Sounds im Kontext: Gesamplete Instrumente aus der Zeit vor Kolumbus
Wie klang die Musik in Südamerika, bevor die Europäer dort eintrafen? Welche Klänge inspirierten die Musik vor der Neuzeit? Wie wurden die zugehörigen Instrumente gebaut? Zu welchen täglichen und rituellen Handlungen gehörte die Musik?
La Metáfora de los Sonidos(dt. die Metapher der Klänge) hieß die Ausstellung im Museo del Oro Precolombino in San José, Costa Rica, die vor kurzem zu diesen und anderen Fragen einlud. Die Besucher bekamen über 60 Instrumente zu sehen, die aus der Zeit zwischen 500 v. Chr. und 1550 n. Chr. stammen. Unter den Ausstellungsstücken befanden sich Flöten, Glockenstäbe, Pfeifen, Maracas, Okarinas und Rasseln, die an Costa Ricas nördlicher und südlicher Pazifikküste sowie am Karibischen Meer gefunden wurden.
Bei den südamerikanischen Ureinwohnern hatte Musik einen hohen sozialen und kulturellen Stellenwert, besonders für die Gemeinschaft als Ganzes. Über Kollegen stieß Charly Fariseo, selbst Musiker, Produzent und Ableton-Live-Trainer aus San José, zum Projekt La Metáfora de los Sonidos. Da war es ganz im Sinne der Gemeinschaft, als er beschloss, beim archäologischen Gedanken der Konservierung und Interpretation noch einen Schritt weiter zu gehen.
Fariseo fragte sich, warum die Instrumente „in der Stille“ aufbewahrt werden, wo wir doch ihre Sounds extrahieren, sie mit der ganzen Welt teilen und mit heutiger Musiktechnologie erforschen können. Also tauchte Fariseo in die Aufgabe ein, nahm Multi-Samples einiger ausgestellter Instrumente auf und baute sie in spielbare Instrument-Racks von Ableton ein.
Am häufigsten vertreten sind Okarinas und Flöten mit unterschiedlichen Klangfarben. Diese Instrumente wurden typischerweise aus Lehm gefertigt und zu Tieren oder Menschen stilisiert. Unter den Schlaginstrumenten sind Rasseln und Glöckchen, die aus Gold und gebranntem Ton bestehen. In der Zeit vor Kolumbus fanden die Glöckchen oft ihren Platz in Bändern um den Hals, am Handgelenk oder am Fuß. Die Glöckchen und Rasseln werden Begräbnisritualen und anderen zeremoniellen Funktionen zugeordnet.
Für jedes Klangobjekt stehen zwei Sampler-Instrumente zur Verfügung. Eines verwendet den ursprünglichen Klang ohne reine Stimmung, während das andere auf 440 Hz festgelegt ist. Auf diese Weise können Sie zwischen den tatsächlichen Tonhöhen der Aerophone und der westlichen Stimmung wählen, die in heutigen Musikproduktionen verbreitet ist. Jedes Rack bietet zusätzlich die Kontrolle über Polyphonie und Parameter wie Hall, Delay und Vibrato, was moderne Produzenten zu schätzen wissen.
Viele Fragen über die musikalische Verwendung der Instrumente bleiben unbeantwortet, z. B. was den Rhythmus, die Harmonie, die Melodie und die musikalische Struktur angeht. Geht man von der Bauweise und den akustischen Eigenschaften aus, so vermutet die Kuratorin und Chefarchäologin der Ausstellung Priscilla Molina, spielte die Umgebung eine wichtige Rolle. Die Artenvielfalt der Flora und Fauna in Costa Rica könnte gemeinsam mit Geräuschen wie Wasser und Wind den soziokulturellen Schaffensprozess angeregt haben.
Welchen Blick die Spanier und andere Europäer nach ihrer Ankunft in der Neuen Welt auf die Musik der amerikanischen Ureinwohner hatten, behandelt Alejandro Mora in seiner Forschungsarbeit. Er schreibt: „… [D]ie europäische Musikbetrachtung war eng verbunden mit der Affinität oder Ablehnung, mit der die Eroberer der Neuen Welt gegenüberstanden; daher fanden manche Chroniken die Musik traurig, melancholisch, schmerzhaft, klagend, bedrückend, kalt und geschmacklos, während andere sie für unterhaltsam, heiter und freudvoll hielten.“
Als Teil des Projekts rief das Museo del Oro Precolombino gemeinsam mit Charly Fariseo und dem DJ Lab einen Wettbewerb in Costa Rica aus, bei dem ein Track aus mindestens zwei der gesampleten Instrumente entstehen sollte. Hören Sie sich in dieser Playlist die eingereichten Beiträge an und lassen Sie sich zu neuen Stücken inspirieren.
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