Moderne Musiktechnologie hat das Ziel, die Barrieren, die zwischen intuitiver menschlicher Ausdruckskraft und den unendlichen Möglichkeiten des Computers liegen, zu beseitigen. Es geht darum, für einen ungebremsten Kreislauf zwischen Mensch und Maschine zu sorgen – ein Kreislauf, wie ihn Ryo Fujimoto in seiner siedenden Performance auf der japanischen Streamingplattform Dommune perfekt beschreibt. Mit Beatboxing, ausgebauten Vocal-Techniken, Kaoss-Pad-Infernos und Live erreicht Fujimoto eine derart hohe Performance-Ebene, dass wir als Hörer nur staunen können, wie expressiv der Umgang mit dem Laptop sein kann. Müßig zu erwähnen, wie sehr uns das fasziniert und deshalb baten wir Fujimoto um Einblick in seine Methodik.
Der Geist in der Maschine: Ryo Fujimoto auf Dommune
Für dein Dommune-Set hast du Sounds in winzig kleine Bits zerlegt und dann wiederum Klangschnipsel unendlich ausgewalzt. Was gefällt dir an dieser Technik?
Ich mag tatsächlich beide Varianten. Jede der Methoden hat ihren ganz besonderen Reiz und ich kann sie nicht wirklich voneinander trennen. Zuerst einmal höre und fühle ich den Sound. Das ist wie in einem Buch lesen, um zu wissen, welche Elemente eigentlich enthalten sind. Dann male ich mir das fertige Design aus. Wenn ich eine Vorstellung davon kriege, wie sich der Sound anfühlen könnte, mache ich mich an die Arbeit. Wenn nicht, wechsle ich zur alternativen Methode und versuche es damit.
Meine Stücke entstehen meist aus Electronics, Beatboxing oder Poetry. Ich habe keine festgeschriebenen Regeln. Wenn ich zum Beispiel das Gefühl habe, ich bräuchte ein Saxophon, dann setze ich mich umgehend ran und übe es. Das würde ich mit allem so machen, von dem ich der Meinung bin, dass es mir hilft, das Ziel, das ich im Kopf habe, zu erreichen. Für mich ist wirklich jeder Weg gangbar.
Dein Beatboxing und dein Produktionsstil scheinen sehr dicht bei einander zu liegen. Zumindest, wenn man sie hinsichtlich ihrer Wildheit, dem Tempo und den krassen Kontrasten zwischen Raum und Enge beleuchtet. Versuchst du, mit deinen Produktionen das Beatboxing nachzuahmen? Oder imitiert das Beatboxing deinen Produktionsstil?
Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Danke, dass du mir die Gelegenheit dazu gibst! Natürlich funktioniert Beatboxing für mich eher wie ein Instrument beziehungsweise wie ein elektronisches Gerät. Beats, Melodien, Gedichte oder etwas Instinkthaftes – alles ändert seine gefühlte Bestimmung mit der jeweiligen Zeit und Situation.
Dein Stil ist auch immer wieder von abrupten Unterbrechungen geprägt. Du bist in einem ordentlichen Flow und urplötzlich lässt du alles in einen absoluten Glitch-Wahnsinn enden.
Weil ich mich am Unvorhersehbaren erfreue. Ich mag keine Sachen, die "langweilig" sind; obwohl ich gern mal meditiere. Ich stelle mir immer vor, dass der Sound, den ich spiele, ein menschliches Wesen wäre. Nachdem er eine Menge durchgemacht hat, kommt er schließlich aus den Lautsprechern. Doch alles, was lebt, stirbt irgendwann einmal. Und ein Live-Set lebt für mich eben auch. Entweder es geht mit einem riesigen Knall dahin oder in Totenstille. Das ist gar nicht mal so entscheidend für mich. Wichtig ist, dass der Sound eines Live-Sets die Veränderungen während der Performance annimmt, egal wie außergewöhnlich oder untypisch sie auch sind. Ich erschaffe die Sounds, sie sind sozusagen meine Kinder. Ich mag es, mit ihnen zu spielen, aber sie kommen und gehen.
Es scheint, als wenn auch immer etwas Persönliches in deiner Performance mitschwingt. Magst du diese narrative Mehrdeutigkeit?
Ja. Das ist eine der Geschichten, die mich das Leben gelehrt hat – alles taucht als Frage und manchmal als Warnung auf. Es gibt in dieser Welt nicht die eine, perfekte Antwort. Wenn du aufhörst, deine Gefühle zu zeigen, während du jemand anderem etwas mitteilst, kommt die Botschaft nicht mehr an. Wir alle haben unsere eigene Art zu denken und zu fühlen. Die wenigsten von uns besitzen übernatürliche Kräfte, um alles verstehen zu können.
Ich wünsche mir einfach, dass meine Gefühle und meine Denkweise so klar wie möglich rüberkommen. Natürlich möchte ich mich niemandem aufdrängen und ich verstehe durchaus, dass manche meiner Ideen kein Gehör finden. Mir ist bewusst, dass meine Arbeiten gemischte Reaktionen hervorrufen. Ich denke, das ist auch gut so und nur allzu natürlich. Ich betrachte es als eine weitere Form der Kommunikation, eben durch Musik.
Ich möchte eigentlich nur eins wissen: Was fühlen die Leute, wenn sie meine Musik hören?
Bleiben Sie mit Ryo Fujimoto über seine Website in Kontakt.