Kenny Beats: Connecting the D.O.T.S
Als der verstorbene Rapper und Musikproduzent Daniel Dumile (allgemein bekannt als MF DOOM) gefragt wurde, wie er Schreibblockaden bekämpft, war seine Antwort einfach: “Für mich ist Kreativität so etwas wie ein Energiefluss, der zu mir kommt. Er kommt in Wellen. Sie müssen für die Welle bereit sein, wenn sie kommt, und wenn sie wieder geht, warten Sie, bis sie zurückkehrt. Das ist der Moment, in dem Sie eine Pause machen. Es ist absolut unmöglich, etwas zu erzwingen. Sie müssen einfach nur bereit sein.” Es ist ein Grundsatz, der sich durch die Jahrtausende und die Kulturen zieht. Er findet sich in den tibetanisch-buddhistischen Meditationspraktiken, im „Be Like Water”-Minimalismus von Bruce Lees Jeet Kune Do oder im schwer greifbaren „Flow-Zustand” von Malcolm Gladwell. Das Geheimnis von Größe, sei sie geistiger, körperlicher oder kreativer Natur, scheint in der Kapazität eines Individuums zu liegen, sich zu entspannen und der eigenen Fähigkeit zu vertrauen, auf den anstehenden Wellen der Inspiration zu reiten.
Kenneth Charles Blume III, besser bekannt als Kenny Beats, hat diese Idee aufgegriffen und gemacht, was Millenials mit Geschäftssinn tun würden: Er hat sie gebrandet. Don’t Over Think Shit—„D.O.T.S” jugendfrei abgekürzt—schmückt seinen Merchandise, die Leuchtschrift über seinem Studioeingang und scheinbar auch fast alles andere in seinem Besitz. „Auf dem Teppich unter meinen Füßen, auf den ich den ganzen Tag schaue, steht Don't Over Think Shit . Auf meinem Feuerzeug steht Don't Over Think Shit. Auf jedem kleinen Teil, das ich benutze, steht Don’t Over Think Shit,” erzählt er in einem Videogespräch aus seinem Aufnahmestudio in Los Angeles. Für Blume ist D.O.T.S weniger der Slogan einer Kampagne als ein meditatives Mantra, dessen philosophisches Fundament eine delikate Harmonie zwischen seiner Arbeitsmoral und Kreativität herstellt.
„Das kam von meinem Manager, der mir gesagt hat, ich soll nicht so viel über alles nachdenken. Ich bin immer am Grübeln. Ich versuche immer, irgendetwas zu finden, das noch nicht da ist, das mir dabei hilft, besser zu arbeiten. Ich muss mich selbst mehr daran erinneren als andere. Ich sage mir ständig: lass los. Das bedeutet nicht, auf Qualität zu verzichten. Es heißt auch nicht, dass Sie etwas loslassen sollen, auf das Sie nicht stolz sind. Es ist nur eine Erinnerung daran, dass Sie sich manchmal mit einer bestimmten Entscheidung verrückt machen, obwohl es doch viele Entscheidungen gibt, die Sie treffen müssen, und dafür ist manchmal einfach die Vogelperspektive nötig. Und das D.O.T.S- Mantra war für mich immer eine Art Schlag auf den Kopf, um resetten zu können.”
Vielleicht ist D.O.T.S der Klebstoff, der Blumes elfjährigen Karriereritt durch die Genres als Produzent zusammenhält. In den frühen 2010er-Jahren erreichte Blume Platzierungen mit den Blog-Rap-Favorites Skeme, Smoke DZA und Schoolboy Q vor dessen Zeit bei Interscope. Mit Ryan Marks, der wie er an der Berklee College of Music studierte, gründete er 2012 Loudpvck und ging mit einem Festival-freundlichen EDM-Sound, der der 808-getriebenen Trap-Musik aus Atlanta viel verdankte, auf der ganzen Welt auf Tour. Im Jahr 2017 sollte Loudpvck dann sein Ende finden und Blumes Musikkarriere erlebte eine Art Heimkehr . Nachdem er sich in einem Studio in Los Angelos verkrochen und die breite Klanglandschaft des zeitgenössischen Hip Hop studiert hatte, tauchte er als Kenny Beats wieder auf und begann eine Reihe von Kollaborationen mit Größen wie HoodRich Pablo Juan, Lil Wop und dem Underground-Liebling Key aus Atlanta!
Es war dieses letzte Projekt mit dem Titel 777, das Blume zu einem der gefragtesten Bass-Lieferanten des Hip-Hop machen sollte. Die von ihm produzierten Banger, die die Kofferräume der Autos zum Beben brachten, gingen an eine Reihe von Rappern an der Spitze der kreativen Renaissance des Genres in den späten 2010er-Jahren, unter anderem an Greedo, Staples oder Nasty. Blume hatte es geschafft: Wenn der Kofferraum beben musste, war er der Go-To Produzent, und bis heute hat er das nicht bereut.
„Die 808”—der schnelle Sprachgebrauch der Hip-Hop-Produktionswelt für eine gesampelte und verarbeitete 808-Kickdrum mit einem bis zum Mond reichenden Abklang— ist die ultimative Währung der Rap-Produzent:innen. Sie ist Hip-Hops größter Hingucker; ein klanglicher Zutritt in die Seele der jungen Hörer:innen des Genres; der Schlüssel zum Bump in Feefo’s Whip eines Tracks. Blumes 808s sind voluminöse Angelegenheiten, die seine Produktionen umhüllen und dabei immer angemessenen Raum für Emcees lassen, um den Beat ins Jenseits zu befördern. Sein Geheimnis? Sie haben es erraten—D.O.T.S:
„Mein Ansatz ist es, weniger zu machen. Es geht darum, Samples auszusuchen, die Ihnen wirklich, wirklich gefallen. Sie sollten buchstäblich durch tausende und abertausende Samples gehen und nur die, sagen wir, 20 oder 30 verwenden, die Sie lieben. Sie müssen etwas finden, das für Sie einfach krass klingt, anstatt zu sagen: Vielleicht ist es gut, wenn ich es sidechaine; vielleicht klingt es richtig, wenn ich den passenden EQ dafür finde; vielleicht braucht es einen R-Bass. Aber nein, meiner Meinung nach sollten Sie nicht viel damit machen. Ich habe einfach von Leuten gelernt, deren 808s für mich richtig gut klangen. Sie hatten immer eine Kick, und sie hatten immer ein richtig krankes 808-Sample. Und da hat nie jemand über Sidechaining gesprochen oder darüber, was die 808 noch alles braucht. Da ging es immer nur darum, eine 808 zu finden, die kracht.”
Während der Einfluß von Hip-Hop das Spektrum der Popmusik weiterhin dominiert, ist aus seinen Klangsignaturen die Lingua Franca des Sounds der genreübergreifenden Jungendkultur geworden. Deshalb wird Blume mittlerweile für Kollaborationen mit Künstler:innen wie Omar Apollo, Deb Never, Ed Sheeran und IDLES angefragt. Sein technisches Können wird jetzt auch jenseits des Laptops in tradtionelleren Umgebungen für Studioaufnahmen auf die Probe gestellt. Ein roter Faden in seiner Praxis, sei es in der 808-Auswahl, dem Gear-Erwerb oder der Produktion von Vocals, ist seine gute Vorbereitung, die aus einer echten Liebe zu den Künstler:innen resultiert, mit denen er arbeitet. Wenn Don’t Over Think Shit Blumes Theorie ist, dann liegt seine Praxis an der Schnittstelle zwischen akribischer Organisation, gründlicher Recherche und ehrlicher Anteilnahme und Begeisterung für seine Lieblingsmusiker:innen.
Das ist der Vorgang, über den Blume im Verlauf unseres Interviews am meisten sprechen wollte. Dabei hat er uns einen detaillierten Einblick in die kreative und technische Herangehensweise eines der größten Orchestratoren zeigenössischer Musik geboten. Wie wir gelernt haben, ist es eine Sache, „Don’t Over Think Shit” zu sagen; sie so in die Psyche einzubauen, damit Sie produktiv bleiben können, ohne den Verstand zu verlieren, ist eine ganz andere.
Sie haben erwähnt, dass Sie vor kurzem mit zwei sehr unterschiedlichen Arten von Künstler:innen gearbeitet haben. Können Sie erkären, was Sie damit gemeint haben?
Naja, das eine Album ist ein Album, auf dem ich buchstäblich das tue, was alle von mir kennen: ich mache Beats, flippe Samples und spiele Instrumente. Einfach verschiedene Arten von Rap. Hip-Hop mit einem meiner Lieblingskünstler.
Aber ein anderes Album, an dem ich gearbeitet habe, besteht so ziemlich nur aus Live-Aufnahmen, fast ohne mein normales Skill-Set, meinen Sample-Folder oder normalen Ablauf, bei dem ich sonst einfach Ableton anschalte und alles selber mache. Bei dem Künstler, mit dem ich gearbeitet habe, müssen nur eine Menge Mikrofone vor eine Menge Amps gestellt werden und eine Menge Mikrofone vor eine Menge Instrumente und Leute, und dann ist das alles, womit Sie arbeiten müssen. Mehr wollen sie für ihre Musik nicht. Und ich habe dadurch eine ganz andere Perspektive darauf bekommen, was meine Aufgabe in einem Raum mit Künstler:innen sein kann, wenn es nicht nur darum geht, welches Sample ich habe, welche Plugins ich abrufen kann und was ich tun kann, damit alles besser klingt. Ich mache ja sonst eine Gitarre selber. Ich mache einen Drum-Loop selber. Ich mache, was auch immer es ist, alleine.”
Jetzt sind Sie in einem Raum, in dem der Ton wichtig ist, die Aufnahme, die Akustik. Das ist eine ganze andere Sache. Indem ich von dem einen Projekt zum anderen gesprungen bin und dabei mein Gehirn und mein Gefühl als Produzent auf ganz andere Weise verwenden musste, habe ich wirklich gelernt, wozu ich gut bin. Und es ist wirklich nur mein Geschmack im kreativen Prozess oder meine Hilfe beim Troubleshooting, um die es geht. Es gibt Millionen Entscheidungen, die Sie treffen müssen, egal, an welcher Art von Album Sie arbeiten. Es geht einfach darum, die besten Entscheidungen zu treffen und auf dem Weg dorthin die höchstmögliche Trefferquote zu erzielen.
Wie unterscheidet sich Ihr Denken, wenn Sie in verschiedenen Genres arbeiten?
Aus jemandem eine Leistung herauszuholen, unterscheidet sich immer, unabhängig vom Genre. Es spielt keine Rolle, ob zwei Menschen den gleichen Nischenmusik-Style aus der gleichen Stadt im gleichen Staat machen. Sie können völlig verschieden motiviert sein, komplett unterschiedliche Persönlichkeiten und Ansichten über Musik haben, und sie haben wahrscheinlich auch andere Methoden, in ihren Arbeitsfluss zu kommen oder ihren Flow State zu erreichen, oder wie auch immer Sie das nennen wollen. Für mich ist jede Künstler:in ein einzelner Fall. Dabei ist es egal, ob es um ein Hardcore-Album mit Trash Talk geht, ob ich an einem Projekt wie Ultra Mono mit Idles arbeite oder ob ich ein komplettes Album mit welcher Künstler:in auch immer mache, sei es ein Ding mit Denzel [Curry] oder jemand wie Vince [Staples] oder Rico [Nasty] oder Freddie [Gibbs] oder KEY! oder wer auch immer. Für mich ist jede Session ein völlig neues Szenario.
Sagen wir mal, Sie arbeiten mit JID. Er kann unglaublich singen. Und er hat auch eine sehr spezifische Art von Kadenz, eine Art Ton, wenn er rappt, der tatsächlich ständig variiert. Wenn Sie jemanden wie ihn abmischen, müssen Sie das Singen wie bei einer Sänger:in, und das Rappen wie bei einer Rapper:in behandeln. Wenn Sie sich das anschauen, können Sie sehen, dass ich sie auf zwei verschiedene Spuren lege. Sie haben verschiedene EQs, verschiedene Plugins, verschiedene Rerverbs, verschiedene Sends. Ich behandle sie wie zwei völlig verschiedene Menschen, und so bekomme ich meine besten Ergebnisse. Und wenn ich mit unterschiedlichen Leuten arbeite, wird jedes Szenario von mir völlig unabhängig von dem anderen behandelt. Und Sie können sich nicht wirklich auf ein Genre verlassen oder ein Interview, das Sie gelesen haben, oder auch nicht auf eine Unterhaltung, die Sie in der Vergangenheit geführt haben, weil sich kreative Menschen immer weiterentwickeln. Also müssen Sie von Fall zu Fall arbeiten. Immer.
Haben Sie einen grundlegenden Ansatz? Da wir von JID als Beispiel sprechen: Haben Sie einen Ausgangspunkt, von dem aus Sie vielleicht eine Vocal-Chain einrichten, wenn er rappt, versus einer Vocal-Chain für seinen Gesang?
Zuerst hab ich mir was bei Alex Tumay abgeschaut, und ich habe das dann monatelang bei allen so gemacht. Aber dann ist mir aufgefallen: „Oh, sie klingen richtig schlecht auf diesem Mikrofon!” Oder: „Oh, sie klingen wirklich nicht so gut in diesem Song.” Aber neulich hat genau diese Person super geklungen. Und mir ist aufgefallen, dass es nicht das Mikrofon ist, das schuld ist. Ich bin es, weil ich für alle dieselbe Chain verwendet habe. Ich glaube, das ist eines der Dinge, die mich am meisten frustrieren, wenn ich in ein großes, schönes Studio eingeladen werde und ich nicht bei mir im Studio arbeite: Die meisten Tontechniker:innen in vielen Studios kennen eine Template gut, sie lernen eine Sache, die funktioniert, und sie haben nicht genug Zeit mit den Künstler:innen. Es ist nicht ihre Schuld, aber sie haben nicht genug Zeit mit einer Künstler:in, um herauszufinden, was genau für ihre Stimme funktioniert. Deswegen nehmen sie jeden Tag dasselbe Template. Für jede Person. In jeder Session für jede Künstler:in ist es dasselbe Template, und es lassen sich daraus an vielen Orten, die ich besuche, keine Regeln ableiten.
Ich denke also darüber nach und versuche meine blinden Flecken abzudecken. Wenn jemand zu mir kommt, sage ich nicht einfach: „Okay, boom, das ist eine Frau. Dann gehe ich mal zum Vocal-Preset für Frauen. Okay, boom, das ist ein Mann. Ich nehme also die tiefe männliche Einstellung im Auto-Tune.” Ich fange dann an, mir zu überlegen: „Oh wow, jedes Mal, wenn sie rappen, hat die Stimme eine seltsame Resonanz von ungefähr 500 Hz. Okay, jedes Mal, wenn es um ein Rap-Vocal geht, ziehe ich also die gleiche EQ auf die Spur mit dem Resonanzabschnitt oder dem seltsamen kleinen Abschnitt, der mir immer aufffällt, wenn sie rappen.” Und dann fangen Sie an, die Leute kennenzulernen. Jedes Mal, wenn sie ein Adlib machen, werden sie richtig laut. Okay, ich drehe den Gain auf dem Kompressor ein wenig runter. Und hier auf meinem Preamp gehe ich auch ein weniger tiefer. Ich habe langsam durch Scheitern gelernt. Und es ist richtig gut, zu scheitern, wenn Sie alleine sind, aber mit Künstler:innen zu scheitern, einer Aufnahme oder in einem Moment, den Sie nicht zurück haben können, wenn jemand super inspiriert ist, das darf nicht passieren.
Es erfordert nur ein wenig Konzentration, wenn Sie vom Produktions- und Beatmaker-Mindset zum Mindset einer Tontechniker:in wechseln. Eine Gesangsaufnahme ist nicht das gleiche wie Spuren auf MIDI anzulegen. Sie ist nicht immer etwas, das sich wiederholen lässt. Ein Auftritt ist nicht immer etwas, das sich wieder abrufen lässt. Sie müssen deshalb etwas aufmerksamer sein, wenn es darum geht, dazuzulernen, und wenn es um das Equipment und Plug-Ins und alles andere geht, das eine Rolle bei den Vocals und der Tontechnik spielt, zusätzlich zu der von Ihnen produzierten Musik.
Das ist groß. Das erinnert mich an eine Dokumentation, die ich angeschaut habe. Ice-T hat darin darüber gesprochen, dass er immer zwei Sessions bucht, wenn er in ein Studio geht. In der einen Session ging es darum, die Idee des Songs herauszubringen, und dann in der nächsten Session, den Song tatsächlich aufzunehmen. Er wusste, dass er dafür immer zwei Sessions buchen musste, weil ihm klar war, dass es das erste Mal nie die Session sein würde.
Ja, ich meine, für mich und die Leute ist das erste Jahr nie das Jahr. Manchmal sind die ersten drei, vier Jahre nie die Jahre für mich und die Leute. Und ich fange an, das wirklich zu verstehen. Manchmal ist es einfach nötig, eine bestimmte Beziehung oder ein Verständnis voneinander zu haben. Sie müssen nicht mit allen beste Freunde sein, um eine Vorstellung davon zu bekommen, warum es nicht funktioniert hat oder was sie mögen oder was Sie an ihrem Ansatz ändern müssen. Oder vielleicht ist es am Ende einfach der richtige Zeitpunkt. Manchmal ist es einfach so. Ich habe gehört, dass Prince ein ganzes Album gemacht hat und dann gesagt hat: „Okay, jetzt kann ich ein Album machen." Er musste erst eines fertig machen, um sagen zu können: „Jetzt läuft es, los geht 's.” Wenn es dann läuft, dann macht mir das nichts aus. Es stört mich nicht, wenn ich vorher eine Stunde lang etwas gemacht habe oder es vier Jahre lang gedauert hat. Koste es, was es wolle.
Wieviel stecken Sie rein, um beim ersten Mal alles richtig hinzubekommen? Wie verhält sich das in der Produktionsphase, wie in der Postproduktionsphase?
Ich versuche immer, den besten Sound zu bekommen, sei es die perfekte Snare, das perfekte Preset, den perfekten EQ, Schnitt oder Boost…. Ich denke nie: „Oh, damit beschäftige ich mich später.” Das ist Plan B, das ist immer zweitrangig. Wenn etwas jetzt passieren kann, warum warten? Warum eine Checkliste durchgehen mit Dingen, die der Mix braucht oder was ich hinzufügen soll oder wieviel Zeit wir damit verbringen sollen? Viele Leute, mit denen ich arbeite, machen fünf, sechs, zweiminütige Songs pro Tag. Ich habe 80 Songs, die ich mit 03 Greedo innerhalb einiger Monate gemacht habe. Das Arbeitstempo der Leute heutzutage ist unglaublich. Damit will ich nicht sagen, dass Leute, die länger brauchen und ihre Musik schreiben, besser sind als die, die einfach loslegen und spontan sind. Die Leute arbeiten einfach unterschiedlich, und ich versuche immer, mich der Energie anzupassen. Wenn sie eine perfekte Vocal-Aufnahme bekommen, warum kann ich dann keinen perfekten Treffer landen? Ich glaube, eine Menge Leute sind gut genug, vielleicht den perfekten Moment zu erleben, wenn sie jeden Tag ihre Arbeit reinstecken und ihre 10.000 Stunden mit der Sache verbracht haben.
Was gehört zur Vorbeitung auf eine Künstler:in?
Es ist weniger eine Vorbereitung und mehr Fan sein. In neun von zehn Fällen ist der Grund, warum ich mit jemandem arbeite, der, dass jemand anderes, entweder eine Person, mit der ich arbeite, die mir nahe steht oder mit mir befreundet ist, mir die Musik gezeigt hat und ich sie geliebt habe. Um sie zu lieben, muss ich sie gut genug verstehen. Ich muss recherchieren, jede Kleinigkeit herausfinden und mir alles anhören, das mit ihnen zu tun hat. Ich finde heraus, was ihre Einflüsse sind, mit welchen Leuten aus dem gleichen Ort sie zu tun haben oder mit welchen Produzent:innen sie arbeiten, und was bei ihnen der rote Faden zwischen allem in Bezug auf die Abmischung und die Produktion ist.
Sogar wenn ich nicht mit jemandem arbeite, gibt es viele Leute, deren Musik ich ausführlich studiere. Ich finde heraus, was sie verwendet haben, gehe in jedes einzelne Gearspace-Forum, das ich finden kann, in dem es um jedes Gitarrenpedal oder jedes alte Rack-montierte Gerät geht, das ich nachschlagen kann, um diesen einen Moment auf einer Platte, die ich liebe, nachzuahmen. Ich mache das die ganze Zeit. Wenn es dann dazu kommt, dass ich mit einem dieser Leute arbeite, dann können Sie sicher sein, dass ich 110% gebe, weil ich so ein großer Fan bin. Die Recherche fühlt sich nicht wie eine Vorbereitung an, ich denke dabei nicht wirklich: „Heute muss ich das aber schaffen." Es ist eher so, dass ich denke: „Oh, ich habe mir sowieso nichts anderes als diese Person angehört. Und heute ist sie hier.”
Was die Technik angeht: Arbeiten Sie mit einer Vorlage, wenn Sie Live verwenden?
Ja, das tue ich. Ich habe ein Template, mit dem ich alles, was ich in meinem Studio habe, einsetzen kann. Es gibt einen Gitarrenkanal und einen Kanal für den Bass. Dann einen Kanal für meine Bandmaschine und einen Kanal für ein Kassettendeck. Ich habe Kanäle für meinen Distressor. Es gibt Kanäle für meine Dbx 560a. Es sind Kanäle für meine API 512c da. Ich habe ein paar Tape-Echos, die ich austauschen kann, und einen Tape-Echo-Kanal in meinem Ableton [Live]-Template, und die Drum-Mics sind alle irgendwie einfach gestaffelt. Wenn ich also das Template öffne, ist alles da. Sie wollen Gitarre spielen? Dann gehen Sie hierhin. Sie möchten einen Synthesizer verwenden? Da ist er. Wenn Sie Drums spielen möchten…. Aber wenn Sie mich auf Twitch sehen und ich dort einen Beat mache, oder wenn mich eine Künstler:in in einer Session bitte, einen Beat zu machen, dann lösche ich oft einfach alles außer Simpler und produziere den Beat so, wie ich es immer gemacht habe.
Da ich aber in den letzten Monaten zum ersten Mal mehrere Geräte benutze und ich so viele verschiedene Dinge habe, zwischen denen ich springe, weil ich an verschiedenen Ideen oder mit unterschiedlichen Künstler:innen an einem Tag arbeite, muss das mit meinem Template möglich sein, damit ich nicht sagen muss: „Okay, neuer Audio-Track. Okay, schauen wir mal, auf welchem Buss das ist. Okay, ich gehe zurück in meine Konsole und schaue nach….” Nein, so kann ich das nicht machen. Ich habe alles gespeichert und festgelegt, damit ich sagen kann, sobald jemand loslegen will: „Oh, ich gehe ans Keyboard. Oh, ich gehe mal hier rüber. Können wir die Drums machen? Eigentlich wollen wir keine Live-Drums haben. Kannst du etwas programmieren?" Die technische Seite davon darf mich nicht langsamer machen. Ich habe ein Vocal-Template, auf das ich gehe, wenn die Leute singen oder rappen oder was auch immer. Aber meistens ist diese eine lange Template mit all meinen Geräten das erste, was ich sehe. Und in Live 11 ist es jetzt so einfach, zwischen ihnen zu wechseln. Ich habe beim ersten Mal sofort gemerkt: „Oh mein Gott, dieses Template ist ja der Wahnsinn!”
Wieviele Spuren befinden sich in Ihrem hauptsächlichen Template?
Ich glaube, es sind 18. Nicht so schlecht. Ich habe am Ende immer einen Simpler. Und dann habe ich eine mit externen Audio-Effekten, die ich normalerweise wieder loswerde, wenn ich keine Tape-Delays mache.
Legen Sie in Ihrem Template etwas auf den Master?
So gut wie nie, wenn ich einen sogenannten Beat mache. Wenn ich mein Vocal-Template öffne, füge ich normalerweise von dem Material, über das die Person singen oder rappen wird, ein 2-Track hinzu. Und dann nehme ich sie auf dem 2-Track auf und mastere das. Und meine Masterchain hat einige Dinge aus dem Ableton-Repertoire, die ich von DJs über die Jahre geklaut habe, zusammen mit einem Oxford-Limiter. Es gibt definitiv einen FabFilter Pro-2, und auch definitiv ein SSL EQ. Und dann verwende ich zur Zeit die UAD-Sachen viel. Aber ich schicke nie jemandem gemasterte Beats. Ich arbeite nie mit einer Master-Chain, wenn ich nur Instrumentals mache, weil ich finde, dass ein Vocal-Mix - sogar auf einem Demo - nicht so gut klingen kann, wenn Sie über etwas laufen, das schon auf irgendeine Weise sehr limitiert oder komprimiert oder gesättigt ist. Den Leuten gefällt dann nämlich nicht mehr so gut, was sie machen, und dann geht es nur noch bergab. Ich versuche deshalb, Sachen zu verschicken, die wirklich laut sind, die immer noch knallen und reinhauen und die Präsenz haben, die ich mir von ihnen wünsche. Aber es gibt wirklich keinen Moment, in dem ich ein Pro-L oder einen einfachen Limiter auf meinen Master lege. Ich lasse alles ziemlich clean.
Aber Sie verschicken sie laut?
So laut wie möglich, ohne zu verzerren. Wenn ich sehe, dass es auf dem Master in den roten Bereich geht, höre ich auf. Wenn ich allerdings Beats an entweder junge Künstler:innen oder Leute schicke, die gerne Sachen mit kräftigen 808-Sounds anhören, weiß ich ganz genau, dass sie das wahrscheinlich auf großen Boxen anhören, oder sie spielen es über ihre iPhone-Boxen ab, deshalb berücksichtige ich diese zwei Dinge. Wenn es auf dem iPhone knallt und es knallt, wenn laut aufgedreht wird, kann es losgehen. Ich mache mir nie Gedanken über den Lautstärken-Streit, wenn ich jemandem etwas vorspiele. Ich bin aber auch niemand, der besonders viele Beats verschickt, wenn wir nicht gerade eine weltweite Pandemie haben. Normalerweise spiele ich Leuten direkt was vor oder ich fange mit der Produktion ganz von vorne an, dabei kontrolliere ich dann die Lautstärke die meiste Zeit.
Wie hat Sie das letzte Jahr beeinflusst, in Bezug auf die Schwierigkeiten, mit anderen Menschen physisch in einem Raum zu sein?
Ich habe dieses Jahr immer noch viel Musik gemacht, aber auf ganz andere Weise als je zuvor. Es war irgendwie eine Lektion für mich, dass das alles nicht selbstverständlich ist, weil die Arbeitsweise mit Zoom, die Arbeit mit Bildschirmteilung, das ist wirklich, wirklich, wirklich hart für mich. Es gibt nur ein paar Künstler:innen, mit denen ich virtuell Songs machen konnte, bei denen das Ergebnis mit dem vergleichbar war, was wir hätten tun können, wenn wir eine normale Chance im Studio bekommen hätten. Also, ehrlich gesagt, hat es die Dinge wahnsinnig beeinflusst. Ich habe dadurch aber auch angefangen, völlig anders an Musik zu arbeiten, weil ich Zeit hatte, in der ich nicht mit Menschen im Studio sein konnte. Ich war dabei, mir diesen neuen Spot neben The Cave zusammenzustellen. Er sollte für mich ein Raum sein, der mehr auf die Produktion fokussiert war, ich sitze auch gerade hier. Ich hatte mir gedacht: „Vielleicht hole ich mir ein Schlagzeug und fange wieder an zu trommeln,” oder „Vielleicht stelle ich einen Synthesizer rein oder ich hole mir ein Keyboard..” Ich habe davor immer nur meinen Computer verwendet. Das einzige Keyboard, das ich je hatte, ist ein kleines MIDI-Keyboard, an das ich Gitarren oder Bässe über die DI angeschlossen habe, wenn ich sie aufnehmen musste. Vor dem Trash Talk-Album war ich auch nie für ein komplettes Schlagzeug mit 20 Mikrofonen verantwortlich, bei dem ich entscheiden musste, welche Mikrofone die Verstärker bekommen, wie sie platziert werden und welche Balance sie haben sollten und wie ich die Fades loswerde.…. Das waren keine Fragen, die mir vor Ende 2019 jemals gestellt wurden.
Und dann kam 2020, und es war, als ob ich Zeit bekommen hatte, um zu lernen. Wie funktionert das mit der Live-Aufnahme? Wie kann ich einige der blinden Flecken loswerden, die ich bei verschiedenen Produktionsstilen habe, bei denen es nicht nur darum geht, die besten Samples zu finden und so gut wie möglich zu programmieren? Ich hatte dann zuerst einen Synth, und nach und nach Tape-Echos, Kassetten-Maschinen und alles mögliche andere. Jetzt sitze ich hier und denke, ich habe 16 Inputs und Outputs und alle sind voll. Und ich bin gerade immer auf der Suche nach noch mehr Platz, weil ich diese neue Arbeitsweise entdeckt habe, die mich zwar definitiv langsamer macht, aber eine ganz andere Art von Ergebnis bringt. Und auch, wenn ich mit Künstler:innen in einem Raum bin, schafft das eine ganz andere Art, Menschen zu inspirieren oder Ideen zu entwickeln. Letztlich hat es nur damit zu tun, dass Sie es anfassen und an einem Knopf drehen und ein Rhodes spielen können anstatt eines MIDI-Keyboards. Ich war zwar nie jemand, der Geräte gebraucht hat, aber ich habe mich immer geschämt, dass ich nicht wusste, wie man sie benutzt. Mir war es immer peinlich, dass ich keine Ahnung hatte, wie man sie aufnimmt. Und ich fand immer, dass es nie richtig geklungen hat, wenn ich Gitarren angeschlossen habe. Nachdem ich also mit bestimmten Künstler:innen gearbeitet und die Möglichkeit bekommen hatte, bestimmte Dinge zu tun, habe ich mich dann 2020 entschlossen zu sagen: „Okay, ich schärfe mal die Skills, die ich bis jetzt kaum gehabt habe, damit ich eine Meinung haben kann, wenn es das nächste Mal dazu kommt” Verstehen Sie? Wenn ich das nächste Mal mit Leuten zusammen bin, mit denen ich unbedingt arbeiten möchte, gibt es Dinge, die ich mir selber beigebracht habe und deshalb gut kenne. Das wird mir dabei helfen, ihnen nützlich zu sein und für sie die Musik zu machen, die sie sich wünschen. Und das stand wirklich im Mittelpunkt meines Jahres. Meine Leute auf Twitch haben mir genau dabei zugeschaut, wie ich mich durchgekämpft habe, und es hat hoffentlich ein paar Leuten geholfen.
Das macht Sinn. Es klingt, als ob Ihre Herangehensweise an Ausrüstung und deren Auswahl eher von dem Wunsch geprägt ist, Ihre Kreativität anzuregen. Sie suchen dabei nicht nach etwas, das ein bestimmtes Feature hat, sondern Sie suchen nach Dingen, die Sie inspirieren sollen.
Wenn ich mir Geräte zulege, lässt sich das am besten so beschreiben: ich klaue mir das Beste von anderen zusammen. Ich sehe großartige Leute, zu denen ich aufschaue, oder Videos oder Bilder von Alben, die gemacht werden, von denen ich ein großer Fan bin, und entdecke etwas in der Ecke. Und ich sage: „Oh mein Gott. Sie haben das verwendet, oh mein Gott, ist das von dieser Platte? Oh, warten Sie, er steht neben diesem Amp. Glauben Sie, das bedeutet...?" Deshalb besitze ich alles, was ich habe. Ich habe herausgefunden, dass ein Album, das ich mir anhöre, ein bestimmtes Teil benutzt, und deshalb habe ich es auch. Ich habe es nicht wegen eines bestimmten Features oder weil irgendeine Gear Review-Webseite gesagt hat, dass es besser als etwas anderes ist. Ich habe es, weil ich ganz genau weiss, dass bei etwas, das ich liebe, dieses seltsame Ding oder dieses Gerät irgendwie verwendet wurde.
Ich möchte nicht, dass dieses Interview so rüberkommt, als wollte ich sagen: „Yeah, ich habe diese krasse Ausrüstung und benutze krasse Lautsprecher." Darum geht es nicht. Es geht darum zu wissen, was Sie verwenden und wie Sie es gut verwenden können. Ich habe 10, 12, 13 oder so Jahre nichts anderes als Beats auf einem Laptop gemacht. Es war für mich an der Zeit, einen Synthesizer zu haben. Und dadurch war ich gezwungen, besser Klavier zu spielen. Und indem ich Mikrofone für das Schlagzeug angeschlossen habe, kam es dazu, dass ich besser Drums gespielt habe. Wenn ich mit den Geräten zu langsam werde, gehe ich einfach zurück zu den Basics. Ich kann mit einem Kanal von Omnisphere und ein paar Plug-Ins alles machen. Dann noch meine Sample Library, und alles passt. Ich brauche nichts anderes, wenn ich wirklich etwas erledigen muss. Alles andere ist deshalb ein Bonus. Schöne Lautsprecher zu haben ist ein Bonus. In einem gut klingenden Studio arbeiten zu können, ist ein Bonus. Geräte zu haben ist ein Bonus. Ein Interface zu haben ist ein Bonus. Und wenn ich es nicht wenigstens einmal im Monat benutze, muss es wieder weg. Ich muss es jemandem geben, der es verwendet, oder ich muss es verkaufen oder loswerden. Ich muss es zurückbringen, weil ich nicht einfach einen Haufen Sachen haben will, nur um es zu besitzen. Ich möchte einfach nur bessere Musik machen, Punkt.
Obwohl Blume sein Repertoire an Tools und Techniken seit Beginn seiner Karriere enorm erweitert hat, fühlt er sich immer noch seiner Rolle als Zuhörer und Förderer verpflichtet. So hart seine Arbeit auch erscheinen mag, so ist sie doch für ihn eine Herzensangelegenheit. Sie erinnert uns daran, wie erfüllend es ist, in einen kreativen Prozess einzutauchen und der Community, die Sie inspiriert, Aufmerksamkeit zu schenken. Blume möchte nicht, dass es einfach, schwer, teuer, billig oder stylish aussieht. Er tut alles, um das zu erreichen, was wir alle erreichen wollen, wenn wir einen Schritt zurückgehen und aufhören, zu viel nachzudenken: nämlich bessere Musik, Punkt.
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Text and Interview von Daniel Krishnan. Daniel ist der Gründer von Program Change, einer Medienplattform, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Musiker:innen auf der ganzen Welt zu inspirieren