Input / Output: Second Storey
In unserer Reihe Input/Output werfen wir einen intimen Blick in die Studios innovativer Produzenten aus der Ableton Community. Uns interessieren ihre Inspirationsquellen, Techniken und Technologien, die den Produktionsprozess antreiben und zu ihren aktuellsten Veröffentlichungen führen.
Second Storey ist ein weiteres Pseudonym des Londoner Produzenten Alec Storey (alias Al Tourettes). Sein neues Album auf dem Fabric-Sublabel Houndstooth heißt Double Divide. Mit seinen Tracks macht Alec einen eleganten Bogen um Genre-Schubladen und widmet sich den Details seiner Musik – innovatives Sound Design, intuitive Strukturen und verblüffende Verzierungen. Dafür nutzt er Tools und Methoden, mit denen auch Sie sich vielleicht gerade beschäftigen. Wir sprachen mit Alec über seinen Workflow, über seine Art, die Track-Perspektive im Auge zu behalten, und über den Sound von glühendem Metall, das ins Wasser fällt.
Die Liebe zum Detail und die wilden, überall vorhandenen Ornamente sind große Stärken von Double Divide. Wie leicht kannst du solche Feinheiten einbauen? Geschieht das per Mausklick oder auf einem direkteren Weg?
Die Modulationen und detaillierten Bearbeitungen mache ich live. Ich performe generell viel, egal ob in der Session- oder Arrangement-Ansicht. Meist bin ich in der Session-Ansicht unterwegs – ich schätze die Clip-Automation in Live 9. Die Arrangement-Ansicht nutze ich für den Feinschliff. Die meisten Ideen für Details entstehen beim Live-Tweaking. Aufgeräumt wird erst am Ende.
Es gibt Hall und Delay auf deinem Album, doch die Klangtiefe entsteht hauptsächlich über trockene Sounds. Machst du dir beim Produzieren viele Gedanken über Alternativen zu räumlichen Effekten?
Definitiv – ich nutze räumliche Effekte nur sporadisch und versuche immer, die Tracks damit nicht zu überfrachten. Es gibt eine Art räumliches Feeling, doch es entsteht eher subtil.
Auf Double Divide gibt es auffallend wenige genretypische Stilmittel, trotzdem fühlt sich deine Musik vertraut an. Anscheinend hast du deine eigene Sprache gefunden. Welche Tools trugen dazu bei?
Ich bin stets auf der Suche nach spannenden Percussion- und Drum-Sounds. Die Machinedrum nutze ich sehr häufig – ein multitimbraler Synth mit 16 simultanen Klangfarben. Viele Sounds auf dem Album stammen von ihr. Ich manipuliere die Sounds auch häufig mit Sampler und erzeuge Mini-LFOs, die ihnen mehr Charakter geben. Das Album ist hauptsächlich Synth-basiert, doch wenn ich Samples nutze, wird jedes einzelne manipuliert und bearbeitet. Mir sind alle Sounds gleich wichtig.
Gibt es Techniken, die du regelmäßig anwendest? Dein Album ist sehr vielseitig, hat aber gleichzeitig eine geschlossene Klangästhetik.
Das liegt an der Art, wie ich die Elemente zusammenbringe. Viele Beats sind live gespielt, das Ganze entstand nicht komplett auf dem Raster. Die rhythmischen Aspekte sind eng damit verbunden. Ich nutzte viele verschiedene Synths, versuchte aber immer, nur das allerbeste aus ihnen herauszuholen. Hinsichtlich der Synthese-Formen legte ich mich vorab auf eine Auswahl fest – additiv, analog, FM und Wavetable. Für diese Zwecke habe ich immer dieselben Synths verwendet.
Und was ist mit den Track-Strukturen? Sie tragen viel dazu bei, dass Double Divide wie ein Album klingt und nicht wie eine Ansammlung von Tracks. Wie kamen die Teile zusammen?
Die Track-Strukturen entstanden hauptsächlich in der Session-Ansicht, damit daraus Echtzeit-Arrangements werden – ich liebe den Jam-Modus. Er führt zu so vielen verblüffenden Ideen für die Struktur. In einigen Tracks ist das deutlich zu hören – sie verwandeln sich nach einer Weile in eine ganz andere Idee. Das konnte nur deshalb passieren, weil es in dieser Ansicht so viel Freiheit gibt. So kam ich bei der Albumproduktion gut voran.
Wie gehst du den Mixdown an? Erfordert ein Album-Mixdown einen anderen Ansatz als der Mixdown einer 12”? Ist es wichtig, die verschiedenen Formate zu beachten?
Ja, vor allem hinsichtlich des Gesamtsounds. Als die Trackauswahl feststand, ging es als nächstes darum, die Stücke zu einer klanglichen Einheit zu machen. Ich habe dieser Aufgabe dieselbe Zeit und Sorgfalt gewidmet wie bei einer 12”, aber ein Album ist eben eine viel größere Sache. Ich würde nicht sagen, dass es einen riesigen Unterschied macht, weil ich immer viel Zeit in meine Projekte investiere. Den Flow meiner Tracks zu erfassen, sie aufeinander abzustimmen und ineinander übergehen zu lassen war einiges an Arbeit – Rob Booth (Houndstooths A&R-Manager) hat mir da so manch guten Tipp gegeben. Beim Mixdown selbst gibt es keine großen Unterschiede. Aber für das Album habe ich natürlich viel, viel länger gebraucht, es gab so viel zu tun. Wir verbrachten viel Zeit mit den Tracks, deshalb ging auch mehr Zeit für das Hören drauf.
Wie behältst du die Perspektive deiner Tracks im Auge, wenn du dich so lange mit ihnen beschäftigst und auch versuchst, sie als Teile des Ganzen zu sehen?
Auch das zählte zu den Schwierigkeiten, doch so ist das nun mal. Als die zentralen Ideen der Tracks klare Formen angenommen hatten, wollte ich es mit den Einzelheiten nicht mehr übertreiben. Zuerst brachten wir alle Tracks in eine rohe Form, erst dann stieg ich richtig in sie ein. Es sind wirklich zwei Phasen und ich halte das für eine gute Arbeitsweise – wenn man immer nur auf einen Track fokussiert ist, kann man auch schnell über das Ziel hinausschießen. Ich versuchte, die anfängliche Frische der Tracks zu bewahren und konzentrierte mich erst später auf die Details.
In deinem Track „Combustion Hallmark“ findet sich ein Sample, über das ich gerne mehr wüsste. Ich habe gehört, dass das ein Sample aus einem YouTube-Video ist, in dem jemand glühende Metallobjekte auf diverse Gegenstände fallen lässt. Wie hast du dieses merkwürdige Online-Material gefunden? Und warum hast du es für dein Album genutzt?
Das Sample funktionierte in diesem Track – es fiel mir plötzlich wieder ein und das bezieht auch auf das, was ich zu Beginn gesagt habe. Dieser Sound ist verrückt, das passte perfekt zur Stimmung des Stücks. Der Typ lässt den glühenden Ball in einen Wassereimer fallen und es entsteht ein völlig beknacktes Geräusch. Man fragt sich, „was zum Teufel war das denn?“ Für den Track hatte ich bereits eine Idee – die Verdichtung von Schrott. Dieses Sample war dann das i-Tüpfelchen.
Bist du seit der Veröffentlichung von Double Divide als DJ oder Liveact aktiv?
Zur Zeit bin ich eher als DJ aktiv, habe aber schon damit begonnen, mein Liveset zu entwickeln. Zuletzt war ich mit anderen Projekten beschäftigt: ALSO, meiner Kooperation mit Appleblim, die auf R&S erscheinen wird, und mit mehreren Online-DJ-Mixen. Diese beiden Dinge hatten Vorrang. Doch jetzt ist mein Liveset an der Reihe.
Mit Ableton Live habe ich schon oft live gespielt, deshalb wird mein Liveset folgendermaßen aussehen: Push, APC, Laptop und viele Live-Synths. Außerdem werde ich das SPD-S dabeihaben – als Drummer macht es mir einfach Spaß, diese kleinen Pads zu bearbeiten. Ich will in Echtzeit Loops erzeugen, mit ihnen jammen, sie mit meinen Drumsticks spielen und darauf mein Liveset aufbauen.
An diesem Punkt war ich schon mal, doch dann kamen all die anderen Sachen dazwischen. Ich hoffe, dass ich auf längere Sicht auch die V-Drums in mein Set integrieren kann – ich habe sie bereits im Studio. In Will Sauls Projekt Close habe ich schon öfters Schlagzeug gespielt. Ich will mein Drumkit auch irgendwann mit den Techno-verwandten Sachen, die ich außerdem noch mache, zusammenbringen. Natürlich wird das Reisen etwas aufwendiger werden, aber wie gesagt – das ist ein langfristiges Ziel. Im Moment ist das SPD-S für mich die beste Lösung.