Cage-Inspiration – Prepared Piano + Amplified Cactus von Puremagnetik
John Cage gilt als einer der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Seine Ideen bezüglich Musik und ihrer Aufführung haben bis heute nichts an Frische verloren und unterwandern den Kulturbetrieb. Als Sampling-Pionier verwischte Cage die Grenzen zwischen „musikalischen“ und „nicht-musikalischen“ Klängen und erweiterte den kompositorischen Prozess um die Faktoren Zufall und Unvorhersehbarkeit.
In diesem Sinne hat Puremagnetik-Gründer und Sound Designer Micah Frank zwei neue Live-Packs entwickelt. Die Instrumente basieren auf den Klängen eines Kugelkaktus und eines Präparierten Klaviers und beziehen sich direkt auf ganz ähnliche Experimente von John Cage. Wir sprachen mit Micah über die Cage-Magie, gezupfte Kakteen und Objekte in einem Hotelklavier. Hören Sie „Hotel Prepared Piano“ und lesen Sie weiter, um mehr zu erfahren.
Wie hat Cage dein Verständnis von Sampling beeinflusst?
John Cage hat zwischen Musik und Klang, Gegenständen und Instrumenten nie Grenzen gezogen – entgegen unserem kulturellen Denken, das für „Musik“ und „Geräusch“ klare Schubladen hat. Die Folgen sind sehr subtil, doch für mich schränken sie den Spielraum für das, was wir produzieren und hören, stark ein. Cage nutzte Musikinstrumente wie es sich gehört, aber auch ordnungswidrig. Bei ihm kamen Muschelhörner, Kakteen, Plattenspieler und Radios zum Einsatz. Ich denke, dass ihm alle Mittel gleich waren, solange sie etwas Bedeutungsvolles offenbarten. Vor ein paar Jahren sah ich ein interessantes Interview mit Cage, in dessen Verlauf er plötzlich eine Pause macht, um dem New Yorker Straßenverkehr zu lauschen. Man erkennt, dass er wirklich zuhört – da ist nicht nur Lärm.
Beim Sampling versuche ich die Dinge genauso anzugehen. Es gibt keinen Punkt, an dem ich sage, „das ist ein Instrument“. Ich nehme Instrumente auf – aber auch Apparate, Vegetation, Alltagsgeräusche und digitale Artefakte. Neulich kam ich beim Reparieren meines Rhodes-Klaviers mit dem Lötkolben versehentlich an die Pick-Ups. Dabei entstanden ganz seltsame Geräusche. Ich habe sie aufgenommen und werde das Ergebnis bald in einem brauchbaren Format veröffentlichen.
Wie lässt sich das Amplified-Cactus-Instrument aus deiner Sicht musikalisch nutzen?
Man kann es sicherlich als normales Percussion-Instrument verwenden. Oder für melodische Elemente – viele der Stachel haben ja tonalen Charakter. Die gezupften Töne wurden mit Note-Off-Sounds programmiert, damit der Eindruck entsteht, dass man wirklich auf dem Kaktus spielt. Die Kratz-Sounds kann ich mir gut in Sci-Fi- oder Horrorfilm-Soundtracks vorstellen – Aliens, die Larven essen oder so.
Nach welchen Gesichtspunkten hast du die Objekte für das präparierte Klavier ausgesucht?
Die Auswahl war von der Umgebung und Zeitmangel geprägt. Zuerst wollte ich das Instrument ganz konventionell aufnehmen – als multi-gesampeltes Klavier. Als ich dann alles für die Aufnahme bereit hatte, bemerkte ich, dass der 5 km entfernte Highway einfach zu laut war, um das Ganze gut einzufangen. Ich befand mich in einem Hotel, das auf einem Felsen stand, und die Umgebungsgeräusche sickerten durch die Wände. Wie deprimierend! Dann machte ich mir die Umstände zunutze und bestückte das Klavier mit allem, was sich im Hotelzimmer finden ließ – Muscheln, Plastikgabeln, Büroklammern und kleine Zweige. Das war eine spontane Aktion, die interessant war. Ein Klavier richtig zu präparieren ist auf jeden Fall eine hohe Kunst.
Präparierte Klaviere haben so manche wunderbare Musik hervorgebracht und in den letzten Jahren sogar ein kleines Comeback erlebt. Hören Sie hier drei unserer Lieblingsstücke. Zuerst natürlich „A Valentine Out of Season“ von John Cage:
Aphex Twins Album Drukqs von 2001 glänzte mit fragilen Klavierminiaturen, etwa „Jynweythek Ylow“:
Hier eine inspirierende Live-Performance mit Präpariertem Klavier von Volker Bertelmann alias Hauschka: