Holen Sie sich ein Live-Set von Rob Garza (Thievery Corporation/GARZA)
Wer auf Downtempo-Electronica, Dub und Trip-Hop steht, kennt die Produktionen von Rob Garza. Der Musiker aus Washington D.C. wurde als Mitglied von Thievery Corporation bekannt. 1995 gegründet, zählt das Duo heute zu den progressivsten, politisch engagiertesten und gefeiertsten Formationen der USA. Über 25 Jahre haben Garza und sein musikalischer Partner Eric Hilton eine umfangreiche Diskographie aufgebaut – mit mehreren Grammy-nominierten Alben, zahlreichen Remixen und EPs, die größtenteils auf ihrem eigenen Label Eighteenth Street Lounge Music erschienen sind.
Hinter Garzas neuem Projekt GARZA steht hingegen ein vielfältiges Kollektiv von Musikschaffenden, Produzent:innen, Video- und bildenden Künstler:innen. Das Ergebnis dieses mehrdimensionalen Schaffens ist eine Ästhetik, die sich von Garzas bisheriger Arbeit unterscheidet. Bei GARZA trifft esoterische Electronica auf eine Pop-Sensibilität, die deutliche Verbindungen zur elektronischen Musik der 1980er Jahre und zum Synth-Pop aufweist. GARZAs erste EP „Where the Moon Hides“ erschien im November 2019, mit Vocals von Seann Bowe und Emeline.
„Floating Through My Bones“ ist ein Song auf dieser EP – und im Rahmen der aktuellen XLR8R+ Ausgabe erscheint ein exklusiver Remix davon. Aus diesem Anlass haben wir mit Garza über seine Produktionsmethoden und die Inspiration dahinter gesprochen – freundlicherweise stellt Garza auch ein Ableton-Live-Set zur Verfügung, damit Sie genau nachvollziehen können, wie er den Remix produziert hat.
Holen Sie sich das Live-Set von GARZAs Remix „Floating Inside My Bones“ (Floating Breaks) hier*.
*Erfordert Live 10 Suite oder die kostenlose Testversion.
Hinweis: Das Live-Set und die enthaltenen Samples dienen nur zu Bildungszwecken und dürfen nicht zu kommerziellen Zwecken verwendet werden.
Rob, vielen Dank, dass du uns etwas über dein Projekt erzählst. Wie ist der besagte Track entstanden?
Das ist mein Remix eines Songs auf der ersten GARZA-EP, den ich mit dem fantastischen Singer/Songwriter Seann Bowe aufgenommen habe. Der Remix sollte oldschoolig sein – mit Downtempo- und Breaks-Elementen, satten Pad-Sounds und so weiter.
Bei diesem Projekt arbeitest du ausschließlich in Lives Arrangement-Ansicht. Nutzt du manchmal eigentlich auch die Session-Ansicht?
Manchmal nutze ich beide Ansichten, je nachdem. Wenn ich im Flugzeug sitze, arbeite ich gerne in der Session-Ansicht. Aber ich merke oft, dass ich in der Arrangement-Ansicht einen ganz bestimmten Workflow nutzen kann, und deswegen tendiere ich eher dazu.
In der ersten Spur deines Live-Sets befindet sich eine Drum-Gruppe. Wenn wir die Gruppe öffnen, sehen wir einen Break-Drum-Loop, einen Shaker, Percussion-Hits und Snaps. War der Haupt-Drumbreak ein Sample, oder hast du ihn selbst aufgenommen?
Dafür habe ich ein Abbey Road-Kit von Native Instruments' Maschine verwendet. Ich habe zuerst mit verschiedenen Sounds und Rhythmen gearbeitet, und dann noch eigene Sounds hinzugefügt. Anschließend habe ich das als Audio gerendert und noch Shaker hinzugefügt, um dem Ganzen mehr Bewegung zu geben. Der Shaker in dieser Spur stammt vermutlich von einer alten Sample-CD aus den 1990er Jahren. Man hört ihn wahrscheinlich auf vielen Platten, die ich entweder alleine oder zusammen mit meinem Partner Eric [Hilton] als Thievery Corporation produziert habe.
Manche Percussion-Hits werden durch ein Effekt-Rack mit einem 1970er-Keyboard-Delay geschickt, in dem sich die Live-Effekte Delay und Frequency Shifter befinden. Dieses Rack kommt auch in anderen Teilen des Songs zu Einsatz – ein Favorit von dir?
Ja, ich mag den Effekt dieses Racks wirklich gerne – mit diesem üppigen Delay lassen sich viele Elemente zusammenschweißen.
Suchst du nach einem ganz bestimmten Sound, wenn du die Delay- und Frequency-Shifter-Parameter veränderst?
Ich spiele gerne mit den Reglern herum, bis es gut klingt – und dann ist es auch gut. Dabei folge ich der Philosophie des Jazzmusikers Duke Ellington. Es geht mir nicht darum, „Atome zu spalten“ – das bremst meine Kreativät eher aus.
An manchen Stellen im Arrangement sind Snaps zu hören. Welche Funktion haben sie?
Das bringt in der Drum-Spur den Zufall ins Spiel und mischt alles ein wenig durch, damit es nicht zu repetitiv klingt. Sowas mache ich oft ohne langes Nachdenken, sondern eher intuitiv.
In Spur 6 kommt Lives Instrument-Rack „Hip-Hop Bass“ zum Einsatz. Darin befindet sich Operator – ein Synth, der klassische analoge Sounds und FM-Modulation kombiniert. Dann durchläuft das Signal Lives EQ, Multiband Dynamics und Saturator. Was hat dich zu dieser Bassline inspiriert?
Dub trifft auf Downtempo, ein „Café del Mar“-artiger Sound, der für die nötige Erdung sorgt. Der Track ist ziemlich spacig – mit viel Delay und solchen Sachen. Deswegen wollte ich einen Bass, der tief ist, aber auch chillig. Auf diesen Bass-Sound trifft beides zu.
In den Spuren 7 und 8 kommen ab Takt 38 ein paar Chord-Stabs. Wie hast du diese Sounds gemacht?
Ich mag das Konzept des Zufalls – manchmal scrolle ich im Browser einfach durch die verschiedenen Sounds und spiele alle möglichen Akkorde, bis ich etwas interessantes finde. Ich habe kein Problem damit, Presets zu nutzen, aber ich verändere sie dann mit Effekten. Auf vielen Platten von Thievery Corporation steckte ein Standard-Preset von einem Yamaha-Klangerzeuger oder Ähnliches hinter dem Bass. Für sich genommen mögen Presets generisch klingen, aber wenn man sie durch andere Dinge erweitert, passt es dann – finde ich.
Die Synth-Melodie in Spur 9 hast du mit dem Instrument-Rack „Canadian Boards“ von Live 10 Suite gemacht. Das Rack enthält Analog – ein Instrument, der die Schaltkreise von Vintage-Synths nachbildet. Das Signal durchläuft dann mehrere Live-Effekte: EQ 8, Redux, Chorus und Phaser. Die Klangfarbe der Melodie passt sehr gut in den Mix. Wie hast du das gemacht?
Ich habe ein Gespür für die Sounds, die ich gerne hätte. In diesem Fall habe ich Lives „Synth Keys“-Auswahl durchstöbert. Weil ich diesen Sound schon mal verwendet habe, dachte ich, dass er vielleicht auch hier passen könnte. Die Melodie selbst ist ganz spontan entstanden – wenn ich mir die Musik immer wieder anhöre, komme ich irgendwann ganz automatisch auf diese kleinen Ideen.
Entwickelst du diese Ideen lieber mit Tasten oder mit anderen Instrumenten, zum Beispiel mit einer Gitarre?
Gitarre, Bass, Keyboards – von allem ein bisschen. Aber ich versuche, mich dabei nicht einzuschränken. Bei elektronischer Musik ist die einzige Grenze die eigene Vorstellungskraft. Wenn du dir etwas vorstellen kannst, dann kannst du es auch verwirklichen. Bei meiner Musik geht es oft darum, mehrere Elemente übereinanderzuschichten. Bei diesem Track wollte ich mich nicht mit 30 Synth-Layern herumschlagen, aber bei anderen Projekten neige ich dazu...
Du nutzt oft eine „Call and Response“-Technik, bei der mehrere Sounds gegeneinander abgespielt werden. In Spur 10 und 11 sind es zwei Orgeln mit ähnlichen, aber kontrastierenden Klangfarben. Wie findest du Sounds, die so gut zusammenpassen?
Den ersten Orgel-Sound habe ich mit u-hes Synthesizer Diva gemacht. Dann fand ich in Live das Vibrato-Instrument-Rack Organ5. Ich wollte diesen ätherischen Sound entwickeln, der dann in Kombination mit Pad-Sounds sehr satt klingt. Bei der Suche nach Sounds, die miteinander harmonieren, sollte man sich einfach auf das Gehör verlassen.
In Spur 12 sind breite Pad-Sounds, die im Mix herausstechen. Wie bist du bei diesem Sound vorgegangen?
Das habe ich mit dem Software-Synth Arturia Jupiter 8V gemacht. Bei diesem Mix wollte ich etwas machen, das an die Anfangszeit von Thievery Corporation erinnert. Damals haben mich Kunstschaffende wie Kruder & Dorfmeister, Fila Brazilia und andere inspiriert. Diese Art von Atmosphäre wollte ich erreichen, und die Pad-Sounds machen diese Zeit wieder lebendig, wie ich finde.
In Spur 13 taucht bei Takt 33 eine gezupfte Gitarrenmelodie auf. Du hast dafür das Instrument-Rack „Guitar Palm Legacy“ in Live 10 Suite genutzt, das zwei Tension-Instrumente – Lives Physical-Modelling-Synth für Saiteninstrumente – und mehrere Audio-Effekte enthält. Zusätzlich hast du den Sound mit dem Max-for-Live-Effekt Outer Spaces bearbeitet und das Effekt-Signal in Spur 14 aufgenommen. Warum?
Ich mag diesen Effekt – er bietet eine andere Qualität von Hall und Raum und gibt den vorhandenen Sounds eine fantastische Atmosphäre. Ein Lieblings-Effekt von mir.
In Spur 15 ist ein Sound namens „Sweep Audio“. Was hat es damit auf sich?
Als ich diesen Sound gemacht habe, saß ich hinten in unserem kleinen Tourbus. Der Sound ist mit Arturias Soft-Synth Modular V gemacht.
Also hast du auch unterwegs an diesem Remix gearbeitet?
Ja – auf dem Rücksitz eines Vans und mit Kopfhörern! Ich mache auch gerne Musik im Flugzeug und im Zug, besonders wenn ich in Europa unterwegs bin. Ich finde es inspirierend, Dinge vorbeiziehen zu sehen und die Bewegung zu spüren. Vor allem im Flugzeug – das ist einer der Orte, an denen ich nicht gestört werde oder abgelenkt bin. Die Zeit vergeht dort so schnell, es ist fast meditativ. Ich werde total eins mit dem Musikmachen und werde da erst herausgeholt, wenn mich jemand antippt und sagt, dass ich meinen Sitz für die Landung hochklappen soll!
In Spur 18 ist eine Gruppe mit Vocal-Spuren, die durch verschiedene Effekte bearbeitet werden. Von wem sind die Vocals?
Das sind die Vocals des Original-Songs auf der EP, gesungen von Seann Bowe. Ich habe die inspirierendsten Teile des Refrains genommen und ihnen Dub-Vibes verpasst. Da geht es hauptsächlich darum, die Sounds in Delay zu baden. Außerdem habe ich die Backing-Vocals mit Beat Repeat bearbeitet. Das ergibt diesen stotternden Tremolo-Effekt, der in Kombination mit den verwaschenen Delays und Reverbs einen spannenden Gegensatz erzeugt.
In der Master-Spur hast du am Anfang des Tracks ein Bandpass-Filter eingesetzt – eine Automation der Frequenz von Lives EQ8. Am Ende hast du dann Bassfrequenzen ins Spiel gebracht und Glue Compressor und ein bisschen Limiting angewendet. Finalisierst du deine Tracks normalerweise in Live, bevor du sie zum Mastering schickst? Oder bleibt die Master-Spur bei dir unbearbeitet?
Ich nutze die Effekte in der Master-Spur als Referenz, um ungefähr festzulegen, wie das Master am Ende klingen soll. Dann entferne ich die Effekte, damit der Mastering-Engineer für seine Arbeit genug Bandbreite und Headroom hat.
Wie geht es mit GARZA weiter? Welche Bereiche willst du erkunden, die du mit Thievery Corporation noch nicht erkundet hast?
Ich mache seit 25 Jahren Musik mit Thievery Corporation und das Projekt geht immer noch voran. Im April wird unser Album „Symphonik“ erscheinen, das wir mit einem Orchester aus Prag aufgenommen haben. Die nächste GARZA-EP kommt dann im Mai raus.
Bei GARZA dreht sich alles um meine Liebe zur elektronischen Musik der 1980er Jahre und zum Indie-Synth-Pop – darauf baut die neue EP auf. GARZA ist eine sehr kollaborative Erfahrung – ich arbeite mit vielen jungen Produzent:innen, Sänger:innen und Songwritern zusammen. Bei manchen Tracks gibt es bis zu fünf Songwriter – im Gegensatz zu Thievery Corporation, wo ich die Songs zusammen mit Eric und dem Sänger oder der Sängerin komponiert habe. Das GARZA-Projekt hat einen Hauch von dem, was ich als Pop bezeichnen würde – diese jugendliche Lebendigkeit. Bei Thievery Corporation kann es manchmal sehr politisch werden, was ich genauso gut finde. Aber GARZA geht einfach in eine andere Richtung. Die Musik ist elektronischer und von den Held:innen meiner Kindheit inspiriert, zum Beispiel Blondie und The Cars.
Hier können Sie sich GARZAs „Floating Inside My Bones“ (Floating Breaks Mix) via XLR8R+ herunterladen. XLR8R+ ist ein Aboservice und eine Musik-Community, die jeden Monat exklusive Musik und Inhalte liefert.
Eine Version dieses Artikels ist auf XLR8R+ erschienen.