Knxwledge: Immer am Start
Knxwledge ist vielleicht der einzige Mensch auf der Welt, der auf 2020 vorbereitet war. „Quarantäne gibt’s hier regelmäßig“, bemerkt der 32-jährige Produzent im Videotelefonat aus seinem Homestudio. Schon lange bevor „Stay Inside“ für alle zur Pflicht wurde, war das der Titel von Knxwledges Livestream zusammen mit Earl Sweatshirt. Noch bevor Livestreaming zu einer der wenigen Einkommensquellen für Musiker:innen in Pandemiezeiten wurde, hat Knxwledge auf Twitch Street Fighter gespielt und für seine Follower Beats produziert. Seit seinem Debütalbum Klouds von 2010 hat ihn seine ansteckende Mischung aus Loop-Fragmenten und wilden Drums nicht nur die Anerkennung für die Compilation „Klipmode" eingebracht (eine Art Supergroup mit Suzi Analogue, MNDSGN und Devonwho), sondern auch hochkarätige Kooperationen mit Kendrick Lamar und Anderson.Paak. Seine Soundpalette spannt sich auf zwischen Gospelchören aus seiner Jugend, der Street-Rap-Szene in Philadelphia und seinen absoluten Lieblingstracks aus dem Gaming. Dabei schafft er es, eine Ästhetik aufrecht zu erhalten, die ihm komplett eigen ist.
Wie ein Kind, das bei Street Fighter gegen Sagat antritt, ist Ableton Live der Spielecharakter, den sich Knxwledge für die Beatproduktion ausgesucht hat und er beherrscht ein solches Arsenal an Techniken, dass er sich im letzten Jahrzehnt einen der umfangreichsten Kataloge im Hiphop aufgebaut hat. Wir haben über seine Strategie in Live gesprochen, darüber, wie wichtig es ist, in so vielen Räumen wie möglich einen Laptop stehen zu haben und was er aufstrebenden Producern 2020 mit auf den Weg geben würde.
Hat sich denn dein Zeitplan seit dem Lockdown überhaupt verändert oder läuft alles wie gehabt?
Quarantäne gibt’s hier regelmäßig, Bruder. Ich weiß gar nicht, warum die Leute so aufgeregt sind.
Was inspiriert dich jeden Tag aufs Neue?
Ich bin halt den ganzen Tag im „Go“-Modus. Ich meine, klar habe ich meine freien Tage, aber ich bin immer am Start. Was soll man denn sonst machen? Ich mache das wegen der Homies, meine Homies sind nämlich krasse Konkurrenz. Zum Beispiel Alchemist und Sam [Samiyam]. Wenn du mit denen zu tun hast, die lassen nie was anbrennen.
Viele bewundern dich für den enormen Output in deinem Katalog. Ich muss das fragen: Wann schläfst du eigentlich?
Ich habe ein wildes Schlafmuster, Dicker. Es ist total schräg. Das Blöde daran ist, sobald ich denke, dass ich jetzt schlafen gehe, genau dann wird es verrückt. Ich habe in jedem Zimmer ein verfluchtes Setup stehen. Nur kleine Setups, steinalte Laptops, auf denen ich immer noch Zeug loopen kann und so was. Auf jedem Laptop gibt es kleine Drumkits. Gut 98% der Zeit verbringe ich im Bett und ackere mich durch irgendwelchen Kram durch. Am Ende gehe ich dann direkt zurück ins Studio und bringe den Kram zu Ende. Ich habe ein paar gestörte Laptops, die echt weg müssen. Mit deinem könnten die nicht mithalten.
Kommen wir mal zu deinem Prozess, du hast in der Vergangenheit gesagt, dass das Aufstöbern von Samples beim Beatsmachen zentral ist. Wonach suchst du, wenn du nach Samples stöberst? Schaust du nach Musik aus einer bestimmten Sparte oder einer bestimmten Zeit oder ist es einfach, was du gerade zufällig hörst?
Genau das. Ich höre alles, ich mache keinen Unterschied. Ich höre sogar Glen Campbell. Es ist mir ziemlich schnuppe. Ich bin einfach mit allem aufgewachsen, nicht, dass ich gezwungen war, mir Gospelmusik anzuhören, aber ich bin mit Kirche und Musizieren großgeworden.
Man kann ja alles sampeln, also höre ich auch alles. Ich schnappe mir ganz oft so Zeug aus Filmen, die alten Blaxploitation-Sachen und solchen Kram. Es gibt überall was, wenn man hinhört. Heutzutage gibt es wahnsinnig viel geiles Zeug, mit dem man arbeiten kann. Das ganze Zeug kann man mit Ableton superspannend machen. Das ist das Beste, finde ich.
Verwendest du Ableton Live schon seit Klouds?
Ich würde sagen, Klouds ist ein Mix aus Live und ein paar Versatzstücken mit Reason vielleicht. Ehrlich, ich habe alles ausprobiert: Cubase, FL, Reason und so was. Als ich bei Ableton Live ankam, dachte ich, wow. Ich weiß noch, wie Ringgo [MNDSGN] und ich da saßen und was mit den Clips in Lives Session-Ansicht reißen wollten. Tatsächlich baue ich meine Beats immer noch in der Session-Ansicht. Das macht einfach richtig Spaß, weil du so viele Beats machen kannst, wie dein Herz begehrt. Das ist unglaublich.
Wie gehst du mit Drums um? Erstellst du regelmäßig neue Kits?
Nö. Drums hatte ich schon immer. Die ganzen Bootleg-Single-Hits, aus denen ich Drum Racks gebaut habe. Die Drums von meinen Homies auch, dankenswerterweise. So wie die von Karriem [Riggins]. Mehr braucht man doch eigentlich nicht.
Machst du auch das Mixing und Mastering in Live?
Ja, allerdings. Ich finde das easy, ich liebe das. Ich liebe das.
Deine Musik hat einen ganz wiedererkennbaren Sound. Wie sieht bei dir das Abmischen aus?
Mein erster Sample-Pool, als ich mit dem Sampeln angefangen habe, waren die VHS-Kassetten, die mein Vater aus Jamaika mitgebracht hatte. Er hatte auch ein paar Musikkassetten mit, weil die Autos früher so gute Kassettendecks hatten. Ich weiß nicht, ob mein Vater das Ding mitgebracht hatte oder ob es einfach so da war, jedenfalls habe ich die Kassetten in einen superfetten Player gesteckt, der vorne so ein krasses Pitch-Rad hatte. Es gab einen Volume-Regler und sowas wie ein Panning-Rad. Keine Ahnung, ich war einfach immer am Aufnehmen. Den Sound von Tapes habe ich schon immer geliebt. Kann du das nachfühlen? Wer liebt nicht diesen Sound, wenn man eine VHS-Kassette einlegt und auf Play drückt und der Sound gewarpt wird? Das ist doch der Hammer!
Deshalb besitze ich ein paar von den UAD Tape-Emulatoren. Von denen gibt es tausende. Dazu Plug-ins von Waves, von denen gibt es auch tausende. So Bandmaschinenkram und alle möglichen Emulationen. Dazu ganz dezente Equalizer. Echt superdezent, zum Beispiel EQ Threes. Das ist so ziemlich alles. Den EQ Eight verwende ich kaum. Beim Mixen nehme ich schon mehr, aber wenn ich Sample bearbeite, dann nur mit EQ Three. Ganz schön krank. Mann, ich liebe diese eingebauten Effekte. Die sind mir die Liebsten. Ich verwende den Kram so oft, ich nehme keine externen Limiter oder so was.
Was befindet sich zur Zeit in deinem Template von Live?
Ich habe ein Drum Rack, zwei leere Audio-Spuren und einen Simpler. Das war’s.
Was deine Karriere angeht, hast du ganz klar eine Menge Erfolg. Wenn du jungen Producer:innen einen Rat geben solltest, die versuchen, ihre eigene Stimme und ihren eigenen Sound zu finden – was würdest du ihnen sagen?
Erstens: Versuch’s mal mit Live. Zweitens…
Du musst das nicht sagen!
Doch, doch, das ist echt mein Lieblingsprogramm. Ich meine, nimm ruhig, was du magst. Meinungen sind doch absolut nur Meinungen, oder? Produktiv zu sein und Dinge zu tun, die man liebt, sind zwei Paar Schuhe. Ich mache das, weil ich es liebe. Ich halte mich nicht mit ein paar Tracks oder Projekten auf. Als ich jünger war, hatte ich eine starke Arbeitsmoral, da habe ich eine Menge gearbeitet. Wir müssen alle von irgendwas leben, ist ja klar. Also arbeite ich wie in einem normalen Job. Ich wäre überhaupt niemals an diesem Punkt angelangt, wenn ich mit meinen Sachen nicht rausgegangen wäre. Also, ich würde sagen, gib sie erst raus, wenn du soweit bist. Lass dich weiter inspirieren und stapel deine Sachen. Ich nenne das immer stapeln. Ich stapele immer noch Beats, bis ich sie irgendwann überhabe und rausgebe. Mach einfach weiter und sorg dafür, dass es dir selber gefällt, statt dir über jemand anders Gedanken zu machen.
Das ist wie Kanye, der gesagt hat: „Schließ dich in einem Zimmer ein…“
Fünf Beats am Tag. Der Hammer.
Es gab eine seltsame Phase in meinem Leben, in der es wichtig war, Beats zu machen, die irgendwie die Leute berühren. Ich weiß noch, wie ich mit Anderson [.Paak] und Thebe [Earl Sweatshirt] auf Tour war, da waren wir bei 9th Wonder zu Hause und haben uns gegenseitig ein paar Sachen vorgespielt. Und der Typ hat einfach stundenlang aufgelegt. Da dachte ich: „Verdammt, was wäre, wenn ich nicht die ganzen Beats hätte? Was, wenn ich mich einfach auf ein paar wenige Beats verlasse, die richtig reinhauen und dann einfach mit dem Kram fahre?“ Aber reinhauen muss es schon. Da hilft keine Zuckerglasur. Das alles kann nicht immer nur Spaß machen, ist ja klar. Ich meine, den ganzen Tag Musik machen macht so lange Spaß, bis du müde wirst oder deine Ohren nicht mehr funktionieren. Aber es kommt darauf an, wie sehr man das liebt. Du merkst ja, wie sehr ich das liebe, Dicker. Du kannst das verstehen. Schau’s dir an.
Um mehr von Knxwledges grenzenloser Liebe zum Musikmachen mitzubekommen, besuchen Sie ihn auf Bandcamp oder folgen Sie ihm auf Twitch.
Text und Interview: Daniel Krishnan Übersetzung: Kathrin Grenzdörffer