- Techno – Posts mit dem Tag %(tag)s: Techno
- Vocals – Posts mit dem Tag %(tag)s: Vocals
- DJing – Posts mit dem Tag %(tag)s: DJing
- EQing – Posts mit dem Tag %(tag)s: EQing
- Sidechain – Posts mit dem Tag %(tag)s: Sidechain
- Hardcore – Posts mit dem Tag %(tag)s: Hardcore
- Berlin – Posts mit dem Tag %(tag)s: Berlin
- XLR8R – Posts mit dem Tag %(tag)s: XLR8R
- EQ Eight – Posts mit dem Tag %(tag)s: EQ Eight
Lade das Live-Set von DJ Gigolas neuem Track „Unfolding Practice II“ herunter
Hast du jemals darüber nachgedacht, welche Rolle Rhythmus für unsere Körper spielt? Rhythmus ist nicht nur für die Musik essentiell, er durchdringt auch unser ganzes Dasein – vom gleichmäßigen Puls unseres Herzschlags bis zum rhythmischen Fluss unseres Atems.
DJ Gigolas erstes Soloalbum, Fluid Meditations, ist tiefgehend von diesen Körperrhythmen inspiriert. Vor dem Hintergrund ihrer Ausbildung als Ärztin reflektiert ihre Arbeit über eine Welt, die aus dem Takt gerät, während sie uns gleichzeitig zum heilenden Potential von Musik, Meditation und Spiritualität zurückführt.
Als in Berlin aufgewachsene Teenagerin entdeckte Gigola – eigentlich heißt sie Paulina Schulz – ihre Leidenschaft fürs DJing. Als sie sich 2016 dem internationalen Kollektiv Live From Earth anschloss, fand sie ein Netzwerk von gleichgesinnten Künstler:innen, deren Unterstützung ihr dabei half, eine weltweite Musikkarriere aufzubauen. Nach einer Reihe erfolgreicher EPs in Kollaboration, darunter „No Es Amor“ mit Kev Koko und Perra Inmunda, hat sie ihre Fähigkeiten als Solokünstlerin akribisch verfeinert und bemerkenswerte Tracks wie „In The Mood“ und „Gigi Groove“ produziert.
In Zusammenarbeit mit XLR8R haben wir Schulz zu den konzeptionellen und technischen Ansätzen ihrer Arbeit interviewt. Für einen direkten Einblick in ihren kreativen Prozess hat sie sogar das Live-Set ihres Tracks „Unfolding Practice II“ geteilt.
Lade hier das Live-Set von DJ Gigolas neuem Track „Unfolding Practice II“ herunter*
*Erfordert eine Lizenz für Live 11 Suite oder die kostenlose Demoversion.
Hinweis: Das Live-Set und die enthaltenen Samples dienen nur zu Studienzwecken und dürfen nicht kommerziell eingesetzt werden.
Paulina, vielen Dank, dass du dir heute Zeit für uns genommen hast. Kannst du zunächst einmal beschreiben, wie deine Erfahrung als DJ dich dazu inspiriert hat, dich der Musikproduktion zuzuwenden?
Beim DJing war das Mischen der Übergänge immer der Aspekt, der sich am meisten wie das Schaffen von Musik anfühlte. Aber natürlich konnte ich die Übergänge nicht einfach aufnehmen und danach veröffentlichen. Außerdem war ich immer auf der Suche nach Tracks, die zu anderen, die ich spielen wollte, passten, konnte aber oft keine finden. Es war also der Mangel an Tracks, die ich für meine Sets brauchte, und die Inspiration vom Mixen, die mich dazu brachten, mich mit Musikproduktion zu beschäftigen.
Wie hast du dann damit begonnen, deine eigene Musik zu produzieren?
Ich traf Kev Koko. Er war früher bei der Technoband FJAAK und ist ein sehr erfahrener Produzent. Ich erzählte ihm, dass ich gerne produzieren möchte und dass ich viele verschiedene Ideen habe. Er sagte: „Warum kommst du nicht in mein Studio und wir machen einfach eine Session?“ So hat es im Prinzip angefangen. Er brachte mir die Grundlagen bei und ermutigte mich, eigene Lyrics zu schreiben. Er hat mir alles gezeigt, was ich über das Abmischen von Vocals wissen musste. Und er zeigte mir Ableton Live, verschiedene Plug-ins, das Schreiben von Melodien und alles, was sonst noch dazugehört. Nach drei gemeinsamen EPs und einem gemeinsamen Remix fühlte ich mich sicher genug, um mein erstes Soloprojekt „In the Mood“ zu machen, das ich 2022 veröffentlichte. Fluid Meditations folgte dann 2023.
Wie hast du dich auf die Veröffentlichung deines Solo-Projekts vorbereitet?
Bevor ich selbst Musik veröffentlichen konnte, musste ich wissen, was ich eigentlich tue. Egal, worum es geht, ich übe lieber lange an etwas, bevor ich es veröffentliche, weil ich dann stolz auf das sein kann, was ich gemacht habe. Bei mir persönlich ist es so, dass ich Selbstvertrauen gewinne, wenn ich mich kompetent fühle.
Du hast diese Kompetenz ziemlich schnell entwickelt. Hattest du vorher eine musikalische Ausbildung?
Ja, ich habe Klavier spielen gelernt, daher wusste ich schon einiges über Tonleiter und Melodien. Ich habe aber das Gefühl, dass ich immer noch in einem Lernprozess bin. Deswegen lasse ich meine Musik professionell mischen und mastern, damit der Sound optimal ist. Rhythmus fällt mir ziemlich leicht, weil ich früher auch Tänzerin war. Und im Medizinstudium haben wir ein bisschen was über Klangsynthese, Frequenzen und Dezibel gelernt – aber mehr aus neurologischer Sicht, wie Klang im Gehirn funktioniert.
Dein akademischer Hintergrund in der Medizin und dann der Wechsel zu einer Karriere im professionellen DJing muss beruflich eine ziemliche Veränderung gewesen sein.
Für mich beinhalten sowohl das DJing als auch der ärztliche Beruf etwas, was ich beruflich machen wollte, weil es bei beiden um den menschlichen Körper geht. Bei beiden geht es darum, den Menschen ein gutes Gefühl zu geben. Vor allem geht es bei beiden darum, den Menschen ein gutes Gefühl zu geben, die sich in einer verletzlichen Verfassung befinden. In der Medizin geht es zum Beispiel um die Verletzlichkeit von Menschen, die verletzt oder krank sind. Beim DJing geht es um Menschen, die beim Tanzen in einen Trancezustand geraten. Das kann auch ein sehr verletzlicher Zustand sein, mit dem man vorsichtig umgehen muss. Mir gefällt, dass ich in beiden Berufen eine Verbindung zu dieser Verletzlichkeit herstellen und Menschen dabei helfen kann, sich in einen bestimmten Seinszustand zu erheben. Als DJ kann man auf einer Tanzfläche heilend wirken, zumindest indem man Menschen eine gute Zeit beschert, die vielleicht dem Alltagsstress entfliehen wollen.
Glaubst du, dass dein medizinisches Wissen einen besonderen Einfluss auf deine Herangehensweise an die Musik hat?
Ich habe mein DJing immer sehr strikt von der Medizin getrennt, weil ich nur für die Musik DJ und Künstlerin werden wollte, nicht weil ich Ärztin bin. Ich möchte nicht gebucht werden, weil die Leute denken: „Oh, du bist so cool, du bist ein Doktor/DJ“. Darum geht es nicht. Ich habe Medizin studiert, weil ich die Medizin sehr liebe, und das tue ich immer noch. Ich habe ganz bewusst darauf geachtet, diese beiden Bereiche nicht zu vermischen. Aber offensichtlich interessieren sich die Leute für diesen Aspekt, wenn sie mich fragen: „Wie kannst du das sein, aber auch das?“. Also habe ich in Fluid Meditations versucht, meine eigene Sichtweise auszudrücken, die zweifellos von meinem medizinischen Hintergrund beeinflusst ist, und mir das erste Mal erlaubt, beides miteinander zu verbinden.
Kannst du einen bestimmten Auslöser in deiner Musikkarriere nennen, der dich dazu bewegt hat, dich voll und ganz auf diesen Weg einzulassen?
Nur für mich alleine hätte ich nie gesagt „Oh, ich werde DJ“, ich habe immer nur nebenbei aufgelegt. Aber 2016 hab ich die Leute von Live from Earth kennengelernt und habe dort eine Gemeinschaft gefunden, die mich ermutigt hat, mehr zu tun. Sie gaben mir eine Plattform, um auf Partys zu spielen, was zu dieser Zeit sehr schwierig war, besonders als Frau. Die Begegnung mit meinem Kollektiv war der größte Katalysator und ist auch nach sieben Jahren noch der größte Katalysator für meine Musikkarriere. Wir sind zusammen gewachsen. Alle helfen einander. Ich liebe die Gemeinschaft, die wir geschaffen haben, und die Arbeit, die wir geleistet haben. Ich glaube nicht, dass es DJ Gigola ohne Live from Earth geben würde.
Werfen wir einen Blick auf das Live-Set, das du mit uns geteilt hast. Was ist die Geschichte hinter dem Titel „Unfolding Practice II“?
Das Stück heißt „Unfolding Practice II“, weil es die Idee verkörpert, uns physisch und mental zu öffnen, um uns mit der größeren, spirituellen Quelle zu verbinden, die alles im Universum verbindet und vereint. Für mich ist es eine Referenz auf philosophische Praktiken, auf die buddhistische Praxis und Meditation, wo die Idee der Spiritualität oft einfach die Idee der Verbindung ist. Es ist ein Übergangszustand, in dem man die Grenzen dessen öffnet, was man als sich selbst wahrnimmt, um das hereinzulassen, was einen verbindet.
Siehst du eine Überschneidung zwischen Musik und Meditation?
Ich habe das Thema oder den Bereich der Meditation genutzt, um auf eine Welt zu reagieren, die meiner Meinung nach immer schneller wird. Eine Welt, in der man die Verbindung zum Jetzt verliert. Ich praktiziere Yoga, wo der Atem alles synchronisiert. Er gibt den Rhythmus vor. Darauf folgen Asanas, das sind Körperbewegungen, die in einer kollektiven Bewegung ausgeführt werden. In einem Club ist es für mich dasselbe. Die Musik gibt den Rhythmus für alle vor. Alle erleben denselben Rhythmus und bewegen sich in einer kollektiven Erfahrung dazu. Es gibt eine Ähnlichkeit zwischen dem Frieden, den man in der Meditation findet, und den Erfahrungen, die man auf der Tanzfläche haben kann. Ich liebe es, damit zu spielen. Hier sehe ich eine Parallele zwischen Musik und Meditation.
Gibt es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen „Unfolding Practice II“ und deinem Album „Fluid Meditations“?
Ja, es gibt eine Ambient-Version des Stücks auf dem Album. Ich habe das Album zum ersten Mal im Berghain als Live-Show vorgestellt. Damals hatte ich mir das Bein gebrochen, ich fühlte mich sehr verletzt und die Ambient-Version sprach mich in dem Moment mehr an als diese Version. „Unfolding Practice II“ sollte eigentlich die Originalversion sein. Jetzt, ein Jahr nach der Verletzung, habe ich sie als zusätzlichen Track auf die Vinyl-Veröffentlichung des Albums mitaufgenommen. Es ist ein bisschen so, als würde sich ein Kreis schließen, wobei ich mich wieder mit mir als meinem gesunden Ich verbinde.
Was symbolisiert das Atmen, das man im Intro des Songs hört?
Nicht jede Kultur empfindet ein Lied in Moll oder Dur als negativ oder positiv, traurig oder energetisch. Die Wahrnehmung von Rhythmus und Tempo ist allerdings bei Menschen aus verschiedenen Kulturen ähnlich. Deshalb habe ich mich mehr auf den Rhythmus konzentriert. Ich denke, der Atem ist die verkörperte Form des Rhythmus. Er ist sozusagen der offensichtlichste Rhythmus, den wir haben. Der ganze Körper arbeitet im Rhythmus. Mich fasziniert das. Dein Herz schlägt in einem bestimmten Rhythmus, deine Hormone und deine Atmung sind in einem bestimmten Rhythmus. Durch den Rhythmus deines Atems kannst du die Funktionsweise deines Körpers beeinflussen.
Es gibt die weit verbreitete Vorstellung, dass der Rhythmus des Körpers mit dem Herzschlag beginnt. Sagst du, dass das Herz dem Rhythmus des Atems folgen könnte?
Meistens nehmen wir das Herz als den Taktgeber wahr. Aber in der Medizin sprechen wir von der Atemfrequenz, es gibt also auch dort einen Rhythmus. Und im Yoga gibt es unterschiedliche Atemtechniken, die man nutzen kann, um in einen anderen Seinszustand zu gelangen. Aber im Allgemeinen geht es im ganzen Körper um Rhythmus. Lustigerweise geht es in meiner Doktorarbeit um Autoimmunerkrankungen des Gehirns, wie zum Beispiel Epilepsie. Epilepsie ist eine Krankheit, bei der das Gehirn aus dem Rhythmus gerät. Alles im Körper ist sehr orchestriert. In dem Moment, in dem sich etwas in dieser orchestrierten Weise ändert, gerät der Körper aus dem Rhythmus. Es können Hormone oder Neuronen, Neurotransmitter, die Atmung oder der Herzschlag sein. Sich den Körper als rhythmische Einheit vorzustellen, ist eine wunderbare Art, sich mit ihm zu verbinden. Ich liebe es, dass die Musik das aufgreift. Das ist wahrscheinlich auch ein Punkt, an dem sich Musik und Medizin treffen.
Und du hast auch einen Herzschlag in den Track integriert.
Ja, beim Herzschlag ist es das Gleiche wie beim Atem, wo ich die rhythmische Percussion der ursprünglichen Körperpercussion gegenüberstellen wollte.
Wofür stehen die gesprochenen Worte in dem Track?
Ich wiederhole ein Mantra, das geht: „I reconnect, my mind, my body, my soul, myself“. Im Sinne dieser meditativen Tradition geht es darum, für einen Übergangsraum offen zu sein, um sich mit der größeren Quelle zu verbinden.
Bei Takt 31 gibt es eine kurze Pause, bevor eine kraftvolle Kick-Drum übernimmt. Kannst du erzählen, warum du dich dafür entschieden hast?
Der Track hat generell viele Hardcore-Elemente aus den 90ern, die sehr tempogetrieben sind. Es ist sehr anstrengend, wenn man dazu tanzt. Ich erinnere mich an meine erste Gabber-Party, ich war danach so erschöpft. Da wurde mir klar, dass es tatsächlich Sinn macht, dass es in dem Genre so epische Breaks gibt, weil die Tanzenden so kurz Luft holen und Energie tanken können, bevor es wieder losgeht. Ich habe also diesen Moment des Einatmens und Ausatmens eingebaut, um kurz auszuruhen, bevor diese sehr intensive High-Tempo-Kick kommt.
Kannst du erklären, wie du die Kick-Drum bearbeitet hast?
Ich habe das Gefühl, dass das Hinzufügen von Wärme Drums organischer wirken lässt. Das nimmt wieder Bezug auf meditative Praktiken und die sehr organischen Rhythmen, die ich auf dem ganzen Album verwende. Ich habe der Kick mit der Damp-Funktion von Drum Buss eine warme Farbe gegeben. Bei der Drive-Funktion geht es eher darum, eine kleine Verzerrung hinzuzufügen, die mehr in die Hardcore-Richtung geht. Ich wollte aber keine zu stark verzerrte Kick haben, weil ich es einfach halten wollte. Ich habe aber noch die Boom-Funktion benutzt, mit der man den Bassbereich verstärken kann. Das passte super für diese Kick, weil ich keine Bassline in dem Song habe und es eine gute Möglichkeit war, dem Mix etwas mehr Tiefe zu verleihen.
Du hast das 909 Core Kit aus Lives Drum-Library verwendet. Kannst du uns etwas über deine Bearbeitungstechniken, wie Kompression und EQ, erzählen?
Es ist alles sehr ähnlich. Der Saturator gibt Wärme. Der EQ schneidet die tiefen Frequenzen ab, weil ich sie im 909 Kit nicht brauche. Dann gibt es noch einen Kompressor, mit dem ich das Signal komprimiere. Außerdem habe ich ihn per Sidechain mit der Kick verbunden, weil das für den Gesamtmix besser ist und die Kick so nicht von meinem 909 Kit überlagert wird. Da einige laute Resonanzen durchkommen, verwende ich gerne einen subtraktiven EQ. Beim EQ Eight ist der Audition-Modus sehr hilfreich, weil man damit Filter solo abhören und den gesamten Frequenzbereich nach Resonanzen durchsuchen kann, die man nicht mag, und sie leiser machen kann.
Bei Takt 97 hast du einen Übergangseffekt mit einer flanged Hi-Hat erzeugt. Wie hast du den gemacht?
Das ist ein wirklich gutes Beispiel für einen glücklichen Zufall. Ich habe einfach die 909 Core Kit-Spur dupliziert, aber mit einer anderen Plug-in-Kette. Aufgrund der unterschiedlichen Verarbeitung gab es eine leichte Verschiebung in der Art und Weise, wie die Hi-Hats gespielt werden, und durch diese Verschiebung entstand der Flanging-Effekt. Ich fand ihn so schön, dass ich ihn behalten habe. Manchmal entstehen die besten Teile eines Stücks, wenn man ein rhythmisches Pattern ändert oder einfach nur etwas kopiert. Es ist dasselbe, wie wenn man Grooves benutzt oder Noten ganz leicht nach links oder rechts verschiebt.
Ist in dem Track alles auf das Raster quantisiert? Experimentierst du manchmal mit Grooves?
Manchmal experimentiere ich mit Grooves, ja, aber dieser Track ist auf dem Raster, weil er sehr drum-intensiv sein soll. Er soll nicht in die Hüften gehen, weißt du? Es ging mehr darum, dieses Gefühl der Dringlichkeit zu erzeugen, damit er die Tanzfläche füllt.
Aber manchmal ja. Im Moment arbeite ich an einem Projekt, bei dem ich drei Bassline-Ebenen habe und jede Ebene ein wenig verändere. Das gibt dem Track einen gewissen Bounce.
Manchmal, wenn mir der Rhythmus eines Drum-Loop-Samples gefällt, schaue ich, wo die Schläge gespielt werden, damit ich meine MIDI-Noten an dieselbe Stelle setzen kann. So kann ich den Rhythmus des Samples nachahmen, bin aber nicht an das Sample gebunden. Ich kann meinen MIDI-Part auf jeden beliebigen Synthesizer legen.
Nutzt du für diese Technik die Funktion Groove extrahieren in Live?
Nein, ich mache es gerne von Hand, weil ich so Grooves lernen und sie schneller selbst nachbauen kann. Ich verstehe dadurch, wie ich bestimmte Dinge machen kann, eine Psytrance-Bassline zum Beispiel.
Hat der Woodblock, der in Takt 49 einsetzt, irgendeine konzeptionelle Bedeutung?
Der Woodblock ist ein bisschen wie ein Metronom oder eine Uhr. Er ist ein Element, das auf die Kontinuität und Ewigkeit der Zeit verweist, die in der Meditation eine wichtige Rolle spielt. Wenn du dir die Automation ansiehst, gibt es ein Panning des Woodblocks nach links und rechts. Durch diese kleinen Änderungen bekommt er eine dreidimensionale Wirkung.
Wie hast du den arpeggierten Chor-Synth erzeugt, der bei Takt 65 einsetzt?
Er ist aus einem Sample-Pack. Ich habe das Originalsample bearbeitet und Teile davon transponiert. Ich mag es nicht, Samples direkt aus Packs zu verwenden, weil dann andere Leute das gleiche Sample benutzen, was ich ziemlich nervig finde. Also versuche ich, bestimmte Teile zu extrahieren, bestimmte Teile zu transponieren und neu zu arrangieren. Außerdem habe ich auch ein bisschen Delay daraufgelegt. Er hat einen Low-Cut-EQ und ich habe ihn per Sidechain mit der Kick verbunden.
Wenn du davon sprichst, die Tonhöhe zu ändern oder die Samples neu anzuordnen, bearbeitest du die Audioclips dann direkt in Live oder nutzt du dafür Sampler?
Manchmal konvertiere ich Audio nach MIDI, was ziemlich cool ist. Manchmal arbeite ich einfach mit den Audioclips, schneide sie in Teile und verändere die Tonhöhen. Idealerweise verwendet man für Melodien keine Samples. Das Problem mit Samples ist nämlich, dass es sehr schwierig sein kann, im Nachhinein etwas zu ändern. Ich verwende gerne ein Sample, wenn es einem Song eine gewisse Atmosphäre verleiht, aber wenn es etwas ist, das ich innerhalb des Songs weiterentwickeln möchte, schreibe ich es selbst. Es gibt wunderschöne Möglichkeiten, Melodien zu schreiben. Aber es braucht Zeit, eine schöne Melodie zu schreiben, und normalerweise beginne ich ein Stück damit. Dann versuche ich, verschiedene Ebenen der Melodie zu entwickeln und verschiedene Synthesizer zu finden, die zueinander passen. So ist es einfacher, falls ich später etwas daran ändern möchte. Ich kann sie auch in anderen Tracks wiederverwenden und sie bei Bedarf ein wenig umschreiben. Das gibt mir einfach mehr Freiheit im Ausdruck des Stücks und im Arrangement.
Kannst du die Effekte erklären, die du auf deinen drei Return-Spuren verwendet hast?
Return-Spur A ist so etwas wie ein Haupt-Reverb. Ich habe diesen Reverb auf dem Album häufig verwendet, weil er dem Klang eine bestimmte Räumlichkeit verlieh. Der Low-Cut-EQ ist dort zur Sicherheit, damit der Reverb keine unerwünschten tiefen Frequenzen hinzufügt.
Auf Return-Spur B ist der Reverb für die Vocals. Hier habe ich Hybrid Reverb verwendet, weil man damit verschiedene Räume oder verschiedene Reverbs mischen kann. Darauf lege ich einen Kompressor und verbinde ihn per Sidechain mit den Originalvocals, weil der Effekt auf der Return-Spur sonst die Vocals selbst überlagern würde. So verschwindet der Reverb, wenn das Vocal spielt, und kommt danach wieder zurück. Auf diese Weise bleibt der Gesang immer klar. Das ist wirklich hilfreich.
Das Gleiche habe ich bei Return-Spur C gemacht. Das Echo dort habe ich per Sidechain mit den Vocals verbunden, sodass die Klarheit der Originalvocals erhalten bleibt.
Das ist eine interessante Technik. Das Hinzufügen von räumlichen Effekten kann manchmal dazu führen, dass der Mix vermatscht. Hilft diese Technik auch dabei, dieses Problem zu verringern?
Genau das. Apropos matschiger Mix: Wenn man sich die Effekte auf der Master-Spur anschaut, ist da zuerst ein Auto Filter, mit dem ich einen bestimmten Teil der Chormelodie herausfiltere. Dann ein Kompressor, der wiederum für etwas Wärme sorgt. Dann kommt ein subtraktiver EQ, wie ich ihn auch beim 909 Core Kit verwendet habe. Auch hier ging es darum, mit dem Audition-Modus des EQ Eight die Resonanzen zu finden, die ich nicht mochte, und sie zu dämpfen. Dann kommt der zweite EQ Eight, mit dem ich meine Vocals, die im Frequenzspektrum bei etwa 1 kHz liegen, etwas anhebe. Das stärkt ihren Klang, außerdem ist es bei Musik, die eine so starke Kick hat, immer gut, die Höhen etwas anzuheben. Utilty stellt im Prinzip nur sicher, dass der Bass Mono ist. Zusätzlich habe ich noch einen Color Limiter draufgelegt.
Utility ist bei dir auf den Mid/Side-Modus eingestellt und verstärkt das Stereosignal leicht. Warum hast du das gemacht?
Das ist für die Räumlichkeit. Es hebt das Stereosignal hervor und dient dem Mix. Es ist einfach etwas, das ich gelernt habe und das in der Regel besser klingt, wie ich finde.
Paulina, vielen Dank, dass du so interessante Konzepte und Tipps mit uns teilst. Gibt es für 2024 irgendwelche aufregenden Pläne, von denen du uns erzählen möchtest?
Nach der Veröffentlichung des Albums habe ich mir eine Auszeit von der Musikproduktion genommen. Es war eine sehr intensive Zeit, auch wegen der Verletzung, und ich brauchte etwas Freiraum. Inzwischen hab ich aber wieder angefangen und arbeite derzeit an neuer, cluborientierter Musik, was mir Spaß macht. Für mich war es einfacher, damit wieder einzusteigen, weil Clubmusik weniger konzeptionell ist. Ich arbeite aber auch an einer größeren EP für nächstes Jahr, die mehr in die konzeptionelle Richtung geht und wahrscheinlich anders wird, als die meisten es erwarten würden. Und ich genieße es einfach, die kreative Reise, meine Persönlichkeit als Künstlerin und meinen Sound für 2024 zu erkunden.
Folge DJ Gigola auf Instagram, Bandcamp und SoundCloud.
Text und Interview von Joseph Joyce
Fotos: Charlotte Ernst