Evolutionärer Techno: DJ Bones Reise durch die Produktion
Technologie ist untrennbar mit Techno-Musik verbunden – man findet sie sozusagen schon in ihrem Namen. Die musikalischen Einflüsse, aus denen sich das in Detroit entstanden Genre speiste, testeten bereits neue Arten des musikalischen Ausdrucks, Techno jedoch läutete einen entscheidenderen Bruch mit der Tradition ein, bedingt durch die rasanten Entwicklungen der elektronischen Musikgeräte.
Die Assimilation des Computers in das Studio-Setup des Trad-Technos verlief nach modernen Maßstäben eher zögerlich und bewegte sich zwischen den Extremen eines sterilen digitalen Purismus und Anti-Laptop Hardware-Elitedenken. Der allgemeine Konsens scheint jetzt aus einer Mischung von Disziplinen als Schlüssel für eine fruchtbare Erforschung des Technos zu bestehen. Die meisten Produzent:innen, die seit den Anfängen aktiv sind, haben zumindest teilweise die damals populären Meinungen und Studiopratiken vertreten.
Eric Dulan, aka DJ Bone, ist einer der Figuren, die seit den frühen 90er-Jahren aktiv sind. Er veröffentlichte seine erste Platte um das Jahr 1996 und produziert seitdem kontinuierlich faszinierenden Techno. Als DJ ist Dulan heute bekannter denn je. Als Spin Master an drei oder mehr Decks mit Chops und Flair, die jeden Clubraum in Extase versetzen, eroberte er zurecht die Phantasie nachfolgender Partygenerationen weltweit. Aber auch als Produzent ist er gleichermaßen erfolgreich. Sein Label Subject Detroit feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen im Musikgeschäft. Wir trafen den Mann aus Detroit in Amsterdam, um herauszufinden, wie sich seine Herangehensweise an Techno seit Mitte der 90er-Jahren analog zu den weitreichenden technologischen Entwicklungen verändert hat.
Community Spirit
Wie bei so vielen anderen DJs, aus denen Künstler:innen wurden, war Dulans Reise in die Welt der Musikproduktion genauso sehr der Not entsprungen wie der Neugier.
„Ich war in der ganzen Stadt am Auflegen,” sagt er, „und ich wollte einen bestimmten Sound spielen, von dem ich einfach nicht genug Tracks finden konnte, deshalb habe ich mir gesagt, ‘OK, dann mache ich einfach meine eigenen Sachen.’ Ich habe mir zuerst eine All-In-One-Workstation gekauft – die Kurzweil K2500. Ich hatte mein ganzes Geld gespart und musste mich dann zwischen einem Auto oder einem Keyboard entscheiden… und ich habe das Keyboard genommen.”
Die Hardware war für ihn ein gewaltiger Lernprozess, aber Dulan hatte Glück, weil er in Detroit Zugang zu einer Weltklasse-Community von Techno-Vorgängern hatte. Dulan verbrachte Nachmittage mit Mad Mike und Juan Atkins, an denen er sie ausfragte, oder hing in Kenny Larkins Studio ab. Dabei bekam er von den Pionieren der ersten und zweiten Welle des Detroit Techno bereitwillig Antworten auf seine Fragen. Während es zuerst um Troubleshooting am MIDI-Patching oder an der Brummunterdrückung ging, bekam er schon bald Mixdown-Tipps und spezielle Techniken gezeigt, wie z. B. Reverse-Edits mit einem Tonband (während einer nächtlichen Editing-Session mit Mad Mike).
„Ich habe das beste aus ihr [Kurzweil] herausgeholt,” sagt Dulan lachend. „Ich hatte noch nicht einmal ein Mischpult. Ich habe auf dem integrierten Sequenzer abgemischt, mitsamt EQ und allem, und das ging dann direkt zum DAT.”
Als Dulan das erste Mal mit einer Drum Machine arbeiten durfte, war es ein unvergessliches Erlebnis. Zwischen 1993 und 1994 lebte er mit Nachbarn wie Carl Craig und Kelli Hand in einem Loft im Osten von Detroit.
„Eines Tages kam Claude Young mit einer SP1200 vorbei” erinnert sich Dulan. „Er meinte, ‘Willst du mit zu Kelli runterkommen? Ich mache gerade ein Remix für sie.’ Das war das erste Mal, dass ich an einer Drum Machine war, und er hat mir gezeigt, wie es funktioniert. Ich habe dann am Ende auf der Stelle einen Remix für Kelli Hand gemacht [den man auf einem seltenen White Label namens Love Games finden kann]. Es war eine gute Community, und in der Anfangszeit haben viele Leute zusammengearbeitet. Es war künstlerischer, bevor das Business mit ins Spiel kam.”
Hardware-Profiteur
In den frühen Phasen seiner Karriere war der Zugang zu technischen Geräten für Dulan ziemlich begrenzt. Es gab jedoch eine überraschend glückliche Fügung durch seinen besten Freund Paul Staricco, der schon immer großes Interesse an analogen Synthesizern und Drum Machines gezeigt hatte, ohne selbst als Produzent aktiv zu sein.
„Paul zog 1994 oder '95 von Detroit nach San Francisco,” erklärt Dulan. „Ich bin ihn in seiner kleinen Wohnung besuchen gegangen, und sein Wohnzimmer stand voll mit Equipment. Der verdammte Jupiter 6, die Juno 106, der JB 2080, Arp Axe, alle möglichen Drum Machines. Er hatte das alles nur gesammelt. Er sagte, ‘Ich wusste ja, dass du kommst, und ich dachte, du könntest das für mich anschließen.’ Das habe ich dann gemacht und dabei alles ausgetestet, und er meinte dann, ‘naja, wenn du willst, leg' einfach los und mach' Musik, wenn du sowieso hier bist.’”
Dulan fing an, alle paar Monate an die Westküste zu fliegen, um mit Stariccos Equipment zu arbeiten. Er entwickelte dabei eine Vielzahl neuer Ideen, die die Basis für viele Tracks bilden sollten, wie z.B. „Body Bags”, „Knowhere” und viele mehr.
Frühe Veröffentlichungen
Dulans erste Erscheinung auf Vinyl war die passend benannte Electronic Birth EP auf dem deutschen Label Molecular Recordings im Jahr 1996. Es dauerte weitere zwei Jahre, bis er in aller Stille sein Label Subject Detroit unter dem Pseudonym Subject No startete. Dulan wollte damit alle Verbindungen zu seiner etablierten DJ-Karriere kappen, um herauszufinden, wie die Musik aus eigener Kraft laufen würde. Musikalisch zeigte sich Dulan dadurch schon früh als unerschrockener Innovator, der sich den etablierten ‚Normen’ des Techno als Genre entgegensetzen wollte. Im Mittelpunkt seines Einsatzes für die Politik für POC stand das immer noch relevante Mantra „black lives… poverty… aspiration”, also „schwarzes Leben…Armut… das Streben nach einem besseren Leben”, das sich in „Black Lives” wiederfindet. Diese Position hat er bis heute beibehalten. Er benutzt seine Plattform, um Themen wie Rassismus und Ungleichheit mit demselben Eifer zu begegnen, wie Underground Resistance oder seine Lieblings-Hip-Hop-Gruppe Public Enemy es tun.
„Als ich angefangen habe, Musik zu machen, war es für mich selbstverständlich, dass diese Songs eine Message haben,” erklärt Dulan. „Als ich ‚Black Lives’ produziert habe, waren diese drei Dinge für mich täglich präsent. ‚Black lives. Poverty. Aspiration.’ Wenn du schwarz bist, kannst du das nicht verstecken. Und wenn du pleite bist, kannst du nichts anderes machen, als nach etwas Besserem streben zu wollen… du wirst immer etwas wollen, entweder willst du besser sein oder etwas besser machen. Es gibt immer eine Hoffnung. Was die meisten Kids ohne Kohle alle gemeinsam haben, ist die Hoffnung.”
Aus produktionstechnischer Sicht brachte die vier Songs starke EP seine Identität ebenso eindringlich zum Ausdruck, nicht zuletzt wegen der Drums, die im Ohr hängenbleiben. Mehr als 20 Jahre später ist die Allgegenwart der 808 und 909 erstaunlicherweise immer noch dominant in der Techno-Musik. Als Detroit Techno gerade einmal 10 Jahre alt, war die Situation die gleiche.
„Ich wollte schon immer verschiedene Drums verwenden,” erklärt Dulan. „Ich wollte nicht nur ein Preset benutzen. Ich wollte selber experimentieren. Das habe ich schon immer am liebsten gemacht. Ich liebe 909 Drums, aber ich will nicht nur 909 oder 808 Drums benutzen. Es ist so komisch, dass wir immer die gleichen Drums in einem Genre verwenden, das doch eigentlich futuristisch sein soll.”
Dulan nahm sich seinen Akai Sampler, um einzigartige Drum Sounds to erschaffen. Er legte verschiedene Klangfarben auf seine Drum-Hits, und benutzte andere Drum-Maschinen wie zum Beispiel die LinnDrum, die er so einstellen konnte, dass sie nicht mehr „so Linn-y” klang.
„Viele Leute stimmen ständig ihre Drums. Mir macht es nichts aus, die Drums zu stimmen, aber mir geht es mehr darum, welchen Effekt die Drums haben und welches Gefühl sie vermitteln, und nicht so sehr, ob sie in Tune sind oder nicht. Für mich sind Drums eher maßgeblich, wenn es um ein Muster geht. Wie James Brown immer gesagt hat: ‚Drums sind alles. Das Horn sind die Drums, die Gitarre sind die Drums.’”
Nach eigenen Angaben verkaufte sich Subject No. 1 12" gut, was ein guter Start für seine Karriere als Produzent und sein Plattenlabel hätte sein können, während sein Ruf als DJ weiter am wachsen war. Dulan verlor jedoch seine Illusionen im Laufe seiner professionellen Musikkarriere hinsichtlich verschiedener Aspekte der Musikindustrie, wie zum Beispiel dem Gerangel um Finanzen und einer vom Ego getriebenen Politik. Seine Erfahrungen führten ihn davon weg, Karriereziele zu verfolgen, stattdessen legte er seinen Fokus wieder auf das Musikmachen.
„Das Musikgeschäft ist wirklich schockierend, wenn du zum ersten Mal damit zu tun hast”, erklärt er. „Ich hatte das Gefühl, dass ich lieber Musik machen wollte, anstelle zu veröffentlichen und ein Teil davon zu sein. Ich war dabei, jede Menge Songs anzuhäufen, als ich meine Frau traf. Sie hat mir dabei geholfen, mit dem Releasen wieder anzufangen. Sie meinte: ‚Du solltest einfach loslegen und die Leute deine Musik hören lassen.’”
Die Stille unterbrechen
DJ Bone tauchte 2004 mit einer Flutwelle an Veröffentlichungen wieder auf, die zeigte, wieviel Fortschritt er darin gemacht hatte, seine eigene Interpretation der Detroit Techno-Tradition zu verfolgen. Tracks wie zum Beispiel „Wind Slaves (Fog)” verzichteten auf die vertrauten 4/4 Kick Drums, stattdessen wurden hier schräge rhytmische Figuren und warme Sound-Pads verwendet, um die kinetische Energie des Techno einzufangen. „Effects Of Change” besaß einen Groove, der ebenso funky wie seltsam war. Auf „The Hold (Tight Packing)” erschuf Dulan einen klaustrophobischen Krach, der der schmerzhaften Erfahrung der transatlantischen Sklaverei entsprach. Seine Herangehensweise an die Politik für POC aus musikalischer Perspektive war trotzdem mit einer Hoffnung und innerer Kraft durchdrängt, in der seine Empfindung des Strebens nach einem besseren Leben nachklang. Tatsächlich fällt es schwer, Dulans politische Ansichten in seiner Musik nicht zu entdecken. Er samplete beispielsweise die Anti-Apartheid-Radioübertragungen des African National Congress And The People’s Army Umkhonto We Sizwe für „Cause Of Action” oder platzierte Tommie Smith und John Carlos’ Black Power Salut bei den Olypmischen Spielen 1968 auf dem Label seiner Struggle EP. Einer der wenigen Fälle, in denen sich der Ton der Musik und der Inhalt des Samplings in einen konkreteren Zorn verwandelte, fand sich 2005 auf „Body Bags”, wo sich die düstere Hookline „I’ve got Detroit on the line, they need 4,000 body bags” mit losgelösten Synth Stabs und einem hämmernden, gedoppelten Beat verbindet. Frustration und Wut springen hier merklich aus den Lautsprechern.
„Es ist traurig, aber „Body Bags” ist das Ergebnis davon, in Detroit aufzuwachsen und ständig vom Tod umgeben zu sein,” erklärt Dulan. „Jedes Mal, wenn man die Nachrichten anmacht, wird jemand erschossen, oder sogar wenn man die Nachrichten nicht anmacht und stattdessen einfach Fernsehen schaut, hört man draußen plötzlich Schüsse. Es passiert täglich und versetzt dich in diesen komischen Zustand, in dem das normal wird. An den meisten Silvesterabenden meiner Kindheit sagten meine Eltern uns, dass wir vom Fenster fern bleiben und um Mitternacht auf dem Boden sitzen sollten. Und am nächsten Tag konnte man vielleicht hören, dass ein Querschläger durch ein Haus geschossen wurde und ein Kind getötet hat. Einfach blöde Scheiße. Rücksichtslose Gewalt. Darum geht es bei „Body Bags”. Ich wollte zeigen, wie sinnlos es ist, dass so etwas normal ist.”
Fortgeschrittene Techniken
Die Flut an neuem Material machte es offensichtlich, dass Dulan für seine Musik jetzt fortgeschrittene Techniken verwendete. Es gab keine rauen Maschinenattacken mehr, wie sie auf der Metroplex-Single „Shut The Lites Off” zu hören sind. Stattdessen war der Weg frei für ausdrucksstarke Synth-Motive und einzigartig strukturierte Rhythmen, die klar und präzise wiedergegeben wurden. Auf dem Track „Metallo” kommt das besonders deutlich zum Ausdruck, da dieser sich mit seinen schroffen Kanten, seekranken Akkorden und wild modulierenden Klangfäden, die hinter dem Lead-Beat pulsieren, dem Gebiet der Electronica annähert. Wenn dann der Groove knapp nach der Hälfte des Tracks anfängt zu spielen, klingt es wie reiner Detroit Techno, aber die Ausführung zeigt, wie weit der DJ Bone Sound derzeit aus dem Rampenlicht gerückt war.
„Ich glaube, ich habe „Metallo” so ungefähr zu der Zeit produziert, als ich anfangen haben, Live zu verwenden” verrät Dulan. „Ich habe gesehen, dass man die Samples in Live ziehen und ablegen kann und dass das Programm sie für dich zeitlich streckt. Das hat mich an die Zeit erinnert, in der ich Samples auf meinem Akai S2800 geschnitten habe. Ich wusste dann, dass ich einfach mit allem experimentieren konnte, ohne mir Sorgen machen zu müssen, weil es die Undo und Autosave-Funktion gab.”
Auf „Metallo” benutzte Dulan gezielt zwei Doepfer-Sequenzer, bei denen er die Muster auf unterschiedlichen Längen laufen ließ, um zu erreichen, dass seine Samples in Live verblüffende polyryhthmische Formationen bildeten. Nachdem Live Teil seines Workflows geworden war, wurde ein MIDI-Patchbay Dreh- und Angelpunkt seines Studio-Setups. Dadurch war es ihm möglich, mit verschiedenen Anschlüssen zu arbeiten, CC-Nachrichten an verschiedene Maschinen zu schicken und zu verketten, um ständig überraschende Ergebnisse zu erzielen. Er arbeitete oft an zwei oder drei Songs gleichzeitig und probierte mit bestimmten Patches verschiedene Ideen aus, bevor er eine größere Anzahl an Live-Takes auf DAT aufnahm, alles wieder neu verkabelte und sich mit dem nächsten Projekt befasste.
„Am Anfang habe ich externe Ausrüstung in Kombination mit Live benutzt. Ich habe an einem Mischpult gearbeitet und Live nur zum Sequenzieren verwendet und zum Samplen, das war alles. Ich habe mich lange Zeit nicht einmal mit den Sounds auf Live befasst, weil ich immer dachte, ‘Presets? Nein, danke.’ Ich habe dann einfach eigene Soundbanken erstellt, indem ich mit externen Modulen wie dem EMU Planet Phat und Orbit rumgespielt und dann gesampled habe.”
Tief verwurzelte Rhythmen
Was Dulans Version des Detroit Techno von Anfang an auszeichnete, war seine Herangehensweise an den Rhythmus. Selbst wenn ein erfahrener DJ seine Tracks in einer 4/4-Taktung einzählen kann, so bewegen sie sich doch auf klanglicher Ebene in nuancierten Polyrhythmen, die das Gehirn und die Tänzer auf Trab halten. Der Groove auf einem Track wie „Body Bags” wirft den Zuhörer leicht aus der Bahn, obwohl es im Mix einen Kick als Konstante gibt, und die Percussion, die durch „Motherland” wirbelt, hat ähnlich wie die Stammesgesänge einen direkten Bezug zu Afrika. Es ist deshalb nicht überraschend, dass Dulan es mit seinem Verständnis von Rhythmus ernst meint.
„Ich habe angefangen, viele afrikanische Rhythmen zu studieren,” erklärt Dulan. „Ich habe mir einige Bücher besorgt und jede Menge CDs von echten Stämmen gekauft, um mir die Rhythmen anzuhören und herauszufinden, woher sie kamen und was sie ausdrückten, und es klang einfach die ganze Zeit so gut. Wenn ich es mir anhörte, konnte ich es fühlen. Es hat mich motiviert. Deshalb arbeite ich gerne mit vielen afrikanischen Ryhthmen. Es ist das Mutterland – der Geburtsort der Drums, des Beats.”
Clubhits und Unerwartetes
Obwohl sein Name jetzt bekannter sein mag, blieben Dulans Veröffentlichungen die meiste Zeit seiner Karriere unter der Oberfläche verborgen – verehrt von denjenigen, die den Finger am Puls der Zeit hatten, aber zu weit draußen für den Mainstream der Clubszene. In seinem Backkatalog jedoch gibt es bestimme Tracks, die der Idee eines Clubhits näher kommen. Dazu zählt „Circus World” aus dem Jahr 2008, auf dem er seine Stimme gegen die Aspekte der Musikindustrie erhebt, die ihm in den frühen Tagen missfallen hatten. „Borrowed our soul, return it with interest, you can’t replicate it in your Circus World,” bringt er es singend auf den Punkt. Es ist einer seiner eingängigsten und stärksten Tracks, der zudem einen relevanten Beitrag zur kulturellen Aneignung der Technokultur liefert. Sogar der Clap am Anfang des Songs auf der Zwei und der Vier fällt schon auf. Drei verschiedene Claps sind hier mit reichlich Reverb übereinander gelegt und dann wieder auseinander gestoßen worden, um einen besseren Effekt zu erzielen.
Dulan beschreibt den Groove in „Circus World” als eine sorgfältig ausgearbeitete “auditive Illusion”, nicht zuletzt wegen der schwer fassbaren Melodieführung, die mit zwei separaten Synth-Sounds und einigen leichten Effekten erzeugt wurde. Er schubste den zusammengesetzten Sound in den Vordergrund und schob den Beat in den Hintergrund, um es einmalig und funky klingen zu lassen. Wie er selber sagt, war das genau die Idee, die er im Kopf hatte, und es erforderte einfach sorgfältige Arbeit um Studio, um das zu erreichen.
Auch wenn es schwer fallen würde, Dulans Style auf eine bestimmte Beschreibung festzulegen, gibt es in seinem Katalog dennoch unerwartete Momente, die herausstechen. Der Vocoder-Track „Himbot” ist ein solches Beispiel. Er entstand ebenfalls Ende der ‘00er-Jahre und hätte neben dem Crossover-Electro-Techno von Künstler:innen wie Miss Kittin & The Hacker kaum deplatziert geklungen.
„Ich dachte, ‘das ist nichts, was ich sonst tun würde, also muss ich es machen.’” sagt Dulan zu dem Moment, in dem er die Idee zu „Himbot” während einer Studio-Session hatte. „Zu der Zeit war ich bereit dafür, mein Mischpult aufzugeben und auf Live zu sequenzieren. Die Soundqualität musste noch besser werden, aber was die Funktionalität angeht... Bei den DJ-Mixern ist mir die Funktionalität immer wichtiger als die Qualität wegen der Leistung, und bei Live war es dasselbe. Selbst wenn mir manche Dinge gefehlt haben oder ich mit meinem Mischpult eine bessere Klangqualität haben konnte, machte mich die Funktionalität von Live frei dafür, verrücktere Sachen auszuprobieren.”
Verschiedene Ausdrücke
Seit mehr als 10 Jahren hat Dulan seinen Sound weiterentwickelt, und während es zwar weiterhin DJ Bone-Veröffentlichungen auf Labels wie Sect und Leftroom oder Subject Detroit gab, floss seine Energie auch in ein neues Projekt. Sein Alias Differ-Ent tauchte 2015 auf dem UK Label Don’t Be Afraid auf, und führte schließlich zwei Jahre später zur Veröffentlichung seines Albums It’s Good To Be Differ-Ent . Dulans Musik war zwar schon immer elektrisiert durch seine Innovationskraft, dennoch ist Differ-Ent für ihn ein deutlich anderes künstlerisches Vehikel als DJ Bone.
„Ich habe mich [mit Differ-Ent] mehr mit der Software befasst,” erklärt er. „Es war strukturierter, als ob ich versuchen würde, elektronische Songs zusammenzusetzen. Es war mehr Wissenschaft als Musik. Die neuen DJ Bone-Sachen werden funkier sein als die Sachen von Differ-Ent.”
Dieser Gedanke an neues Material hängt während unseres Gesprächs in der Luft. In den letzten Jahren hatte Dulan mehr zu tun als zu jedem anderen Zeitpunkt in seiner Karriere als DJ, und es fällt auf, dass er seit den DJ Bone Alben Beyond und A Piece of Beyond 2018 kein neues Material mehr veröffentlicht hat. Europa befindet sich mitten in der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie während unseres Gesprächs, und Dulan und seine Frau wohnen erst seit kurzer Zeit in ihrem neuen Haus am Stadtrand von Amsterdam. Ein neues Studio und deutlich reduzierte Auftrittspläne legen einen Richtungswechsel für Dulans musikalischen Output nahe, der sich hin zu einem „technisierteren” Ansatz bewegt.
„Ehrlich gesagt ging es bei 80 Prozent der Musik, die ich veröffentlicht habe, mehr um den Ausdruck,” sagt er. „Von Ship Life, über Songs wie „Circus World” bis hin zu „All My Heart” und „Rosedale Park”, das sind alles nur Vibes und Ausdrucksformen. Ab und zu mache ich einen Track wie zum Beispiel „Dreamers 9”, auf dem ich einfach nur eine Spur bearbeitet habe, und er wurde dann von allen gespielt, angefangen bei Josh Wink und eingefleischteren Techno DJs bis hin zu Peggy Gou. Keiner weiß, was kommen wird. Es ist fast so, als ob ich ein Koch wäre, der in der Küche ohne Rezepte am Freestylen ist.
Ein Lächeln zieht sich über sein Gesicht, während er am Teasen ist. „Wartet ab, bis ich es mit einem richtigen Rezept versuche, und dann schauen wir mal, was passiert.”
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Text und Interview: Oli Warwick