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Lade dir das Live-Set von Polygonias neuem Track Neon Oracle herunter
Nur wenige Künstler können mit so vielseitigen Talenten und einer so ausgeprägten Fähigkeit aufwarten, alle davon in Einklang zu bringen, wie Polygonia. Dabei handelt es sich um das musikalische Pseudonym von Lindsey Wang. Bekanntheit erlangt hat sie durch eine beeindruckende Kombination aus meisterhaften technischen Skills und künstlerischer Raffinesse. Ihre Arbeit ist ein Beispiel für einen interdisziplinären Ansatz, der von großer Ehrfurcht vor bildender Kunst, Musikproduktion und Sounddesign geprägt ist.
Die Tracks von Polygonia vermischen intuitiv organische Texturen mit komplexen Rhythmen und decken eine ganze Bandbreite von Stimmungen ab, von tief und dunkel bis verspielt und emotional zart. Ihre Kompositionen bewegen sich zwischen verschiedenen Genres, darunter Techno, Breakbeat, Dubstep, Ambient und Pop.
Über ihre Soloprojekte hinaus ist Polygonia auch Kernmitglied des IO-Kollektivs und Gründerin von QEONE, ihrem neuen Label, das sich der Förderung aufstrebender Talente widmet. Ihre künstlerische Vision findet außerdem Ausdruck im Trio Lyder, bei dem sie mit den Musikern Niklas Bühler und Moritz Stahl zusammenarbeitet. Durch Improvisation, Live-Looping und Effektpedale verbindet sie Jazz mit Techno und schafft so immersive elektroakustische Klangwelten, die ihr Publikum erkunden kann.
Im Rahmen unserer Partnerschaft mit XLR8R haben wir uns vor Kurzem mit Polygonia getroffen, um ihren beeindruckenden Weg nachzuzeichnen: von einer durch klassische Ausbildung geprägten Kindheit bis hin zu den Momenten, die ihre Entwicklung hin zur elektronischen Musik inspiriert haben. Nebenbei haben wir uns eingehend mit ihren kreativen Philosophien und technischen Methoden befasst und Einblicke in die Münchner Musikszene gewonnen. Für einen direkten Einblick in ihren Arbeitsprozess teilt sie auch das Live-Set ihres neuen Tracks „Neon Oracle“ mit uns.
*Erfordert eine Live 12.1 Suite-Lizenz oder die kostenlose Testversion.
Hinweis: Das Live-Set und die enthaltenen Samples dienen nur zu Studienzwecken und dürfen nicht kommerziell eingesetzt werden.
Lindsey, vielen Dank, dass du dir heute Zeit für uns genommen hast. Beginnen wir ganz am Anfang: Magst du uns ein bisschen was über deinen musikalischen Hintergrund erzählen?
Ich habe mit klassischer Musik angefangen, damit bin ich aufgewachsen. Mein Vater spielte im Shanghai Quartett und einigen anderen Orchestern hier in Deutschland. Meine Mutter arbeitet bei einem der größten deutschen Notenblatthersteller und mein Großvater war Professor für Klarinette. Ich selber habe meinen Abschluss an einer Schule mit Musikschwerpunkt gemacht. Mein Schwerpunkt war Geige. Ich habe aber auch Klavier gespielt.
Als ich älter wurde, zog es mich natürlich Richtung Popmusik aus dem Radio und zu MTV. Das war meine erste Verbindung zur elektronischen Musik, denn Pop wird oft mit elektronischen Elementen produziert. Ich habe nie wirklich auf die Texte geachtet. Mich hat mehr interessiert, wie die Songs produziert wurden. Später haben mich Freunde mit UK Dubstep bekannt gemacht. Das klang für mich damals total neu und echt nicht von dieser Welt. Das war der Moment, als ich mich wirklich für elektronische Musik zu interessieren begonnen habe.
Gab es einen bestimmten Moment oder vielleicht eine Künstlerin oder Künstler, der oder die dich zu deinem heutigen Techno-Stil inspiriert hat?
Am Anfang hat mich Techno überhaupt nicht interessiert. Was hier in München lief, war nicht ganz mein Geschmack. Ich habe mich mit eher abseitigem Hip-Hop beschäftigt und einige verrückte Beat-Produzenten auf SoundCloud gefunden. Es gab da ein Label namens Prrrrrrr Records. Der Labelchef Persian Empire ist zugleich Instrumentalist und Komponist. Der produziert und performt auf eine echt wilde Art und Weise. Er war eine meiner wichtigsten Inspirationen, bevor ich zum Techno gekommen bin. Ich meine, dass ich, Leute wie Cio D'or und Rrose beim Freqs of Nature Festival spielen gehört habe. Das war eine Klangästhetik, die ich bis dahin nicht kannte. Ich war ziemlich in der Psytrance-Szene unterwegs und ihr Sound hatte irgendwie eine Verbindung dazu, weil er trippig und psychedelisch ist, aber viel reduzierter, minimalistischer und, sagen wir mal, edler. Cio D'or ist eine Frau, was mich auch inspiriert hat. Ich dachte nur: „Wow, die ist einige Generationen über mir, die hat so eine tolle Bühnenpräsenz“. Was sie gemacht hat, war total faszinierend für mich. Und Rrose auch. Die sind direkt nach Cio D'or aufgetreten, das war die perfekte Kombination.
In Deutschland bekommt oft Berlin die meiste Aufmerksamkeit. Wie steht die Musikszene in München im Vergleich dazu da?
Es gibt viele großartige Künstler aus München. Stimmt schon, oft liegt der Fokus nur auf Berlin, aber wir empfinden das durchaus als etwas unfair. Erst kürzlich habe ich mit einem Freund gesprochen, der hier in der Stadt einen Plattenladen hat. Und wir beide meinten: „Es ist ein bisschen schade, dass Resident Advisor so wenige Veranstaltungen in München featured, denn wir haben zum Beispiel den fantastischen Blitz Club, der ab und zu ziemlich abgefahrene Künstlerinnen und Künstler bucht. Ich habe dort meine Label Night. Wir haben hier auch Zirka Space, wo Radio 80000 drin ist. Die machen dort auch echt viele Partys und Konzerte. In München gibt es viele tolle Leute und wir unterstützen uns gegenseitig sehr. Es gibt hier ein starkes Gemeinschaftsgefühl, weil alles kleiner ist. Ich glaube, deshalb fühlt es sich insgesamt weniger nach Wettbewerb an. Alle ziehen nach Berlin, um DJ zu werden. Jeder, mit dem man in Berlin redet, ist DJ! Hier ist der Druck nicht so groß. Also ja, es gibt eine lebendige Szene in München. Ich fühle mich hier sehr wohl. Und für mich kommt es nicht in Frage, wegzuziehen.
Wie würdest du die Musik beschreiben, die du derzeit machst?
Meine Musik ist ziemlich verspielt. Es ist definitiv nicht einfach nur Techno. Ich mache auch Bass Music, Ambient, Drum & Bass – eine ganze Menge Dinge. Manchmal produziere ich sogar gerne ein bisschen schräge Popmusik. Ich versuche, mich nicht auf ein Genre festzulegen. Aber einige Charakteristika tauchen in meinen Stücken immer wieder auf. Zum Beispiel organische Texturen, freche oder sentimentale Harmonien und ein paar interessante Rhythmen, die nicht zu naheliegend, aber trotzdem groovy sind. Außerdem habe ich oft luftige Bass-Parts, je nachdem, an welchem Genre ich gerade arbeite.
Liegt der Fokus bei deinem Label auf der Veröffentlichung anderer Künstler oder ist es eher ein Zuhause für deine Arbeit?
IO ist eher ein Kollektiv. Es ist unsere Plattform, auf der wir uns als Freundeskreis ausdrücken. Die meisten von uns kennen sich seit der High School. Es geht da um tiefe, persönliche Verbindungen. Und wir erweitern unser Angebot, indem wir Audiosoftware entwickeln, da wir im Team über viel Fachwissen verfügen. Wir alle lieben es, uns gegenseitig zu inspirieren und in verschiedenen Bereichen zu experimentieren. Und das ist der Schwerpunkt von IO.
Mein anderes Label QEONE ist dagegen mein Soloprojekt. Für QEONE veröffentliche ich externe Künstler. Ich konzentriere mich dabei nicht auf große Namen. Ich mache mir da die Vorteile von digitalen Releases zunutze, weil man hierfür weniger investieren muss. Dadurch kann ich kleinere, aufstrebende Künstler fördern, die ich pushen möchte. Es macht mir total Spaß, neue Talente zu entdecken und aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform zu bieten, anstatt immer denselben bekannten Namen eine Bühne zu geben.
Und wie ist dein neuer Track „Neon Oracle“ entstanden, den du heute mit uns geteilt hast?
Ich habe in Brighton bei der Mine-Eventreihe von DNO Records gespielt, deren Schwerpunkt Dubstep ist. Der Gig hatte für mich durchaus Bedeutung, weil ich wie bereits erwähnt, durch UK Dubstep meinen ersten echten Kontakt mit elektronischer Musik hatte. Ich habe schon immer davon geträumt, die Art Dubstep zu spielen, die ich liebe, aber ihr meine eigene Note zu verpassen.
Normalerweise würde man bei Dubstep ein traditionelles Setup erwarten, bei dem man einen Track pro Deck abspielt. Dabei ist es fast passender, Vinyl zu spielen. Weil ich aber eine sehr digitale DJane bin, liebe ich es, Dubstep so zu layern, dass es sich fast so anfühlt, als würde ich Techno spielen. Nach dem Auftritt war ich mega inspiriert und euphorisch, weil es mein erster Dubstep-Gig war und das Soundsystem ihn unglaublich gemacht hat. Kurz danach kriegte ich Lust, einen Track zu machen, der diese Energie einfängt.
Ich habe mich bis dahin nie richtig mit Dubstep beschäftigt. Also dachte ich mir: warum der Sache nicht noch einmal eine Chance geben? Ich wollte neue Funktionen in Ableton Live 12.1 ausprobieren und experimentieren. Deshalb klingt dieser Track nicht wie Techno – er ist aus diesem euphorischen Erlebnis und dem Wunsch entstanden, einen anderen Sound zu erkunden.
Der Track hat ein so detailliertes Sounddesign – stand das schon immer im Zentrum deiner Arbeit?
Ich war früher mal Sounddesignerin. Ich habe mal für ein Unternehmen gearbeitet, das auf Sounddesign für Elektrofahrzeuge spezialisiert war. Wir haben dort eher einfache Infotainment-Sounds gemacht. Aber wir haben auch viel mit Max MSP zusammengearbeitet, um interaktive Synthesizer für Fahrzeuge zu entwickeln. Und da wurde es wirklich interessant. Einer meiner Kollegen hat einen interaktiven Ambient-Synthesizer entwickelt, der die Harmonien ändert, wenn das Auto beschleunigt. Das war echt cool!
„Ich halte meine Effektketten lieber einfach. Wenn sie zu lang werden, habe ich das Gefühl, den Fokus zu verlieren.“
Und du bist außerdem Teil des auf Sounddesign ausgerichteten Musikprojekts Lyder, richtig?
Genau, Lyder ist ein Trio. Wir haben einen starken Instrumental-Fokus. Den verdanken wir unserem Saxophonisten Moritz Stahl und meinem Partner mit dem Solo-Pseudonym FTP Doctor. Die beiden legen auch großen Wert auf Sounddesign. Ich habe viel von FTP Doctor gelernt. Er hat mir beigebracht, bei der Musikproduktion eine gewisse „Scheiß drauf“-Einstellung zu kultivieren, die wirklich wichtig war.
Wir haben uns neulich ein paar unserer Produktionen namens „Weird Beats“ angehört, bei denen ich auf recht unkonventionelle Weise Saxophon und eine chinesische Flöte spiele. Moritz hat so ein riesiges Pedalboard, um sein Saxophon durchzuschicken. So erzeugt er gewaltige Klanglandschaften. Es ist unglaublich, wie er sein Instrument allein mit diesen Effekten in etwas so Atmosphärisches verwandeln kann.
„Neon Oracle“ beginnt mit so einer wunderschönen, glockenähnlichen Melodie, bei der du Collision und Pitchloop89 in Live 12.1 benutzt. Magst du uns die zugehörige Gerätekette zeigen und erklären, wie du diesen Sound erzeugt hast?
Klar. Collision eignet sich hervorragend zum schnellen Erzeugen natürlich klingender Timbres. Obwohl ich häufig Operator verwende, habe ich mich bei diesem Projekt selbst gechallenged, etwas anderes auszuprobieren, um nicht zu einzurosten. Ich habe Collision genommen und Pitchloop89 hinzugefügt. Es handelt sich dabei ja nicht um ein typisches Delay. Sondern damit lässt sich der Pitch anpassen, wodurch neue Texturen erstellt und atmosphärische Qualität hinzugefügt wird, während der Originalton weiterhin vorhanden bleibt. Hier habe ich die Nass-/Trocken-Balance bei 57 %, wobei die Tonhöhe um eine Oktave nach unten verschoben ist, um ein tieferes Layer hinzuzufügen. Ich halte meine Effektketten lieber einfach. Wenn sie zu lang werden, habe ich das Gefühl, den Fokus zu verlieren.
Da, wo du das Roar-Device benutzt hast, gibt es einen schön verzerrten Kick-Sound mit einer kreativen Feedback-Automatisierung. Wie hast du das gemacht?
Das war das erste Projekt, bei dem ich Roar verwenden konnte. Früher habe ich die Amp-Anwendung von Ableton verwendet. Aber Roar ist auf einem anderen Niveau und bietet eine detailliertere Kontrolle über die Verzerrungseinstellungen. Das Feedback-Feature ist für einen Distortion-Effekt einzigartig und verleiht dem Klang eine unglaubliche Spannung. Ich habe damit experimentiert und beschlossen, das Feedback zu automatisieren, wodurch eine wellenartige Bewegung entstanden ist. Es war ein spielerischer Prozess und das Ergebnis hat mir sehr gut gefallen.
Die Automatisierung in deinem gesamten Projekt ist beeindruckend. Wie wählst du aus, welche Parameter automatisiert werden sollen?
Seit dem Beginn meiner Reise als Musikproduzentin habe ich mich stark auf die Automatisierung konzentriert, weil ich den Session-Modus von Ableton nur für Live-Sets verwende. Ich habe viel Zeit damit verbracht, zu lernen, wie man Automatisierungen manuell zeichnet. Und ich habe gemerkt, dass ich ein Live-Gefühl reproduzieren kann, indem ich die Automatisierung mit einer Maus aufzeichne, was eine menschlichere, weniger mechanische Qualität erzeugt. Ich wähle Parameter, die eine große Wirkung haben, wie etwa Hüllkurven in Operator. Bei Live-Sets ordne ich viele Makros Hüllkurven zu, um den Sound dynamisch zu halten.
Du erwähnst den Einsatz von Operator ziemlich oft. Was fasziniert dich insbesondere an diesem Synthesizer?
Nun, Operator ist ein wirklich einfacher, aber auch unglaublich vielseitiger Synthesizer. Er passt perfekt zu meiner Philosophie, mit einfachen Techniken komplexe Klänge zu erzeugen. Operator war der erste Synthesizer, den ich bedienen gelernt habe. Ich erinnere mich an die Zusammenarbeit mit meinem Freund Dyside, der mir viel beigebracht hat. Er hat mir gezeigt, wie man Operator verwendet und in nur einer Minute 20 verschiedene Synth-Presets erstellt. Ich war total verblüfft und habe beschlossen, dass ich das lernen muss. Denn obwohl es einfach ist, kann man damit eine so große Bandbreite an Klängen erzeugen, ohne dass der Synthesizer eine erkennbare „Operator“-Signatur hätte.
Aus genau diesem Grund stehe ich nicht so auf Hardware-Synthesizer – manche von ihnen haben einen sehr prägnanten Klang, dem man sich nur schwer entziehen kann. Bei Operator beginnt man mit Basic-Wellenformen und kann diese dann durch die Steuerung der Hüllkurven, dem Anpassen der Oszillatoren sowie der Optimierung von LFOs, Tonhöhenhüllkurven und des Timings in etwas völlig anderes verwandeln. Es gibt keinen typischen Operator-Sound. Deshalb verwende ich ihn für alles – von Kick-Drums und Hi-Hats bis hin zu schönen oder seltsamen Synth-Texturen. Er ist unglaublich vielseitig.
Dein Ansatz, mit einfachen Techniken komplexe Dinge zu schaffen, ist interessant. Könntest du einmal erläutern, was das für den Anwendungsfall bedeutet?
Klar! Damit meine ich, dass ich meine Geräteketten kurz halte und das Potenzial jeder Einheit maximiere. Anstatt mehrere Effekte zu stapeln und jeweils nur einen Knopf pro Stapel zu haben, nutze ich die Parameter innerhalb der einzelnen Effekte voll aus.
Selbst mit einfachen Elementen, wie Sinustönen, kann man komplexe Texturen erzeugen, wenn diese geschickt moduliert werden. Man braucht gar nicht mehrere Oszillatoren übereinander stapeln – schon einer kann mit einer gut konzipierten Hüllkurve und gegebenenfalls einem Delay-Effekt einen satten, organischen Klang erzeugen. Wenn man weiß, wofür die ganzen Parameter da sind, überrascht man ziemlich jeden mit der erreichten Komplexität. Man sollte eine solide Grundlage schaffen und verstehen, was man auf der Hand hat, bevor man mehr draufpackt.
Track 27 in deinem Projekt heißt „Arp“ und bringt echte Spannung. Kannst du uns ein bisschen was darüber erzählen, wie du sein MIDI-Pattern entwickelt hast?
Bei diesem Arpeggiator habe ich, wie es manchmal vorkommt, keine MIDI-Effekte verwendet. Oft habe ich eine konkrete Vorstellung davon, wie meine Arpeggios klingen sollen, also programmiere ich sie manuell. In diesem Fall habe ich ein Grundmuster erstellt, aber harmonische Spannung geschaffen, indem ich zwei der drei Noten verwendet habe, die in der Tonleiter nahe beieinander liegen. Das Intervall zwischen ihnen ist nur eine große Sekunde, was eine subtile Dissonanz einführt.
Für den Synthesizer-Sound habe ich Meld benutzt. Ich habe mit verschiedenen Wellenformen experimentiert und mich für eine noisy Form entschieden. Außerdem habe ich die Hüllkurven automatisiert, um Abwechslung zu schaffen. Insbesondere im zweiten Teil, wo der Ton eine Oktave tiefer geht und der B-Oszillator stärker zum Einsatz kommt. Der Klang beginnt rein und gewinnt dann an Intensität, wenn der zweite Oszillator mit der Automatisierung vermischt wird. Es ist ein einfacher Trick, aber er verändert den Verlauf des Songs. Und ja, Meld ist großartig für Live-Sets – sehr geringe Latenz, was perfekt ist.
Es scheint, als wäre das erwähnte Intervall die Geheimzutat des Arpeggios. Für dein Projekt hast du außerdem auch eine fortgeschrittenere Tonart gewählt, verglichen mit einer typischen Moll-Tonleiter, die oft für diese Art von Musik verwendet wird.
Ja, das ist die Phrygische Dominante. Ich liebe es, dass man in Ableton Live 12 fortgeschrittenere Tonleitern auswählen kann. Das macht vieles einfacher. Obwohl ich komplexe Tonleitern oft per Gehör erkenne, kann ich mit dieser Funktion genau den Charakter auswählen, den ich möchte. Alle Kirchen-Tonarten haben ihre besondere Qualität. Die phrygische ist beispielsweise intuitiver, aber die phrygisch-dominante bewegt sich auf einem völlig anderen Komplexitätslevel. Ich fand das interessant, also habe ich sie ausprobiert.
Wie würdest du die phrygisch-dominante Tonart jemandem beschreiben, der sie nicht kennt?
Im kirchlichen Tonleitersystem klingen zwei Tonleitern besonders ungewöhnlich: die lokrische und die phrygische. Die lokrische klingt beunruhigend, fast dissonant. Ich habe wirklich überlegt, ob ich für diesen Track die lokrische oder die phrygische verwenden soll. Die phrygische hat eine mystische Qualität, was in meiner Musik oft eine zentrale Rolle spielt. Das verleiht eine anziehende Atmosphäre. Jede dieser Tonarten hat ihre eigene Farbe und kann der Musik eine Menge Abwechslung verleihen.
Du hast in deinem Track auch die Auto-Shift-Anwendung „Vocal Chops“ aus Live 12.1 verwendet. Hast du die „Scale Awareness“-Funktion benutzt, um die Anwendung auf die Gesamtskala deines Projekts zu legen oder hast du sie nach Gehör angepasst?
Ich habe alles nach Gehör gemacht. Obwohl ich jetzt festgestellt habe, dass es bei Auto Shift einen Button gibt, mit dem man alles auf das gesamte Projekt syncen kann.
Normalerweise zeichne ich ein MIDI-Pattern von der verwendeten Tonleiter - in diesem Fall mit einem Flügel-Sound - und lasse es immer wieder abspielen. Auf diese Weise kann ich die Vocal-Aufnahme vergleichen und mit Auto Shift optimieren, damit sie zur Tonart passt. Ich bin so froh, dass Live diese Funktion jetzt hat.
Du hast den Drum-Sampler in Live 12.1 auf eine einzigartige Weise verwendet. So wie ich es sehe, hast du ein Xylophon gesampelt und so ein melodisches Element kreiert. Was hat dich dazu inspiriert?
Für diesen Part habe ich einen MIDI-Generator verwendet. Ich erinnere mich nicht an den genauen Generator, den ich benutzt habe. Aber es könnte etwas aus dem Bereich Polyrhythmus gewesen sein, zum Beispiel der euklidische Rhythmusgenerator.
Ich fand es superspannend, eine Melodie zu bauen und die Samplelänge in Drum Sampler zu modulieren, was vorher nicht möglich war. Dies verleiht dem Ganzen eine menschliche Note, ähnlich der Steuerung der Hüllkurve beim Pizzicato-Spiel einer Geige. Diese Idee habe ich auf das Xylophon-Element übertragen.
Das LFO-Device auf dieser Spur moduliert also die Notenlänge?
Ja, genau. Der schnelle Sinus-LFO erzeugt eine subtile Zufälligkeit in der Notendauer.
Auf dem Shifter-Device auf deiner Snare-Spur passiert auch etwas Interessantes. Was ist da los?
Wenn ich Drums übereinanderlege, passe ich manchmal gerne ihre Tonhöhe an, damit sie besser zum Gesamtklang passen. In diesem Fall habe ich Shifter tatsächlich automatisiert. Erst am Ende, während des Refrains, ändert sich die Automation, um die Snare rauszufaden. Ich benutze es auch, um den Pitch während der ersten Pause leicht anzupassen. Es hilft vor allem, etwas Abwechslung reinzubringen, sodass die Snare während des Breaks nicht immer gleich klingt und die ganze Sektion spannender wird.
Da gibt's auch einen tollen, knurrenden Bass von Wavetable – mit zwei Roar-Instanzen.
Vielen Dank! Wavetable ist einfach, aber leistungsstark und bringt einige tolle Wellenformen mit. Der Trick bei Wavetable besteht in der Automatisierung der Wellenposition. Ich habe beide Oszillatoren automatisiert und dann den Filter auf hohe Resonanz angepasst, um bestimmte Frequenzen hervorzuheben.
Die Synthese selber ist recht unkompliziert. Ich habe auch Parameter wie Warp und Fold automatisiert. Für den zweiten Oszillator habe ich mit Pulse Width und Sync gespielt. Wenn ich Operator in Ableton benutze, automatisiere ich gerne alles, was ich kann, weil jeder Oszillator einzigartige Modulationsmöglichkeiten bietet. In Wavetable variieren diese Parameter je nach Wellenkategorien und ihre Kombination erzeugt einen volleren Klang.
Zur Verzerrung habe ich zwei Instanzen von Roar benutzt. Viele Producer splitten Frequenzen auf und verarbeiten sie separat, aber beide Roar-Instanzen sind auf Multiband eingestellt. So wird der Klang im niedrigen, mittleren und hohen Bereich unterschiedlich behandelt und die Gesamtkomplexität erhöht.
Die mit Granulator III erstellten Glockentexturen fügen eine schöne organische Textur hinzu.
Oh ja, auf Spur 24. Das war noch ein Resampling-Experiment. Ich habe die Glockentextur, über die wir eben geredet haben, genommen und sie durch Granulator III laufen lassen. Ich liebe es, neu zu sampeln und Sounds dann noch weiter zu bearbeiten. In Granulator III habe ich Körnung, Position und Hülle angepasst, um eine besondere Textur zu bekommen. Sehr einfach, aber effektiv.
Und diese Fill-Melodien mit den Toms – wie bist du auf diese coolen Patterns gekommen?
Die meisten meiner Patterns sind mit der Maus programmiert. Normalerweise habe ich eine klare Vorstellung davon, was ich will. Daher passen Zufallsgeneratoren nicht unbedingt zu meinem Prozess. Ich habe für dieses Projekt Trap-Drums benutzt, weil ich den Beat-Programmierungsstil von Trap liebe. Die 808-Tom erzeugt auf einer großen PA ein druckvolles Gefühl, so als ob man sich auf die Brust haut. Wenn man sie behutsam neben der Kick platziert, aber nicht überlappend, bekommt der Track zusätzlichen Groove.
Wir müssen auch noch über die Flöte sprechen – sie ist ein wunderbares Element in dem Track. Erzählst du uns etwas zum Instrument und was dich dazu inspiriert hat, sie einzusetzen?
Klar. Ich hatte den Track zuerst ohne Flöte produziert, aber hatte dann das Gefühl, dass ein menschliches Element fehlt. Ich liebe es, einfach zum Spaß Instrumente aufzunehmen, auch wenn ich sie später lösche. In diesem Fall hat die Flöte aber perfekt gepasst. Das ist eine kleine traditionelle chinesische Flöte, die ich seit meiner Kindheit besitze. Ich habe sie geerbt. Sie hat einen unglaublichen Klang und erzeugt faszinierende Obertöne. Ich fand, dass sie die perfekte menschliche Note reinbringt, sozusagen als Sahnehäubchen.
Das war ein inspirierendes Gespräch, Lindsey, vielen Dank. Zum Abschluss: Wie sieht dein Jahr 2025 aus?
Das Jahr 2025 wird sehr spannend. Ich werde mein zweites Album veröffentlichen. Es ist ziemlich vielseitig. Es dringt in eine neue Sphäre vor, in der ich sowohl meine Stimme wie meine akustischen und elektronischen Instrumente einsetze. Außerdem spiele ich ein Live-Set beim Outlook Festival. Und zwar kein Techno-Set, also ist das auch aufregend!
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Text und Interview: Joseph Joyce
Fotos: Polygonia
Eine Version dieses Artikels ist auf XLR8R erschienen