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HiTech: Ghettotech neu erfinden
HiTech aus Detroit, eine Kollaboration der Produzenten und Vokalisten King Milo, Milf Melly und DJ 47Chops, haben ihre Wurzeln irgendwo zwischen Techno und Call-and-Response-Hip-Hop-Phraseologie. Trotz individuell unterschiedlicher Sichtweisen auf die Kultur Detroits fanden sie sich im Wunsch vereint, ein neues, düsteres Ghettotech-Subgenre zu finden. 2021 verbrachte das Trio damit, eine Sammlung an Tracks zu erstellen und auf 15 CDs zu brennen. Eine davon fand ihren Weg zur Techno- und House-Legende Omar S – ein Resultat daraus war HiTechs auf FXHE erschienenes Debütalbum DÉTWAT.
Die LP freut sich seit ihrer Veröffentlichung im letzten Jahr in den Clubs großer Resonanz. HiTech führen darauf Elemente aus Booty Tech, Footwork, Rap und simbabwischen Jit zu einer aufregenden Mischung aus aufgedrehten 808s, pulsierenden Bässen und verzerrten, eingängigen Vocal-Treatments zusammen. Mit uns sprach King Milo über seine intuitive Art des Produzierens, die eher auf Gefühl als auf akribischer technischer Präzision basiert. Nicht, dass man das hören würde – der gekonnt raue Partysound von DÉTWAT hat aus HiTech einen der bahnbrechendsten Acts gemacht, die Detroit in den letzten Jahren hervorgebracht hat.
Hatten die Technokultur Detroits und die ganze Atkins-May-Saunderson-Achse einen initialen Einfluss auf HiTech?
Ja klar, und auch Leute wie Omar S, Sachen, die ich im Radio gehört habe und einfach hier in Detroit zu sein. Die haben viel lokales Zeug gespielt, wo die Pioniere natürlich dazugehören, aber auch viel von den Sachen, die Detroit-Techno beeinflusst haben. Das waren so Vibes, mit denen ich aufgewachsen bin. Ich habe die Leute, von denen du sprichst, als Kind auf Familienfeiern und so gehört, aber ich bin nicht so der Typ für Geschichte – DJ 47Chops ist der, der da die Lücken bei mir füllt. Ich lebe zu 100 Prozent in der Gegenwart – alles, was ich mache, kommt aus Gefühlen und Sachen, die ich hier zur Zeit meines Aufwachsens in Detroit erlebt habe, und auch in Ypsilanti, wo ich herkomme.
Wie und wann kam HiTech als Trio zusammen? Basierte das einfach nur auf Freundschaft oder habt ihr auch gemerkt, dass ihr ein Netzwerk an Skills hattet, die ihr zusammenwerfen konntet?
Das begann ehrlich gesagt einfach als glücklicher Zufall. Milf Melly und ich haben uns getroffen, weil wir keine Lust mehr hatten, die immer gleiche Musik zu machen. Wir haben Rap und Hip-Hop produziert aber dachten uns, lass uns mal was mit mehr Biss machen. Wir haben uns nicht gesagt, dass wir jetzt Techno machen, wir wollten das machen, was wir gefühlt haben, also haben wir viele Vibes eingefangen, die BPM-Zahl erhöht und ziemlich chaotische Drum-Patterns erstellt. Wir wussten, was wir taten, aber dahinter war keine spezielle Intention. Dann kam 47Chops dazu und brachte dasselbe Gefühl mit wie wir. Er fand, dass der Sound gut zusammenging, und weil er ja der Geschichts-Dude war, wusste er auch, was wir dazu sonst noch spielen sollten. Wir haben nur 15 CDs gemacht, aber eine davon geriet an Omar S, und der Rest ist Geschichte.
Ihr kamt also dann auf FXHE, das Label von Omar S?
Das war so: Ich hatte noch nichts über Omar gehört, aber er gehört zu den Leuten in der Stadt, die man einfach kennen muss. Das erste Tape war schon über ein Jahr draußen und Omar hat es erst zum Ende des Jahres hin bekommen, und wir haben uns nicht viel dabei gedacht. Als die Leute sich dann mehr für unsere Sachen interessierten, mussten wir uns die Dinge nochmal neu anschauen. 47Chops ging auf einem Event von Omar auf ihn zu und hatte scheinbar eine der CDs für ihn aufgehoben. Also hat Omar sie sich angehört als er in seinem GTR rumfuhr und fand sie richtig gut. Wir mussten die Dinge nur ein bisschen gezielter angehen, aber Omar gab uns die Zügel in die Hand, um so richtig loszulegen.
Ihr wolltet traditionelle Clubmusik dekonstruieren, was auch bedeutet, dass ihr mehr als straighten Techno machen wolltet, oder?
Ich wollte noch nie auf traditionelle Art Musik machen. Wie schon gesagt habe ich davor viel gerappt und mache das auch immer noch – das ist der Punkt an unserem hybriden Stil –, aber ich habe einfach versucht, etwas zu machen, was jede:r versteht, und Ghettotech zu etwas neuem transformieren. Viele Leute machen gern das, was gerade angesagt ist, aber wir haben versucht, etwas neu zu erfinden und das war dann Techno. Als Omar S uns gesagt hat, die Sachen ein bisschen gezielter anzugehen, habe ich diese Formel genommen und mit dem zusammengebracht, was Milf Melly gemacht hat und wie Chop sich Sachen vorgestellt hat. Es hat sich einfach so ergeben, dass wir alle da recht ähnliche Vorstellungen haben.
Welche Elemente von Techno, Rap oder Clubmusik konnten deiner Meinung nach erkannt und besonders betont werden?
In Bezug auf Dance-Musik im Allgemeinen werden ein paar Leute sagen, dass da ein Statement drin ist, das sie wichtig macht. Etwas am Beat, den verwendeten Instrumenten und dem Füllen eines Raumes. Wenn man einen Dance-Beat hört, pumpt eine weiche 808 und nach vier oder acht Schlägen hört man die Clap, jeder Step und Sound im Track ist von Bedeutung. Es ist ein Muss, die Emotionen der Leute zu kontrollieren. Das ist das, was ich aus dem Produzieren von Dance-Musik mitnehme – diesen Raum zu füllen und zu verstehen, wie ich die Körper von Menschen bewege und sie in den Fluss bringe.
Wie wichtig ist die Message?
Der Beat ist im Rap sehr wichtig, aber das Zentrale am Hip-Hop ist die Message, also braucht man eine Message, wenn man rappt. Nicht jeder muss damit was anfangen können, aber wenn man etwas sagt, spricht man mit jemandem. Ich nenne das gerne ‘Statement-Musik’ – das Äußere davon ist Ghettotech, Booty Tech oder einfach Techno, verstehst du? In Bezug auf das Steuern meiner Aussage ist mein Ziel, Leute von ihren Vorannahmen zu befreien, alles frei fließen zu lassen und den Leuten das Gefühl zu geben, ihr Leben zum Besseren zu verändern. Das sind die Elemente, in die unsere Energie fließt.
Technomusik wird oft mit spezieller Hardware zusammengebracht, zum Beispiel der TR-808 oder einer DR-55-Drummachine. Hast du der physischen Beziehung zwischen Mann und Maschine jemals Bedeutung zugemessen?
Vor einiger Zeit war ich in einer anderen Gruppe, und da haben wir diese Art von Equipment ständig benutzt. Alles war analog und wir haben versucht, damit so viel zu machen wie wir konnten, aber heute setze ich mich einfach an den Computer und nutze meinen Push und M-Audio Oxygen Pro. Wir haben einen Stimmenverzerrer, mit dem ich rumspiele, und das wars auch schon.
Wir laden oft Freund:innen ein, vorbeizukommen, und dann bringen die Equipment mit und spielen, oder wir gehen zu Omar oder ein Studio außerhalb und machen da Sessions. Wir haben vor kurzem in New York eine mit Black Noise gemacht. Die sind toll, sie haben uns viel Raum einfach zum Rumspielen gegeben, mit analogem Equipment, darunter Zeug, das ich noch nie gesehen habe. Wenn Leute anfangen, mit Zahlen zu hantieren, kann ich ihnen nicht folgen – ich lege [bei neuem Equipment] einfach los, spiele damit, lerne es und hole dann das Beste raus. Ich will das nicht unbedingt verstehen, weil ich immer dem Gefühl nachgehe. Ich bin nicht auf Autopilot, aber es geht immer um Emotionen.
Bringt ihr als Trio gleichberechtigt Ideen auf den Tisch und ergänzt euch gegenseitig?
Ja, alles davon. Milf Melly ist ein Innovator – die eine Sache, die ich von ihm gelernt habe, ist meinen Sound voranzubringen. Ich bin die Gegenwart, Chops ist die Vergangenheit und Milf Melly ist die Zukunft; Ich versuche einfach, meine Skills und den Vibe der Jungs zusammenzubringen und ihnen alles beizubringen, was ich weiß, bin dabei aber der einzige Tontechniker in der Gruppe. Ich mische die Tracks ab, mastere sie nach meinen besten Fähigkeiten und produziere auch. Die Jungs produzieren auch und legen auf und ich lerne auch von ihnen, also versuchen wir alle, einander so gut zu verflechten und zu ergänzen wie es nur geht, während wir alle unser jeweils eigenes Zeug in den Mix werfen.
Wenn du von verflechten sprichst, meinst du damit Filesharing?
Wir arbeiten mit Filesharing, versuchen aber, das so gut es geht zu vermeiden. Am besten wird`s aber, wenn wir alle im selben Raum sitzen, brainstormen und die Ideen einfach rausknallen. Das beginnt das meistens mit ein paar Drums und Akkorden von mir, oder mit Melly, der ein paar Stems in Google Drive lädt und sagt, schau, die habe ich gerade gemacht. An dem Punkt spielen wir dann mit den Drums und Samples und drehen alles von innen nach außen – das ist einfach irre! Wir versuchen, so live und organisch wie möglich zu bleiben, also laden wir zum Beispiel eine:n Gitarrist:in ein oder lassen jemanden Schlagzeug spielen oder weirde Geräusche oder Vocals machen. Ich persönlich mache nicht so gerne Loops oder Samples, aber wenn mir jemand nur Live-Schlagzeug-Samples schicken kann, dann tausche ich das aus.
Hast du ein Beispiel dafür, wie du in einer organischen Umgebung Musik machst?
Den Track „ZOOTED” habe ich komplett mit der Hilfe eines Freundes namens $quid produziert, der hier war, um seinen Teil zur Energie beizusteuern. Wir waren zu sechst in einem Raum und ich habe den Vibe und die Energie gespürt und einfach angefangen, auf den Tisch zu hauen, bis sich jeder zum Beat bewegt hat. Ich habe das Mic angemacht und komplett hochgedreht, bis es komplett heiß war, und es dann auf den Tisch geknallt. Wir haben das auf den Beat gelegt, bis es sich fast wie eine Drum angehört hat, ziemlich four-to-the-floor-mäßig. Ich habe noch ein bisschen Reverb draufgelegt und am Ende hatten wir ein organisiertes Chaos, aber man fühlt es. Im Grunde nimmt das Mikro alle Energie des Raumes auf.
Wenn ihr diese rohe Energie auf eine Platte kriegen wollt, müssen Sounds dafür allein gelassen werden?
Ich mag cleane Sounds, aber nicht zu clean, weil dann alles linear klingt. Ein paar Leute, mit denen ich arbeite, sind diese super sauberen Sounds gewöhnt und wollen klingen wie Beconcé. Nichts gegen Beyoncé, ich kann’s kaum erwarten, sie für einen unserer Tracks zu kriegen, aber wenn etwas zu clean und kontrolliert ist, klingt es einfach wie alles andere. Leute merken, ob etwas authentisch ist oder nicht, aber ich will, dass es real klingt.
Hast du in einem technischeren Setting feste Routinen, also wie du einen Track von Grund auf aufbaust?
Ich bin sehr hands-on und nutze deshalb kaum die Session-Ansicht. Sogar wenn ich mit Analog arbeite, ziehe ich das in die Arrangement-Ansicht und lege das da ab. Ich fange mit den Drums an und schaue, dass die BPM-Zahl passt, sodass die Leute damit viben können, also irgendwo zwischen 145 und 180. Ich fange von oben an und gehe dann nach unten und fülle die Lücken. Entweder das, oder wir nehmen ein paar Samples von Melly oder Chops, tauschen Sounds aus oder verzerren sie oder Melly spricht ins Mikro und wir drehen das dann um.
Erzählst du uns noch ein bisschen was darüber, wie du Vocals bearbeitest? Das sind ja eher Snapshots als traditionelle Rap-Vocals.
‘Snapshots’ trifft es gut. Ich versuche gerade noch herauszufinden, ob ich dir zugestehe, das zu sagen, aber ich weiß von wo du kommst, also will ich dir das nicht nehmen. Wenn der Beat droppt und das volle Statement gesagt wird, ist das wie ein Release – die letzte Minute der Meditation, bevor man ausatmet. Wichtig sind die Bedeutung und Kraft der Aussage und wie sie wahrgenommen wird. Der Raum ist super wichtig, also muss der Gesang perfekt platziert sein und sich wie schwerelos anfühlen. Manchmal schreibe ich für einen Sänger oder eine Sängerin, ein andermal lasse ich ihn oder sie so viele Takes machen, wie er oder sie braucht, um eine Emotion hervorzurufen. Wenn das gut ankommt, rocken wir damit und holen dann so viel raus, wie wir können. Ich bin gut darin, die Vocals zu zerhacken und alles so zusammenzufügen, dass es einen Sinn ergibt, aber man muss schauen, dass die Person, die singt, den Vibe spürt und das nicht fake ist. Kein Betrügen, keine Fakes, keine zweifelhafte Energie. Es muss richtig Detroit sein, um es genau zu sagen.
Was ist die Message hinter dem Sound von HiTech?
Wir versuchen, über die Sachen zu reden, die gerade in unserem Leben passieren. Eine Sache, die ich über Hip-Hop gelernt habe, ist, dass alles immer cool klingen soll. Du hast ja wahrscheinlich unseren Song „WHYYOUFUGGMYOPPS” gehört – darum gehts um diese Frau, die mich mit jemandem betrogen hat, der mich echt nicht respektiert habe. Sie wusste das, aber hat das mit Absicht gemacht. Die Leute zieht`s zu diesem Song hin, weil die Energie einfach echt ist. Wenn Leute damit relaten können, hat man einen Ball aus Energie mit einem Feuerring außenrum, der alles in Brand setzt. Alles, worüber wir reden, ist persönlich – wir müssen es nur ausleben, damit Leute merken, dass wir da sind. Selbstbewusstsein ist das wichtigste und Prahlerei ist nur eine Fassade für Leute, die sich vor der Arbeit scheuen.
HiTech gibt es auf Bandcamp und ihrer Website.
Text und interview: Danny Turner
Alle Fotos sind Eigentum der Künstler