KHOMPA: Live getriggert
Kennen Sie den Witz über den Drummer und den Keyboarder, die einfach nicht im Takt spielen können? Auch Davide Compagnoni alias KHOMPA hat für sein neues Album The Shape of Drums to Come nicht im Takt gespielt – es besteht fast komplett aus Stücken mit melodischem Material, das synchron zu den Drums getriggert wurde. Als Solomusiker präsentiert Davide sein Album am Schlagzeug, während er parallel dazu Ableton Live bedient – mit einem speziellen Fußpedal und einem eigens entwickelten Step-Sequenzer für Max for Live. David Abravanel sprach mit Davide, um mehr über sein Album und das faszinierende KHOMPA-Bühnen-Setup zu erfahren und der Frage nachzugehen, wie man getriggerte Songpassagen lebendig klingen lässt.
Wie kamst du auf die Idee, dieses Album nicht mit anderen Musikern oder Overdubs aufzunehmen, sondern mit Drum-getriggerten Melodien?
Diese Idee hatte ich schon ewig lange. Ich begann mit 15 Schlagzeug zu spielen und fand elektronische Musik schon damals faszinierend. Zuvor hatte ich Klavier und Gitarre gelernt – Melodien waren also bereits ein Teil meines musikalischen Vokabulars. Es hat mich schon immer interessiert, beim Drumming über den Rhythmus hinauszugehen, mit verschiedenen Sounds und Dynamik zu experimentieren, Looper und elektronische Pads zu verwenden, Sampler anzusteuern und so weiter. Es ging mir darum, Spaß mit meinem Instrument zu haben anstatt beim konventionellen Drumming zu bleiben (nicht falsch verstehen – ich habe großen Respekt vor der Kunst des Drumming und habe das Instrument jahrelang erlernt). Dann entdeckte ich einen französischen Drummer namens Duracell, der mit Triggern und 8-bit-Melodien experimentierte. Einen Solo-Drummer zu sehen, der mit seinem Schlagzeug Melodien spielt – das inspirierte mich dazu, das Triggern von Drums auf ein neues Level zu bringen.
Ich habe immer mit anderen Musikern gespielt und werde das bestimmt auch weiterhin machen. Seit fast 20 Jahren spiele ich mit meiner Band STEARICA, wir haben unzählige Konzerte in ganz Europa gegeben (zur Zeit bin ich wieder auf Europa-Tour – beim Schreiben sitze ich gerade in einem Van, irgendwo zwischen Belgien und Frankreich). Ich habe auch in einigen anderen Bands gespielt und in verschiedenen musikalischen Kontexten als Session-Drummer gearbeitet. Doch es war schon immer mein Traum, irgendwann ein Soloalbum zu produzieren. Natürlich konnte ich mir früher nicht vorstellen, dass ich dafür solch ein unglaubliches Setup nutzen würde – es ermöglicht es mir, alleine live zu spielen, ohne dabei Backing-Tracks oder -Loops zu verwenden. Ich bin kein großer Fan von dem Ansatz vorab aufgenommener Tracks, wie ihn viele elektronische Bands/Künstler heutzutage verfolgen.
Es fiel mir nicht leicht, dieses Soloalbum aufzunehmen. Ein Soloalbum bedeutet immer viel Arbeit, selbst wenn man es konventionell produziert. In meinem Fall war zusätzlich viel Forschen und Experimentieren erforderlich, um das Album zu realisieren. In manchen Punkten wurde es zu einer echten Herausforderung und ich bin sehr stolz, dass ich sie gemeistert habe.
Wie funktioniert dein selbst entwickelter Max-for-Live-Sequenzer?
Ich habe den KHOMPA-Step-Sequenzer zusammen mit meinem Freund GUP Alcaro programmiert – einem erfahrenen Sound Designer und Leiter des Turiner Künstlerkollektivs Superbudda. GUP und ich programmierten und testeten den Step-Sequenzer nächtelang. Er basiert auf einem bereits existierenden Max-for-Live-Objekt (einem Step-Sequenzer), den wir weiterentwickelt und an meine Vorstellungen angepasst haben. Ich kann mit dem Step-Sequenzer virtuelle Instrumente steuern (Synths und Samplers in Ableton Live) – über die MIDI-Noten, die von Triggern erzeugt werden, die an meinem Schlagzeug befestigt sind. Bei jedem Anschlag wechselt der Sequenzer zum nächsten Schritt / zur nächsten Note. So kann ich Melodien spielen, ohne Backing-Tracks oder Loops zu verwenden: 100 % live!
Der Step-Sequenzer ist in 16 Patterns unterteilt. Jedes Pattern kann 1-64 Noten umfassen. Um von einem Pattern zum nächsten zu wechseln, nutze ich ein spezielles Fußpedal, das genau wie ein Trigger funktioniert – sobald ich es betätige, sendet es eine MIDI-Note zum Step-Sequenzer. Es besitzt einige spezielle Funktionen – ich kann bei jeder Note entscheiden, ob sie „kontinuierlich“ ist (und solange gespielt wird, bis die nächste Note getriggert wird, genau wie der NOTE ON-Befehl, den viele Synthesizer haben) oder für die Note eine feste Länge bestimmen. Natürlich kann ich für jede Note auch die Anschlagsgeschwindigkeit einstellen. Zusätzlich lässt sich über die Threshold-Funktion die Empfindlichkeit des Step-Sequenzers einstellen (wie bei herkömmlichen E-Drum-Modulen zur Nutzung von Triggern). Ich kann den Step-Sequenzer jederzeit komplett umgehen (dann reagiert er nicht auf die MIDI-Noten, die von den Triggern gesendet werden, falls ich ohne elektronische Sounds drummen will).
Der Step-Sequenzer enthält auch viele allgemeine Funktionen, die beim Komponieren nützlich sind – Patterns kopieren, einfügen, löschen und so weiter.
Wie entwickelst du beim Komponieren Rhythmen und Melodien?
Der Schaffensprozess war bei jedem Song anders. Manche Stücke basieren auf einem Gitarren- oder Bassriff, oder auf einem Klavierstück – die meisten sind beim Improvisieren im Studio entstanden, als ich die akustischen Drums und die MIDI-Signale von den Triggern in Lives Arrangement-Ansicht aufnahm. Manchmal spielte ich Drums mit einer einzigen Synth-Note auf der Bass-Drum. Sobald ich eine gute rhythmische Idee gefunden hatte, dachte ich mir dazu eine Melodie aus, wechselte vom Schlagzeug zum Step-Sequenzer, um sie dort einzugeben, und spielte anschließend wieder Drums mit der Melodie. Bei anderen Songs konzentrierte ich mich im Studio nur auf rhythmische Ideen – dabei nahm ich immer in Live MIDI-Signale auf – und entwickelte die Melodien zuhause, mit dem Step-Sequenzer als eine Art Post-Production-Tool.
Du spielst Rhythmusinstrumente und Melodieinstrumente – was sind für dich beim Komponieren die Unterschiede und Gemeinsamkeiten?
Für mich ist Musikalität der Schlüssel zu allem – ob man Drums oder ein Melodieinstrument spielt, singt oder elektronische Musik produziert. In den letzten 20 Jahren habe ich so viele Drummer kennengelernt – Amateure wie Profis. Die besten Drummer sind für mich jene, die sich nicht nur über das Drumming Gedanken machen, sondern auch einen musikalischen Ansatz haben. Egal welches Instrument man spielt – man muss der Musik dienen und sie fühlen, seinen persönlichen Geschmack und seine Haltung einbringen. Für gute Musiker gibt es keinen großen Unterschied zwischen dem Drumming und dem Spielen von Melodieinstrumenten (mal abgesehen von der Tatsache, dass ein Drum-Kit keine melodische Skala besitzt… außer bei Terry Bozzio, aber das ist eine andere Geschichte).