Input/Output: Valet
In unserer Serie Input/Output schieben wir unseren Stuhl in die Studios der Produzenten, die Teil der Ableton Community sind und laden sie ein, jene Inspirationen, Techniken und Technologien auszuleuchten, die in ihren Schaffensprozess einfließen - und ebenso die neueste Musik, die daraus entsteht.
Als alteingesessenes Bindeglied innerhalb von Portlands Underground-Szene hat Honey Owens eine ganze Reihe musikalischer Leben gelebt. Owens hat in Gruppen wie Nudge und Jackie O Motherfucker mitgewirkt und ist außerdem für zwei Alben zuständig gewesen, auf denen sie unter dem Namen Valet dronigen, schrägen Blues machte. Aber ebenso geht eine Handvoll psychedelischer House-Platten unter dem Namen The Miracles Club auf ihr Konto, als Kollaboration mit ihrem Partner Rafael Fauria. Diesen Mai wird Owens zum ehrwürdigen Label Kranky zurückkehren, um unter dem Namen Valet ihr erstes Album seit 2008 abzuliefern, das acht von Gitarren durchzogene Stücke unter dem Motto Nature enthält. Die LP gießt die freien Formexperimente der früheren Aufnahmen in eine bandartige Struktur, für die sowohl Fauria als auch Drummer und Multi-Instrumentalist Mark Burden gefeatured sind. Unser Interesse wurde von allem angestachelt, was hinter der neuen (und auch unerwarteten) Entwicklung von Valet steckt und so sprachen wir mit Owens und Fauria über das neue Album, diskutierten über die kreativen und technischen Aspekte von Nature und erfuhren, wie der ursprüngliche Plan, The Miracles Club auf etwas experimentelleres Gelände zu führen, zufällig umschlug in das dichte, vielschichtige dritte Album von Valet.
Euer letztes Album als Valet erschien 2008, dazwischen gab es eine Reihe anderer musikalischer Unternehmungen. Was gab den Ausschlag für die Rückkehr zum Projekt Valet?
Honey Owens: Es war quasi Zufall. Einer unserer Freunde hatte bei Miracles Club angefragt, ob wir ein Benefizkonzert für eine unserer Freundinnen geben würden, die in San Francisco von einer Gang überfallen worden war. Es war sehr schlimm, sie wurde daraufhin ins Krankenhaus eingeliefert und hatte einige verrückte OPs. Einige Wochen nachdem ich unseren Sohn geboren hatte, wurden wir gebeten, den Gig zu spielen und wir waren damals nicht wirklich in Musiklaune. Raf war als DJ beschäftigt und ich ging während der Schwangerschaft viel auf Konzerte. Doch letzten Endes wurde die Mutter-Kind-Angelenheit sehr reell für uns. [lacht] In der Zwischenzeit hatten wir begonnen, über neue Songs für Miracles Club nachzudenken und eine experimentellere Richtung mit ihnen einzuschlagen. Als wir mit dem Bauen [der Songs für die Performance] begannen, schlug Raf vor, dass ich an die Gitarre gehe, denn so hatten wir früher das Ausgangsmaterial für Miracles Club gewonnen.
Rafael Fauria: Wir setzten uns zusammen um Musik für den Dancefloor zu machen, die etwas von der Lässigkeit des frühen Britpop haben sollte und heraus kam Rockmusik, die nicht mal im Ansatz tanzbar war.
HO: Und damals hatten wir keinen Drummer, also programmierte Raf die Drums. Bis zu diesem Punkt hatten wir bisher die Drums ausschließlich für House- und Technotracks produziert, also meinte er: „Gut, was sind unsere Lieblingsbands und wie klingen deren Drums?” Daraufhin googelte er „Velvet Underground drums” und versuchte, Mo Tuckers Spiel nachzumachen mit allen Drumsounds, die wir zur Verfügung hatten.
RF: Am Ende habe ich die [Roland] R-70 Drum Machine genommen.
HO: Ja, sogar damit war es oft so: „Wie schaffe ich es, diese Drums wie Mo Tucker klingen zu lassen?” Erst als wir unseren Drummer [Mark Burden] mit ins Boot holten, begann es, wie echte „Rockmusik” zu klingen. Bevor Mark Teil der Geschichte war, spielten wir das Benefizkonzert als Miracles Club, aber im Grunde waren es Songs von Valet mit programmierten Drums.
RF: Zunächst existierten auf dem ganzen Album nur programmierte Drums und schließlich haben wir sie mit dem echten Schlagzeug, das Mark eingespielt hat, ersetzt und vermengt.
HO: Mark kam dazu und spielte über die existierenden Rhythmen. Das hat Raf aufgenommen und behandelt, als wären es programmierte Drums, legte Kompression auf jeden Schlag, fügte Swing und all die Sachen hinzu, mit denen man maschinelle Drums menschlich klingen lassen kann.
RF: Hauptsächlich habe ich die Funktion Audio-to-MIDI in Live verwendet. Das habe ich nicht oft getan, aber es half uns, die Nuancierungen eines Schlagzeugers zu bewahren und gleichzeitig diese ganz präzisen Schläge zu produzieren, statt nur die Sounds von einem mikrokofonierten Schlagzeug zu kriegen. Wir haben viel übereinander geschichtet, z.B. wurden gleichzeitig die Snare einer Drum Machine und eine akustische Snare mit Reverb angeschlagen und damit gab es nicht einfach diesen rohen Schlagzeugsound.
Ihr habt Nature hauptsächlich zuhause mit Live aufgenommen. Wie lange seid ihr schon Live-User?
HO: Beide [vorherigen Alben von Valet] Naked Acid undBlood is Cleanhaben wir mit Live gemacht, wir sind also schon eine ganze Weile User.
RF: Damals hat Honey Live eher wie einen Vierspurrekorder verwendet, eine Spur erstellt, gespielt und aufgenommen, dann eine weitere Spur erstellt, gespielt und aufgenommen, … [usw.]
HO: Im Grunde war Live für jedes Album meine Zwei-Zoll-Bandmaschine. [lacht]
RF: Aber Nature ist anders, weil es daraufhin konzipiert ist, als Live-Performance gespielt zu werden. Alles begann in der Session-Ansicht; alles ging von kleinen Loops aus und dann konnten wir uns mit einem Controller in die Songs einklinken und in Echtzeit arrangieren. Auf dieselbe Weise haben wir auch die Tracks von Miracles Club in Live gebaut.
Vieles auf Nature lebt von traumartigen Texturen und von dichten, atmosphärischen Schichten. Sind diese Elemente eher mit externer Hardware und mit Pedalen entstanden oder innerhalb von Live bzw. als Kombination aus beidem?
RF: Als interne Effekte haben wir nur ein kleines bisschen Reverb und Delay verwendet, ansonsten hauptsächlich Kompression und solche Dinge. Die charakteristischen Texturen kamen von Pedalen und Rack-Geräten.
Und nehmt ihr diese Sounds während des Spielens auf oder fügt ihr sie im Nachhinein hinzu und feilt dann später an ihnen?
RF: Über unsere lange Effektleiste nehmen wir nach und nach Veränderungen vor, um den „perfekten Sound” zu finden. Den nehmen wir dann auf und feilen an ihm, während wir spielen.
HO: Die meisten der [Ambient-] Texturen auf dem Album stammen vom Gitarrespielen und von dem, was durch unsere Pedale und Outboard-Geräte geht. Das sind viele alte, verstaubte Effektgeräte von Boss und Teile von Eventide.
RF: Und dann wiederum arbeiten wir auch mal mit Lives eingebautem Reverb an einem Vokalpart und haben den Plan, es später zu ersetzen und am Ende ersetzen wir es gar nicht, weil wir uns daran gewöhnt haben, wie es klingt. Es gibt auf dem Album viel von solchem Reverb.
Wenn ihr mit Hardware-Synths und Drum Machines arbeitet, spielt und sampelt ihr sie dann live oder steuert ihr sie über MIDI an?
RF: Es ist eine Mischung aus beidem. Für die Synthesizer nehmen wir meistens MIDI, um den Sound im weiteren Verlauf zurecht zu biegen. Für dieses Album gingen wir meist von einem einfachen Synthsound aus und von einem spontanen Beat, den wir im Drum Rack gemacht haben. Dann spielte Honey darüber Gitarre, die wir durch einen Amp schickten, aufnahmen und loopten.
Im Gegensatz zu der eher freien Form der früheren Platten von Valet, hat Nature eine ziemlich einheitliche Struktur. Es klingt mehr nach einer zusammengehörigen Gruppe von Musikern als nach einem Einzelnem in einem Raum voller Gitarrenpedale. Was verbindet Nature eurer Meinung nach mit Valets beiden früheren Alben Blood Is Clean und Naked Acid?
HO: Ehrlich gesagt, das habe ich mich auch gefragt. Als wir die Songs schrieben, war mir klar, dass es keine Songs von Miracles Club sind, aber es klang genauso wenig nach Valet. „Wie nennen wir das denn jetzt?,” fragte ich mich.
Um 1991 herum, als ich 20 oder 21 war, kamen viele [einflussreiche] Alben heraus, so wie [My Bloody Valentines] Loveless und [Nirvanas] Nevermind. Da spielte ich in der Garagenband eines Freundes und tat mein Bestes, Schlagzeug zu spielen oder was auch immer ich in die Hände kriegte. Hätte ich ’91 eine richtige Band haben können, dann wäre es wohl diese gewesen. Also kam mir der Gedanke, für dieses Album einen neuen Bandnamen zu suchen, aber die Leute meinten nur: „Nein, das ist Valet, denn auf den anderen Alben gibt es ja auch ein, zwei Nummern, die wie richtige Songs sind.” Da habe ich dann die Verbindung gesehen.
Du hast über die Jahre bei vielen verschiedenen Musikprojekten mitgemischt und dich im Laufe deiner Karriere auf unterschiedlichen Terrains bewegt. Wie navigierst du zwischen diesen Inspirationsquellen? Bist du dir dessen bewusst während der Ideenfindung für jedes Projekt und jedes Album? Oder offenbart es sich erst während der kreativen Arbeit?
HO: Mich überrascht eher, dass es nicht mehr Künstler so machen. Wenn man Musikfan ist, mag man doch normalerweise die verschiedensten Musikrichtungen. Wenn ich mir den Laptop oder die Plattensammlung von jemandem anschaue, dann hat jeder, den ich kenne, eine Abteilung für Rap, eine für Dub, usw. Ich glaube, man hört einfach viel Musik und lässt alles rein und dann folgt man einer Sache und sagt: „Hey, lass uns jetzt genau das machen.” Raf ist einer, der ein und denselben Vibe eine ganze Platte lang durchzieht. Es hat Spaß gemacht, dass jemand sagte: „Okay, das ist eine House-Platte,” oder „Auf dieser nehmen wir nur die Drums hier, eine Gitarre und diese beiden Keyboards.” Ich finde es ganz natürlich, nach Abwechslung zu streben. Und wenn man dazu in der Lage ist, also wenn man Housebeats und Gitarrenmusik machen kann, dann warum nicht auch beides?
Bleiben Sie bei Valet auf dem Laufenden über Soundcloud und die Website von ihrem Label Kranky.
In diesem Jahr dreht es sich bei Loop, Abletons Symposion für Musiker, um musikalische Einflüsse, Zusammenarbeit und darum, wie man Live mit anderen Techniken verbindet.