Input / Output: Massimiliano Pagliara
Mit unserer Reihe Input/Output werfen wir einen intimen Blick in die Studios innovativer Produzenten aus der Ableton Community. Wir bitten sie, ihre Inspirationsquellen, Techniken und Technologien zu beleuchten, die den Produktionsprozess antreiben und zu ihren aktuellsten Veröffentlichungen führen.
Massimiliano Pagliaras Arbeiten als Produzent sind unüberhörbar von ‘Italo’-infizierter House Music geprägt. Fans mit einem Faible für dicht verwobene analoge Klänge kommen im Rahmen seiner Diskografie voll auf ihre Kosten. Ganz besonders gilt dies für seine noch im September auf Live At Robert Johnson erscheinende LP With One Another. Im Gespräch ergründen wir die Prozesse hinter Massimilianos perfekt getrimmter Retro-Ästhetik, sprechen über die Verknüpfung altehrwürdigen Equipments mit moderner Software und über den großen Spaß, eine TR-808 in einen Korg MS-20 zu routen.
Sämtliche Tracks auf With One Another zeichnen sich durch einen dichten und großzügigen Charakter aus. Du scheinst beim Mixen dieser opulenten analogen Sounds eher nach traditioneller Methode vorzugehen, anstatt sie durch den drastischen Einsatz von EQs zurecht zu stutzen. Wie schaffst du es eigentlich, Platz für all diese Elemente zu finden?
In meinem Studio gibt es vier verschiedene analoge Mixer: zwei Boss KM-60s, an denen alle Drum-Maschinen und ein paar monophone Synthesizer hängen; ein Yamaha MG 16/4 für alle polyphonen Synthies und ein Mackie 1604 VLZ-Pro, der als Hauptmixer fungiert. Neben den drei Mixern ist er mit zwei zusätzlichen Patch-Bays verbunden.
Sobald ich alles mit dem Rechner aufgenommen habe und noch nicht gänzlich zufrieden bin, nutze ich einen EQ Eight, um den Sound weiter zu polieren. Der finale Mix-Down findet dann auch in Live statt.
Dein Studio besteht hauptsächlich aus alten Geräten. Damit diese Maschinen untereinander kommunizieren können, bedarf es sicherlich des massiven Einsatzes von CV-Triggering. Es finden sich aber immer wieder Passagen und Melodien, die zu komplex klingen, als dass sie nur über Steuerschaltungsbefehle zustande kämen. Spielst und modulierst du diese Teile per Hand?
Natürlich nutze ich CV-Triggering. Damit kann ich ein bisschen organischen Schwung in den Groove der Rhythmen und Melodien bringen. Es macht irrsinnig Spaß, so viele Geräte wie nur möglich miteinander zu verbinden und sie zusammen laufen zu lassen. Das führt zu einem gewissen Trance-Zustand, bevor man sich dann tatsächlich ran macht, um die Sachen aufzunehmen. Genau so bin ich übrigen mit Telephones während der Zusammenarbeit an meinem Album-Track „Long Distance Call“ vorgegangen. Die 808 war unsere Master-Clock und triggerte einige Maschinen, die wiederum andere Maschinen triggerten. Wir nahmen das als Ganzes in Live auf und machten im Anschluss noch ein paar Edits.
Für komplexere melodische Parts wie Arpeggios oder Akkordabfolgen greife ich auch oft auf MIDI zurück. Die meisten meiner Geräte haben das ohnehin und es ist einfach praktisch solche Sachen darüber aufzunehmen. Meine ganzen polyphonen Synthies zum Beispiel hängen an einem MOTU 128 Express MIDI-Interface, das wiederum mit meinem iMac verbunden ist.
Überhaupt nehme ich oft erst die MIDI-Infos mit Live auf. Wenn sie dann in Live drin sind, lasse ich sie eine Weile durchlaufen und schraube an den Reglern des Synthies solange rum, bis ich vom Ergebnis absolut überzeugt bin. Erst dann nehme ich es als Audio auf. Es kommt ab und an aber auch vor, dass ich so einen Durchlauf schon während dieser ganzen Filtermodulationen in einem Rutsch aufnehme.
Wenn ich mit dem Recording durch bin, kann ich die Audio-Parts in Live noch entsprechend editieren.
In deinen Effekten gibt es viele kleine Details wie zum Beispiel panning-modulierte Delays. Nimmst du sowas gleich live als Outboard-Effekt im Computer auf oder legst du es erst später im Rechner drüber?
Ich nehme tatsächlich oft Outboard-Effekte mit dem Computer auf, insbesondere Delays, Hall und Phaser. Ich verwende aber genauso oft die internen Effekte von Live. Das Ping Pong Delay ist dabei mein absoluter Favorit unter all den Audio-Effekten. Bei jedem Live-Set, das ich neu anlege, ist es standardmäßig dabei. Das Ping Pong Delay liegt dann auf einer Return-Spur, mit folgenden Einstellungen: Dry/Wet komplett auf Anschlag (100 %), Feedback bei 70 % und die Beat-Division auf drei.
Dieses Delay erzeugt eine enorme Tiefe und viel Raum und Opulenz, ganz gleich bei welchem Audio-Track es zur Anwendung kommt. Außerdem kann man über die Automationen für viele schöne Variationen und Akzente sorgen.
Wenn du all diese feinen Vintage-Geräte verwendest, machst du dir dann eigentlich Sorgen über die Qualität der Analog-Digital-Wandlung? Wolltest du schon mal ohne Computer arbeiten, um wirklich alles hundertprozentig analog zu halten?
Ehrlich gesagt kümmere ich mich nicht sonderlich darum. Es gibt inzwischen so viele gute Audio-Interfaces, mit denen sich dieser vermeintliche Makel übergehen lässt. Ich bin von meinem derzeitigen Interface, einem MOTU Audio Express, absolut angetan. Von daher kam es mir nie in den Sinn, den Rechner außen vor zu lassen und alles auf Band aufzunehmen. Ich liebe das Analoge, aber ich bin diesbezüglich kein Purist. Vielmehr schätze ich mich glücklich, heutzutage Computer und Software in den Aufnahmeprozess einbeziehen zu können. Dadurch wird der Workflow um etliches flexibler, schneller und stabiler.
Was hat es mit diesen melancholischen, an Vangelis erinnernden Pads auf sich, die wir in „A Dream I Get Stuck In“ zu hören bekommen? Der Sound lässt einen umgehend in Nostalgie schwelgen.
Ich würde mal sagen, dass Pads grundsätzliche Elemente in meinen Tracks sind. Ich liebe sie ganz einfach. Und in der Tat lösen sie eine gewisse Melancholie und Nostalgie in mir aus, die ich mag und die ich abbilden möchte.
Speziell für diesen Track, und eigentlich doch wie fast immer, nutzte ich meinen geliebten Roland Juno 106. Ich träumte etwas, das sich für eine ganze Weile in meinem Kopf fest setzte.
Es fühlte sich an wie ein Film, und ich glaube, ich war auf der Suche nach den passenden Soundtrack dafür. Das ist nun das, was dabei raus kam; nachdem ich auf dem Juno rumgespielt hatte und das Ergebnis mit einem schönen Space Reverb komplettierte. Aber mit Sicherheit müssen Vangelis und auch Giorgio Moroders‘ „Midnight Express (Chase Theme)“ irgendwo in meinem Kopf herumgespukt sein.
In „Fall Again“ gibt es eine wirklich fette analoge Kickdrum. Wo stammt die her und wie hast du sie bearbeitet?
Als mein Freund Lee Douglas zu mir ins Studio kam, haben wir zusammen an diesem Track gearbeitet. Er hatte diese großartige Idee, die 808 durch einen Korg MS-20 zu filtern. Ich wollte meinen Ohren nicht trauen!
Auf einmal klang die 808 soviel kraftvoller, dreckiger und richtig punchy. Ich wäre darauf im Leben nicht gekommen und somit war das eine gigantische Erfahrung.
Den riesigen Gerätepark, den du verwaltest, können viele Leute sicherlich nicht so ohne weiteres zusammentragen. Was würdest du denn machen, wenn du plötzlich nur noch einen Computer und eine Grundausrüstung hättest?
Darüber denke ich ziemlich oft nach und ehrlichweise bin ich mir nicht sicher, ob ich dann noch so Musik machen könnte, wie ich es wollte. Ich meine, natürlich dürften eine DAW und ein MIDI-Controller mehr als genug sein, um jede Art von Musik hinzubekommen. Und ich glaube, die Ergebnisse würden in den meisten Fällen auch erstaunlich gut sein. Es ist ja wirklich gar nicht so leicht zu sagen, ob ein 808-Beat in einer Produktion nun aus einer echten 808 oder aus einem Plug-In kommt.
Doch selbst wenn es genau so gut klingen mag wie das Original, würde mir der Spaß fehlen, mit der echten Maschine herum zu spielen. Wenn du einen Beat auf einer echten 808 programmierst, dann hat das etwas ganz Spezielles, etwas Magisches. Das groovt wirklich und es ist schwer, sich dem zu entziehen.
Außerdem bin ich ein eher haptischer Typ und liebe es, diese alten, gut aussehenden analogen Maschinen zu spüren.
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