basement Donuts“ ist auf Bandcamp erhältlich
Holen Sie sich Leonard Charles’ kostenlose „Basement Donuts“-Instrument-Racks