Input/Output: Komon & Appleblim
Begonnen hat alles mit einem gemeinsamen Remix für Sideshow. Seitdem sind Laurie Osborne aka Appleblim und Keiran Lomax aka Komon (oder Komonazmuk) immer wieder mit hochgelobten Veröffentlichungen als Ergebnis ihrer Zusammenarbeit ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt. Gerade erst hat das Duo seine Jupiter EP auf dem angesehenen Label 'Aus Music' veröffentlicht, das von ihrem langjährigen Freund Will Saul mitbetrieben wird. Wir sprachen mit Laurie und Keiran über Studiokollaborationen, die Eigenheiten von Jupiter und darüber, wie hilfreich es sein kann, einen Partner bei der Fertigstellung eines Tracks an der Seite zu haben.
Wie funktioniert Eure Zusammenarbeit? Geht Ihr gemeinsam ins Studio oder schickt Ihr Euch Layouts zu?
Beide: Zu 99 % sind wir zusammen im Studio.
Keiran: Manchmal nehmen wir uns ein paar Stunden Zeit, um uns mit bestimmten Tunes aufeinander einzustimmen, bevor wir uns dann an die DAW setzen.
Laurie: Wir sind Freunde, seit ich das erste Mal in Bristol war. Es ist also eher ein Kumpelding und weniger der Tatsache geschuldet, dass wir, wenn wir mal gemeinsam im Studio waren, gute Sachen zustande brachten. Unsere Remixe funktionierten wirklich prima, aber nach vier oder fünf Aufträgen dachten wir uns, es ist an der Zeit, mal etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Das war verlockend. Erst recht, weil wir so was vorher nie gemacht haben. Die Remixe waren ja immer Jobs, die wir professionell zu erledigen hatten. Wir fragten uns also: "Können wir die gesammelten Erfahrungen darauf münzen, im Studio einen eigenen Track aus der Taufe zu heben?"
Wie entstehen Eure Ideen, wenn Ihr zusammen seid?
Keiran: Das neue Material ist sicherlich durch etliche Tutorials angeregt. Aber auch die intensive Auseinandersetzung mit Push und Max for Live spielten eine Rolle. Ich lerne gern dazu und wenn ich beispielsweise einen Channel Strip mache, muss ich das Laurie sofort zeigen.
Laurie: Er kommt dann an und sagt "Ich habe letzte Nacht etwas entdeckt, das ist wirklich cool. Damit sollten wir unbedingt was anfangen." So war es auch mit den generativen Music-Patches, von denen Keiran irgendwann genau wusste, wie er es anstellen muss.
Keiran: Eine Note generiert 24 Noten, alle auf einer Skala.
Laurie: Ich höre mir solche Sachen an und denke "Wow, das klingt abgefahren.". Mich interessiert, wie es funktioniert. Ich wäre aber niemals in der Lage, das selber hinzubekommen. So aber haben wir unseren Ausgangspunkt für einen Track – Lass uns das richtige Tempo finden und einen Beat dazu machen.
Ihr habt für Jupiter Operator und Analog genutzt, richtig?
Laurie: Ja, wir mussten in den Arrangements erst wieder ein paar Dinge zurückfahren, um erkennen zu können: "Oh cool, das war ja Operator und das war ja Analog." Ich vergesse in der Regel, wie wir etwas bewerkstelligt haben und dann frage ich mich "Was war das hier gleich nochmal?". Und du denkst, das klingt echt analog, stellst dann aber fest, es ist Operator mit einem Grain Delay und noch irgendwas. Es gibt ein paar Leute, die die EP hören und sagen "Na klar, das da ist definitiv ein Roland Jupiter." Ist es aber nicht.
Ich habe angefangen, selbst mit Ableton zu arbeiten, aber ich mühe mich damit auch ganz schön ab. Ich bin immer noch dabei, zu lernen, und umso mehr haut es mich um, wenn ich neben Keiran sitze und sehe was er drauf hat. So kann ich wenigstens hier und da etwas aufschnappen.
Keiran: Du kannst durchs Arrangement scrollen, Du beherrschst Cut & Paste... Das hast Du doch problemlos drauf.
Laurie: Wir können eine ganze Weile an einer Sache sitzen und darauf jammen. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem wir Clips editieren oder so was in der Art. Dann brauche ich Keiran um mich herum, damit ich ihm den Ball zuspielen kann und es weitergeht. Weisst Du, was ich meine? Ansonsten würde ich mich im Kreis drehen. Keiran aber vollzieht den nächsten Schritt und hält die Struktur aufrecht.
[Im Hintergrund läuft ein Track von Jupiter] Ist das eine Deiner FM-Kickdrums?
Keiran: Ja, die Kickdrum ist komplett synthetisch und mit Operator gemacht. Das Einzige, was am Ende noch drauf kam, ist etwas Dynamic Tube.
In "Glimmer" auf Jupiter klingt es, als wenn Ihr mehrere Synthies übereinander gestapelt hättet. Könnt Ihr mal mit mir durchgehen, was da genau passiert?
Laurie: Wir haben wahrscheinlich mit Arpeggiatoren begonnen. Einige Dinge nutzen wir nämlich unheimlich gern – unter anderem eben die Skala und den Arpeggiator in Ableton. Ich war schon immer von Arpeggios fasziniert, wusste aber nicht wirklich, wie man sie richtig einsetzt. Mit Keiran zusammen sieht das dann zum Beispiel so aus: Wir lassen ein Arpeggio auf einem bestimmten Akkord laufen und nehmen ein zweites, gepitchtes – meinetwegen sieben Halbtöne darüber – hinzu.
Auch wenn mal richtig viel in einem Track passiert, sorgt Keiran mit seinem Wissen über EQing dafür, dass alles seinen Platz hat. Es könnte schnell mal unaufgeräumt wirken oder zu viel des Guten sein, aber ich finde, hier passt einfach alles. Ich mag diesen Track wirklich sehr, weil er so klar und geordnet rüberkommt... du hast diese schimmernden Synthies in der Mitte, darüber die clickenden Perkussions und das Fundament bildet ein fetter, runder Bass. Am Ende klingt es hoffentlich nie zugekleistert und unstrukturiert.
Keiran: Eine wirklich schöne Nummer für den Dancefloor. Und alles hat seinen Platz. Selbst im Hinblick auf die Drums... Während wir für den letzten Track ungefähr acht oder neun Drum-Spuren nutzten und die Drum-Racks selbst auch noch mal mehrere Kanäle hatten, lassen sich die vier Kanäle für Drums hier sehr leicht überschauen. Zwei davon sind für die Perkussions. Drei Kanäle für den Bass, wobei zwei davon "respaced" sind – also nochmal gesampelt und drübergelegt.
Ihr habt beide Musik produziert, die unterschiedlichste Stilrichtungen einbezieht. Wenn Ihr zusammenarbeitet, wie gelangt Ihr dann auf die selbe musikalische Wellenlänge?
Laurie: Seitdem wir uns kennen gelernt haben und zusammen spielen, teilen wir die gleichen Einflüsse hinsichtlich Musik und ihrer Historie, eigentlich aber auch schon davor. Ich war ein riesiger Jungle- und Drum'n'Bass-Fan – genau wie Keiran. Er hat sowas im Gegensatz zu mir ja selbst gemacht, doch wir wissen beide, dass sich dieser Sound auf House und Rave bezieht. Die Sachen also, mit denen wir aufgewachsen sind. Wenn man in England lebt und mit jeglicher Form von Dance Music in Berührung kommt, hat man sofort einen natürlichen Zugang zu all diesen Dingen. Ich brauche Keiran nur ein Stichwort geben und sagen: Es wäre echt toll, diesen verrückten Reese Drum'n’Bass-Bass zu haben. Und er macht den buchstäblich in fünf Minuten genau so, wie ich ihn mir vorstellte.
Keiran: In den ersten ein bis zwei Tagen, an denen wir einen Track zusammensetzen, knallen wir alle Kanäle voll. Das geht ziemlich fix und wir kümmern uns dabei nicht sonderlich um's EQing und solche Sachen. Wenn später etwas hochpassgefiltert werden muss, dann haben wir das auf dem Schirm. Aber erstmal tragen wir unsere Zutaten zusammen, und das so schnell wie möglich. Die folgenden, sagen wir mal, sechs Tage verwenden wir darauf, uns von Ballast zu trennen und Dinge rauszuschälen.
Wenn mal alleine Sachen produziert, ist es immer ziemlich schwierig zu wissen, wann etwas wirklich fertig ist. Findet Ihr, dass die Zusammenarbeit solche Entscheidungen vereinfacht?
Laurie: Ich denke, wir haben das von mal zu mal besser drauf, persönlich tue ich mich damit aber etwas schwerer. Keiran ist definitiv stärker darin, ein Stück anzufangen und zu Ende zu bringen. Ich bin schlecht im Loslegen und schlecht im Beenden. Keiran kommt dann auf mich zu und sagt: "So, das ist es. Das sind die Elemente, für die wir uns entschieden haben und mehr brauchen wir für diesen Track auch nicht.". Ich hingegen sitze wohlmöglich da und denke mir, wir sollten vielleicht noch ein kleines beissendes Riff draufpacken oder eine bestimmte Stelle mit einer weiteren Melodie auffüllen. Aber falsch, wir haben eigentlich alles, was wir brauchen. Für mich ist es schon wichtig, Keiran an der Seite zu haben, um Ideen festzunageln und gesagt zu bekommen: "Ja, das ist gut." oder "Nein, das funktioniert so nicht.".
Keiran: Ein Track ist in der Regel dann fertig, wenn wir den Monitor ausschalten und uns dem Mixdown nähern. Wenn wir ihn von Anfang bis Ende durchlaufen lassen, dabei unsere Notizzettel vor uns haben und nichts mehr aufschreiben. Er läuft einfach durch und nichts tanzt aus der Reihe oder fällt unangenehm auf. Dann ist es geschafft. Wir ziehen eigentlich immer zum Ende des Tages eine Version, die wir dann in der Küche oder wo auch immer mit etwas Abstand beurteilen. So kann der nächste Morgen mit frischen Ohren beginnen.