DeLaurentis: Klassischer French Touch
Als Unternehmen, das Musikinstrumente herstellt, waren wir schon immer fasziniert (und natürlich sehr geschmeichelt), wenn ein Künstler eines unserer Produkte ganz und gar beherrscht. Als vor ein paar Jahren die ersten Videos von DeLaurentis’ virtuosen Push-Performances online auftauchten, wussten wir daher, dass wir diese Künstlerin im Auge behalten sollten. Uns beeindruckte nicht nur ihre Virtuosität mit Push 1 und 2, sondern auch die Zurückhaltung, mit der DeLaurentis ihre vielfältigen Instrumental- und Gesangsskills in den Dienst ihres musikalischen Ausdrucks stellt, wie man an ihrem Cover von Portisheads “Glory Box” hören kann.
Anlässlich der Veröffentlichung einer EP mit elektronischen Interpretationen französischer Klassik-Werke aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert sprachen wir mit DeLaurentis über ihre musikalische Entwicklung, das einzigartige Zusammenspiel zwischen ihrer Stimme und ihren Instrumenten sowie über einige ihrer Lieblingstechniken mit Push und Live.
Wie und warum ist Push zu deinem hauptsächlichen Instrument geworden? Und: hattest du eine Gesangsausbildung oder bist du Autodidaktin?
Ich komme aus einer Künstlerfamilie: mein Vater ist Jazz-Pianist und war Arrangeur für Claude Nougaro, einer meiner Brüder ist Bassist, einer ist Drummer, und meine Schwester ist Schauspielerin. Mein Name “DeLaurentis” ist ein Erbe meines italienischen Großvaters, der eine Leidenschaft für Filme hatte. Also hörte ich natürlich früh Jazz-Standards, sang in Clubs und studierte dann Musik am Konservatorium von Perpignan, und später Musikwissenschaft und Jazz an der Universität von Mirail in Toulouse. Ich habe schon immer Melodien, harmonische Suites und Songs auf dem Klavier oder Synthesizer geschrieben und komponiert. Das Produzieren habe ich mir selbst beigebracht und als erstes die Cubase und Logic Software zum Musikmachen benutzt. Meine Einflüsse sind Jazz, Filmmusik, Techno, Trip Hop und Laurie Anderson, eine der ersten weiblichen Pioniere der elektronischen Musik, die mich inspiriert hat, selbst Musik zu produzieren und zu mixen.
Vor allem wollte ich schon immer mit der Software dieses erste Gefühl von Inspiration einfangen, das eine Stimme oder ein Klavier in uns hervorrufen können. Also benutze ich meine Stimme als Basis-Sound – ob rhythmisch oder melodisch, harmonisch oder vage, und das gibt dem elektronischen Klang der Musik eine gewisse Wärme. Nichts ist so persönlich und einzigartig wie eine Stimme. Daher beginne ich meine Songs meist als Piano- oder stimmbasierte Kompositionen, die dann wie ein Drehbuch aufgebaut werden, mit Einleitung, Exposition, Spannungsaufbau, Höhepunkt und Ende.
Auf meiner ersten EP von 2015 habe ich das Klavier durch Ableton Live und Push ersetzt. Damals wurde ein Gig mit meinem damaligen Musikpartner abgesagt, und mir wurde klar, dass ich meine eigenen Songs gar nicht allein performen konnte. Und so wurde Push mein hauptsächliches Instrument. Nach sechsmonatigem Ausprobieren, Entdecken und Arbeiten an meinem Solo Set-Up konnte ich dank Push unabhängig und eigenständig produzieren und performen.
„Wenn das 20. Jahrhundert mit Maurice Ravel begann, endete es mit Daft Punk, und zwischen den beiden können wir definitiv eine Verbindung herstellen.“
Jetzt kann ich meine Stimme loopen, Effekte zuweisen (Vocoders, Delays, Reverb, Filter…) und verschiedene Synths gleichzeitig spielen. Ich kann spontan Stimmen und Ideen aufnehmen, sie wieder abspielen, anhalten, das Tempo verändern und schon beim Improvisieren pitchen. Meistens sample ich alle Elemente des Tracks (Bass, Synthesizer, Sound Design, Stimmen..) und erstelle ein spezifisches Drum Rack oder einen Sampler für jeden Song. Ich ordne den Sounds Farben zu, und jedes Mal wird es ein anderes Gemälde. Ich passe die Farben gerne an die Atmosphäre und Stimmung des Songs an.
Während eines Songs wechsle ich zwischen Note Mode und Session Mode hin- und her, um Stimmen zu loopen, Drum Racks oder Instrumente abzuspielen und Clips oder Szenen zu starten. Einer meiner Lieblingstricks ist die “Convert Audio Clip to Simpler”-Funktion bei Push mit dem Convert-Knopf. Im Slice-Mode splittet das meine Stimme in zeitliche Segmente auf die 64 Tasten von Push. Dann kann ich sie wie ein neues Instrument abspielen, das ist sehr inspirierend. Diese Technik benutze ich in diesem Video, auf dem ich die Streichersounds meiner Freundin und Violinistin Mathilde Vrech nachspiele.
Du hast kürzlich eine EP mit Interpretationen und Kompositionen von klassischen Stücken veröffentlicht. Wie kam es zu dieser Auswahl? Und kannst du uns von dem Prozess erzählen, wie du diese Kompositionen für den elektronischen Sound adaptiert hast?
Die EP heißt “Classical Variations Vol.1”, und darauf adaptiere ich einige berühmte französische Klassikstücke aus dem späten 19. und frühen 20 Jahrhundert und greife sie auf moderne Art mit meiner elektronischen Arbeitsweise auf: "Gymnopédie N°1" von Erik Satie, "Pavane" von Gabriel Fauré, "Aquarium" von Camille Saint-Saëns, und "Boléro" und Maurice Ravel.
Popsongs oder Filmmusik neu zu interpretieren ist eine meiner Lieblingsübungen! Vielleicht liegt das an meinen familiären Wurzeln im Jazz, wo es keine zwei ähnlichen Versionen eines Standards gibt. Letzten September wollte ich ein klassisches Stück mit meinem Push überarbeiten und entschied mich für den berühmten “Boléro” von Maurice Ravel.
Ich wusste nicht, wie die Reaktionen darauf ausfallen würden und war etwas besorgt. Es ist tatsächlich riskant, klassische Musik mit elektronischer zu mixen. Aber dennoch habe ich mein Video gepostet und das Ergebnis war sehr positiv! Daher kam mir die Idee, eine EP mit anderen französischen impressionistischen Komponisten aus dieser beeindruckenden neoklassischen Epoche zu veröffentlichen.
Mit diesen Variationen wollte ich die Lücke zwischen französischer Musik und French Touch schließen. Wenn das 20. Jahrhundert mit Maurice Ravel begann, endete es mit Daft Punk, und zwischen den beiden können wir definitiv eine Verbindung herstellen. Ich wollte eine neue und unerwartete Produktion und Harmonie schaffen und zugleich der Partitur gerecht werden. Die Hörer sollten die originale Melodie erkennen können, aber auch meine persönliche Note.
Darum habe ich für das Sound Design viel Gebrauch von meiner Stimme gemacht, besonders mit dem neuen Echo-Effekt. Damit erscheinen hinter der Aufnahme der natürlichen Stimme unerwartete Formen und und Farben, und diese neuen Richtungen haben ganz inspirierende Wirkung.
Anstatt die Melodien mit traditionellen und akustischen Instrumenten zu spielen, habe ich viel mit dem Wavetable Synthesizer gearbeitet, weil er unendliche Möglichkeiten bietet, den Sound zu modulieren. Bei “Aquarium” beispielsweise benutze ich einen harfenartigen Sound von Wavetable, und das regte mich dazu an, Push auf eine ganz andere Weise zu spielen, wie eine Gitarre!
Ich benutze auch meinen Prophet Rev 2 zum Aufnehmen von Basslinien. In diesen Variationen ist der Rhythmus meist minimalistisch, und so habe ich den Old School Sound des TR808 oder 606 genommen. Das einzige Akustikinstrument, das ich für die EP aufgenommen habe, ist das Cello meines Freundes Octavio Angarita in “Boléro”. Die Mischung aus den organischen Streichern und Synthesizern ist ein bewährtes Konzept! Ich denke da immer an die Kollaboration von Björk mit dem Kronos Quartett.
Jeder Variation liegt eine Emotion zu Grunde, deshalb habe ich sie auch so benannt, Cosmic, Love, Fantasy oder Time Variation. Für “Gymnopédie N°1” von Erik Satie habe ich mir vorgestellt, wie ich den NGC7293 Helixnebel (auch das “Auge Gottes” genannt) in einer warmen Sommernacht durch ein Teleskop betrachte. Die Love-Variation von “Pavane” ist eine imaginäre Liebesgeschichte zwischen ihrem Komponisten Gabriel Fauré und Comtesse Elisabeth Greffulhe, der er das Stück gewidmet hat.