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Dub-Chords in Ableton Live – mit El Choop/Pizza Hotline
Seit den frühen 1990er Jahren gibt es eine Klangsignatur, die sich in die Identität der elektronischen Musik aus Europa und Übersee geradezu eingebrannt hat: die zeitlose und unerschütterliche Kombination aus kantigen Akkorden, staubigen Texturen und ätherischen Stimmungen. Visionäre Künstler wie Moritz von Oswald, Mark Ernestus und Deepchord haben diesen Sound hervorgebracht – eine Fusion aus Dub Reggae und Techno, allgemein bekannt als Dub Techno.
„Als ich die Worte Dub und Techno damals zum ersten Mal zusammen gelesen habe, war mein Interesse sofort geweckt“, erzählt der in London lebende Künstler Harvey Jones alias El Choop und Pizza Hotline. „Der einzigartige Klang dieser gefilterten Chords zog mich einfach in den Bann. Sowas hatte ich noch nie gehört.“
In den letzten zehn Jahren war Jones einer der Newcomer, die dem Genre neues Leben einhauchten und es mit Leidenschaft erfüllten. Seine markanten Veröffentlichungen sind eine 1990er-Hommage mit modernem Twist – eine Kombination, mit der Jones' Musik gegenüber ähnlichen Klangentwürfen heraussticht. Bereits in seinen Zwanzigern hatte er eine stolze Sammlung mit Platten von Labels wie EUTI, Default Position und Echocord aufgebaut und ist inzwischen selbst ein aufstrebender Dub-Techno-Produzent. Mit allem, was dazugehört: regelmäßige Auftritte in hochkarätigen Clubs und auf Festivals und ein neues Album, das bereits über eine Million Streams generiert hat.
„'Departure' von Deepchord war der erste Dub-Techno-Track, den ich hörte. Damit fing für mich alles an“, erinnert er sich. „Das ist immer noch einer meiner absoluten Lieblings-Tracks. Die Chords sind so kalt und ausgehöhlt, dass ich ihnen tagelang zuhören könnte. Weitere Highlights sind für mich Prince of Denmark - Cut 06 und J.S. Zeiter - Untitled (Revoke 002A)."
Während Dub Techno aus der Musikgeschichte schon lange nicht mehr wegzudenken ist, gibt es auch Stimmen gegen seine anhaltende Relevanz. Dennoch übt der Sound eine anhaltende Anziehungskraft aus, die sowohl eingefleischte Fans als auch Noviz:innen in den Bann zieht. Jones' Aufstieg in der Szene ist vor allem seiner Fähigkeit zu verdanken, die Wurzeln des Genres zu ehren und gleichzeitig seine Grenzen in spannende neue Bereiche zu verschieben.
„Ich wollte schon immer Dub Techno machen, der mehr auf den Dancefloor zugeschnitten ist“, sagt er. „Wenn man im Internet danach sucht, findet man vor allem reduzierte Afterparty-Vibes. Dub Techno für den Dancefloor ist dagegen viel schwieriger zu finden. Was für mich eine gute Dub-Techno-Platte ausmacht: Wenn die Chord-Pattern, die Filterung oder die Klangfarben auch bei längerer Spielzeit nicht langweilig werden. Es ist wirklich schwierig, das beim Produzieren durchzuziehen. Ich versuche immer, diese Tracks zu analysieren, und wenn ich nicht herausfinden kann, wie ein bestimmter Sound gemacht wurde, bin ich regelrecht besessen davon, es herauszufinden.“
Der Erfolg von Jones' Musik und seine „In-the-Box“-Produktionsmethoden beweisen, dass Authentizität im Dub-Techno nicht nur in Studios voller Vintage-Hardware entstehen kann, sondern auch mit einem einfachen Laptop und Ableton Live. Wie das geht, erklärt Jones anhand von Lives Sampler: Hier lassen sich einfache Moll-Akkorde mit vielen Filtern, Modulatoren und sorgfältig konstruierten Effektketten in eindringliche, klanglich komplexe Pattern verwandeln. Für einen direkten Einblick in einige dieser Prozesse hat er freundlicherweise ein Live-Set zur Verfügung gestellt, das die Methoden, die in diesem Artikel beschrieben werden, in Aktion zeigt.
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Dub-Chords sampeln
Im Dub-Kontext bezeichnet „Dub-Chord“ einen gehaltenen oder stakkatoartigen Akkord, der auf einem Keyboard oder einem anderen Instrument gespielt wird und meist als grundlegendes harmonisches Element dient. Dub-Chords können zwar in ihrer Zusammensetzung und im Voicing variieren, sind aber meist traditionelle Moll-Dreiklängen, bestehend aus dem Grundton sowie einer kleinen Terz und einer reinen Quinte über dem Grundton. Die Chords wecken oft Gefühle von Spannung, Melancholie oder Nachdenklichkeit. Im Dub Techno werden diese Eigenschaften durch den großzügigen Einsatz von Effekten wie Reverb, Delay und Echo verstärkt, was ihre hypnotische Qualität noch erhöht. Obwohl die Chords traditionell von Synthesizern gespielt werden, entfaltet sich die „transformative Magie“ (Zitat Jones) erst in einem Sampler.
„Anfangs habe ich meine Chords immer mit Synths gemacht. Aber irgendwie klangen sie für mich nicht authentisch, einzigartig oder markant genug. Eines Tages entschied ich mich, mal ein Sample auszuprobieren, und das war ein Wendepunkt. Seitdem mache ich das immer so.“
Für Jones ist Lives Sampler das perfekte Tool für authentische Dub-Techno-Sounds – nicht zuletzt auch deswegen, weil es ihm die mühsame Entwicklung passender Synth-Patches erspart. „Damit kann ich mich ewig beschäftigen“, sagt er. „Es hat einfach etwas Magisches, einen Chord in einen Sampler zu legen – und die Art und Weise, wie er beim Transponieren reagiert. Vielleicht liegt es daran, dass ich in Sampler immer gleich das Filter nutze – es klingt einfach so toll. Wenn das von einem Synth gespielt wird, bin ich einfach nicht zufrieden mit dem Sound.“
Wer ausschließlich mit einer DAW wie Live arbeitet, fragt sich vielleicht, warum man einen Akkord, der mit einem digitalen Software-Synth gespielt wurde, auf einen digitalen Software-Sampler übertragen sollte. Jones hat darauf eine überzeugende Antwort: Seiner Meinung nach gibt es in dieser Hinsicht Parallelen zu den Techno-Produktionsmethoden der 1990er-Jahre.
„Ich sage oft, dass meine Musik cool klingen soll – aber mit 'cool' meine ich eigentlich 'authentisch'. Der Grund, warum ich am liebsten mit Samples arbeite, liegt in einer klanglichen Assoziation. Viele moderne Soft-Synths sind so konzipiert, dass sich der Klang bei jedem Triggern einer Note leicht verändert. Wenn man einen Chord sampelt, entsteht bei jedem Triggern eine gewisse Sterilität, die aber der Authentizität des Genres entspricht. Für mich spielt da auch der kreative Prozess des Samplings an sich eine Rolle. Ich habe jede Menge Ordner mit Stab-Sounds. Die meisten habe ich mit offenem Filter gesampelt, bei manchen ist das Filter aber halb geschlossen – mit viel Resonanz. Ich gehe die ganzen Samples durch und lege sie in einen Sampler, dann sequenziere ich die Noten. Auf diese Weise komme ich viel schneller zu guten Ergebnissen, als wenn ich einen Synth-Patch erstelle. So bleibe mir genügend Motivation zum Weitermachen.“
Dub-Chords synthetisieren mit Meld
Jones hat bereits die Beta-Version von Live 12 erkundet und die neuen Funktionen, Instrumente und Effekte ausprobiert. So konnten wir ihn fragen, wie sich der neue Synth Meld in Hinblick auf Dub-Chords geschlagen hat.
„Ich habe den Meld-Oszillator ‘Swarm Square’ verwendet, weil er so viele Obertöne liefert. Außerdem habe ich das 12 dB-Bandpass-Filter genutzt. Seine Filtersweeps klingen toll, weil die Obertöne so betont werden. Der Chord selbst ist ein umgekehrter Dreiklang, aber es sind vier Noten – eine ist gedoppelt. Das habe ich absichtlich so gemacht, um das Frequenzspektrum aufzufüllen. Das Bandpass-Filter von Meld wird von einem LFO mit der Random-Wellenform moduliert. Ich habe die Modulationsrate 1/16 gewählt, was bei dieser Art von Akkorden unangenehm klingen kann. Dies kann man aber mit der 'Smooth'-Funktion abmildern. Der Sound wirkt dann kontrollierter, ohne dass der Random-Charakter verloren geht.“
Am Ende der Effektkette befindet sich ein weiterer Modulationseffekt mit 1/16-Rate, der für einen schnellen und synchronisierten Stutter-Effekt sorgt. Laut Jones ist diese Technik vielseitig einsetzbar – etwa um Probleme mit der Platzierung von Sounds im Mix zu lösen, überladene Mixe zu verschlanken und Übergänge zu verbessern.
„Ich stelle den Phase-Regler von Auto Pan entweder auf 360° oder 0° – damit wird der Effekt zu einem Lautstärkemodulator“, erklärt er. „Mit dem Rate-Regler wähle ich ein schnelles 1/16-Notentempo aus – für eine präzise Lautstärke-Automation. Ich wende diese Modulation auf alle möglichen Sounds an – meist ganz subtil und ähnlich wie ein Flutter-Effekt. Man hört das auch bei dem Dub-Chord, den ich mit Meld erzeugt habe, aber hier ist der Effekt mehr im Vordergrund. Er kommt immer dann zum Einsatz, wenn etwas nicht ganz richtig klingt – und in 80% der Fälle ist das Problem dann gelöst! Das ist ähnlich wie die 'Du kommst aus dem Gefängnis frei'-Karte bei Monopoly.“
Filter und Effekte
Jede:r Dub-Techno-Produzent:in hat eigene Effektketten, um die Chords in markante Sequenzen zu verwandeln. Auch Jones greift darauf zurück und stellt Effekt-Racks zusammen, die die gewünschten Ergebnisse liefern. Dabei geht es nicht um ein starres Schema, sondern um Anpassungsfähigkeit und die Bereitschaft, alle Tools zu erforschen, die seine musikalische Vision zum Leben erwecken können.
„Meist bearbeite ich das Sampler-Signal mit einem Auto-Filter, dann kommt ein Distortion-Effekt, dann wieder mehrere Auto Filter. Zuletzt etwas EQ, Kompression und vielleicht sogar ein weiterer Verzerrer. Ich verwende gerne viele Saturation-Plug-ins und bin immer auf der Suche nach überzeugenden Nachbildungen von analoger Hardware. Meine Favoriten sind Reel Bus 4, iZotope Trash und PSP Vintage Warmer. Nicht zu vergessen Reverb und Delay! Voxengo Old School Verb und Waves H-Delay sind beide großartig, weil sie den Hardware-Sound authentisch nachbilden. Im Großen und Ganzen halte ich mich jedoch an das Prinzip, dass ich immer das Tool nutze, das für die jeweilige Aufgabe am besten geeignet ist. Wenn jede Menge Komprimierung und Saturation gefragt sind, dann mache ich das auch.“
Auch wenn Jones' Workflow sehr flexibel ist, hält er gerne an bestimmten Ritualen fest. „Ich setze meine Reverbs und Delays immer in Send-Spuren“, erklärt er. Und in der sorgfältigen Bearbeitung dieser Send-Kanäle zeigt sich auch seine Kreativität. „An dieser Stelle wird die Klangbearbeitung fast schon zu einer religiösen Angelegenheit. Das kann etwas so Einfaches sein wie ein Hall, der mit Saturation bearbeitet wird, ein Delay mit einem Bitcrushing-Effekt oder eine Effektkette mit einem großen Reverb, das von zwei oder drei Auto Filter-Instanzen verändert wird. Lives Auto Filter ist perfekt für das Erzeugen von Bewegung. Manchmal nutze ich drei oder vier davon hintereinander – alle mit unterschiedlichen Filterformen. Ein Auto Filter ist zum Beispiel ein Bandpassfilter für die Mitten, zwei weitere sind Notch-Filter, die an unterschiedlichen Bereichen des Frequenzspektrums positioniert sind. Die Modulationsraten stelle ich gerne versetzt ein, damit sich die Filter gegenseitig überlagern. Dadurch wird ein Kammfilter-Effekt erzeugt, der ähnlich wie ein Phaser oder Flanger klingt, aber mehr Kontrolle bietet. Mit den Modulationsraten kann man auch wirkungsvolle rhythmische Motive erzeugen. Diese Technik habe ich beispielsweise bei meinem Track 'Insane Sends' verwendet.“
Wer tiefer in Jones' Musik eintaucht, wird feststellen, dass die Modulation mehr als nur eine Nebensache ist – sie dient als Eckpfeiler seiner Methodik und gibt seinen Dub-Chords Rhythmus, Dynamik und Charakter.
„Komplexe Modulationen lassen meine Chords interessanter klingen und halten die Zuhörer:innen bei der Stange. Zum Beispiel drei Notch-Filter in einer Reihe mit sehr hohen Q-Werten: Sie sind kaum zu hören, aber du spürst sie einfach. Zusätzlich noch ein Tiefpass-und vielleicht auch ein Hochpass-Filter, die den Sound ebenfalls modulieren. Es kann also sein, dass ich am Ende fünf Auto Filter-Instanzen habe, die sich alle bewegen. Aber ich achte sehr auf das Timing der Modulation. Zum Beispiel eine Modulation über einen Takt, eine weitere über zwei Takte und eine dritte mit einem triolischen Rhythmus, der sich nicht perfekt auflöst. So entsteht ein Polyrhythmus. In allen Formen des Techno sind Polyrhythmen unerlässlich, weil sie starre Wiederholungen aufbrechen. Mit den LFO-Raten lassen sich Wiederholungen auf subtile Weise noch weiter reduzieren.“
Reverb
Das Reverb ist ein zentrales Tool im Dub Techno. Es dient dazu, die deepe, räumliche und atmosphärische Qualität der Musik zu verstärken. Jones nutzt mehrere Send-Kanäle, um seine Chords mit verschiedenen Reverbs zu bearbeiten. Er nennt Techniken wie den Einsatz von Mono-Hall mit Sidechain-Filtern und die Verwendung von Mid-Side-EQs, um unterschiedlichen Nachhall im Stereofeld auszugleichen.
„Ich leite die Chords gerne durch eine Reverb-Send-Spur und moduliere die Send-Spur dann mit Filtern – also umgekehrt wie die meisten anderen Produzent:innen. Ich nutze mehrere Send-Spuren. So kann ich einen Chord mit drei verschiedenen Reverbs bearbeiten – zum Beispiel mit einem großen, mittelgroßen und kurzen Hall, die alle moduliert werden. Dies ermöglicht Techniken wie die Verwendung eines Mono-Halls mit einem Sidechain-artigen 4/4-Filter. Danach kommt ein großer Hall, der auf die volle Breite des Stereofelds wirkt. Mit einem zusätzlichen Mid-Side-EQ kann ich die mittleren Frequenzen abschneiden, so dass der kurze Hall genau in der Mitte sitzt. Als Nächstes prüfe ich, ob die rhythmischen Beziehungen zwischen den Reverb-Modulationen stimmig sind. Dahinter steckt keine strenge Theorie, sondern eher ein Gefühl. Irgendwann sage ich mir: 'Einfach wunderbar, wie die Modulationen miteinander harmonieren und verschmelzen.'“
Delay und Echo
Delay- und Echoeffekte sind ebenfalls wichtige Komponenten des charakteristischen Dub-Techno-Sounds. Vor allem hinsichtlich der Chords: Sie sorgen für rhythmische Variationen und eine hypnotische Qualität. Gleichzeitig betonen Delays die Räumlichkeit und Textur.
Bei der Entwicklung seiner markanten Sounds lässt sich Jones von wichtigen Grundsätzen leiten. Zum Beispiel verändert er die Delay-Signale durch Abschneiden der hohen und tiefen Frequenzen, bevor er dann Distortion-Effekte hinzufügt. Auf diese Weise sorgt er nicht nur dafür, dass sich die Delay-Signale von den ursprünglichen Sounds abheben, sondern auch für einen Hauch von Authentizität: Die Limitierungen alter Bandmaschinen lassen grüßen.
„Für mich ist es am wichtigsten, die Delays und Echos immer vom Quellsignal zu trennen. Sie sollten so unterschiedlich wie möglich klingen.“
Jones erwähnt den Einsatz von Ping-Pong-Delays und die Herausforderungen, die sie aufgrund ihres unsanften Stereo-Pannings oft mit sich bringen. „Ich mag es überhaupt nicht, wenn das Signal stark nach links und rechts gepannt ist – was leider immer der Fall ist. Deswegen nutze ich hinter dem Delay immer das Utility-Tool im Mid/Side-Modus und drehe es ein wenig herunter. Dadurch wird das Ping-Pong-Delay eingegrenzt. Das mache ich immer, da führt kein Weg daran vorbei.“
Als bevorzugte Plug-ins nennt Jones Waves H Delay, Fab Filter Timeless und die Bandmaschinen-Emulation Waves J37, die seinen Chords authentisches Vintage-Flair verleiht. „Das klingt wunderbar oldschoolig – vor allem mit wenig Feedback, dann ist es wie ein Slapback-Delay.“
Distortion
Die Verzerrung ist für Jones ein wichtiges Mittel, weil sie fade Klangfarben in Sounds verwandelt, die an die verehrten frühen Dub-Techno-Platten erinnern.
„Distortion sorgt dafür, dass die Chords nicht so austauschbar klingen, sondern eher wie eine Deepchord-Platte. Die Sounds, die ich liebe, gibt es eigentlich nur in ihren Tracks – dieses angestaubte, knackige Timbre. Sie haben viele Vintage-Synths verwendet, durch alte Mischpulte geschickt und alles mit einer Bandmaschine aufgenommen. Ich nutze gerne U-hes Tape-Emulation Satin. Es gibt einen Asperity-Button, mit dem sich kleine Unregelmäßigkeiten oder Unvollkommenheiten des Magnetbands nachbilden lassen. Wenn ich den Button aktiviere, denke ich immer: 'Genau! Das ist dieser Sound.' Er liefert diese gewisse Körnigkeit. Fab Filters Saturn bietet ebenfalls viele Modulationsmöglichkeiten. Dieses Plug-in ist das Geheimnis hinter all den Dub-Chord-Sounds auf meinen Echochord-EPs.“
Bei dieser Gelegenheit haben wir Jones natürlich auch nach seinen Erfahrungen mit Roar, dem neuen Distortion-Effekt von Live 12, gefragt.
Ehrlich gesagt war ich von Lives bisherigen Distortion-Effekten nicht so überzeugt. Aber Roar finde ich super – da steckt sehr viel Sorgfalt drin. Die Filter klingen fantastisch, und es ist sehr hilfreich, dass es zwei davon gibt und man zwischen Reihen- und Parallelschaltung wählen kann. Das sind genau die einfachen Sachen, die bei Distortion-Plug-ins oft fehlen. Parallel bedeutet, dass das Signal in zwei Teile geteilt wird, die dann durch verschiedene Filter gehen. Man hört, dass sie unabhängig voneinander gefiltert werden. Wenn die Filter in Reihe geschaltet sind, ist das eine Filter direkt hinter dem anderen und sie bearbeiten denselben Sound. Und es stehen auch andere Routing-Optionen zur Auswahl. Ich wusste gar nicht, dass es eine Multiband-Option gibt – die werde ich demnächst mal ausprobieren. Und Mid/Side – das habe ich noch nie bei einem Distortion-Effekt gesehen. Man könnte das vielleicht so einrichten, dass man die Seiten anders filtert oder ihnen Saturation hinzufügt, damit es breiter – und seltsamer – klingt.“
Dub-Chords finalisieren – mit Multiband Dynamics
Zum Abschluss beschreibt Jones, wie er mit dem OTT-Preset von Lives Audio-Effekt Multiband Dynamics
die Transienten seiner Dub-Chords optimiert. Dieses Preset wendet eine Upward-Kompression auf das gesamte Frequenzspektrum an, wodurch die leisen Details, die sonst eher untergehen, deutlich verstärkt werden.
„Wenn man den Effekt auf 100% Wet stellt, werden die Höhen und oberen Mitten drastisch angehoben. Wenn man das auf Vocals anwendet, kann man all die Nuancen hören, die man normalerweise nicht hört. Und mit Dub-Chords ist es genau das Gleiche: Multiband Dynamics bringt die detaillierten Klänge nach vorne – zum Beispiel Rauschen oder Delay-Fahnen. Ich verwende den Effekt meist mit der Dry/Wet-Einstellung 10%.
Richtungswechsel: Pizza Hotline
Jones' Leidenschaft für die elektronische Musik der 1990er-Jahre beschränkt sich allerdings nicht nur auf Dub Techno. Während der Pandemie war er der üblichen Routine überdrüssig geworden und hatte beim Besuch im Haus eines Freundes eine alte Leidenschaft wiederentdeckt. Dies lenkte sein musikalisches Schaffen in eine ganz neue Richtung.
„Mein Freund hatte eine Nintendo Switch, die mich an die seligen Computerspiel-Zeiten erinnerte. Ich dachte an die grandiose Musik dieser Spiele, viele sind heute wirklich schwer zu finden. Also machte ich mich fast für ein halbes Jahr auf die Suche – und konnte nicht glauben, was ich da entdeckte. Manches war zwar schlecht abgemischt oder stilistisch betrachtet langweilig, aber es gefiel mir trotzdem. Genau solche Musik wollte ich selber machen: naive, eingängige und melodische Jungle-Tracks, denen der Dancefloor schnuppe ist. So entstand mein Album 'Level Select' unter dem Pseudonym Pizza Hotline. Heute bin ich viel mit meinem YouTube-Kanal und meinem Discord-Server beschäftigt und habe gerade erst einen Großauftrag von einer Game-Firma bekommen: Remixe ihrer Soundtracks im Jungle-/Drum-and-Bass-Stil von Pizza Hotline. Ich mache nicht so viel Werbung dafür, weil die Tracks die Dub-Techno-Fans möglicherweise vor den Kopf stoßen: 'Was soll das, was macht dieser Typ?'. Andererseits habe ich über meine El Choop-Profile in den sozialen Medien auch Lob bekommen: 'Ich wusste ja gar nicht, dass du auch Drum-and-Bass machst – klingt echt gut!“ Anscheinend gibt es da einen Zusammenhang, weil beide Genres zum IDM der 1990er-Jahre gezählt werden – wegen der Chords und so. Alles dreht sich um gesampelte Chords: Da gibt es eine klare Verbindung.“
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Text und Interview: Joseph Joyce
Fotos: VirtuaLumin