Your Place in Space: Impulsantworten für das Convolution Reverb sammeln
Wollten Sie schon immer mal wissen, wie Ihr gesampeltes Piano in einer Höhle klingen würde? Oder eine Drum-Maschine in einer alten Kirche? Mit Lives Faltungshall können Sie den Raumklang realer Orten auf jegliches Audio-Material anwenden – ohne dafür zu reisen oder in einem Mittelalter-Turm nach einer Steckdose für Ihren Synth zu suchen.
Der springende Punkt eines Faltungshalls ist eine Impulsantwort – „impulse response“, kurz IR – ein Sample, das die akustische Beschaffenheit eines bestimmten Raums repräsentiert. Mit einem Faltungshall lässt sich der räumliche Charakter von realen Orten, der Klang von klassischen Hall-Effektgeräten und mehr auf Ihre Sounds übertragen. Im Grunde kann jedes Audio-Sample als Impulsantwort dienen – wollen Sie eine Gitarre durch das Miauen Ihrer Katze falten? Nichts leichter als das.
Das Max for Live Essentials Pack enthält das Convolution Reverb und den erweiterten Effekt Convolution Reverb Pro – zwei Premium-Effekte für Max for Live, die das Faltungshall-Verfahren anwenden.
Das Convolution Reverb von Live 9 Suite hat eine Auswahl von IRs an Bord – reale Orte, klassische Hardware-Reverbs und mehr. Zusätzlich sind viele von Sound Designern generierte Impulsantworten als kostenlose Downloads erhältlich. Und da gibt es einiges zu entdecken – etwa die IR der Batcave aus der TV-Version von Batman, die in den 60er Jahren produziert wurde (enthalten in der EchoThief-Sammlung).
Beim Aufnehmen eigener Impulsantworten gilt es einiges zu beachten. Um mehr darüber zu erfahren, haben wir die Ableton-Sounddesigner Matt Jackson und Christian Kleine interviewt. „Für professionelle Feldaufnahmen“, so Matt, „sollte man 1. nachts arbeiten, wenn es so gut wie keinen Verkehrslärm gibt, 2. einen richtig guten Signalweg aufbauen – leistungsstarke und möglichst lineare Monitorboxen, hochwertige Soundkarte und Messmikrofone – und 3. einen langen Sweep abspielen (eine Sinuswelle, die sich gleichmäßig von tiefen zu hohen Frequenzen bewegt)“. Das Sampling von Plug-ins oder Hall-Effektgeräten gestaltet sich etwas einfacher. Matt empfiehlt dafür einen DC-Click – einen kurzen Soundimpuls, der eine möglichst neutrale Klangquelle liefert.
Zum Sammeln eigener Impulsantworten bietet sich das IR Measurement Device an (ebenfalls im Max for Live Essentials Pack enthalten). Mit anpassbaren Funktionen zur Audio-Aufnahme und zur Erzeugung von Soundimpulsen oder Sweeps können Sie dem Inventar Ihres Studios unkompliziert IRs entlocken.
Sinus-Sweeps sind ideal für große Räume, doch der Aufbau ist mit einigem Aufwand verbunden. Eine hervorragende Alternative ist eine Gas-Startpistole (Signalgeber zum Start von sportlichen Wettkämpfen), wie sie von Matt im obigen Video verwendet wird:
„Für diesen Zweck ist eine Startpistole sehr praktisch: Ich kann auf meinem Laptop die Aufnahme starten und mich im Raum bewegen, an verschiedenen Stellen auf den Abzug drücken und muss keine unhandlichen Lautsprecher mitnehmen. Außerdem macht es so natürlich viel mehr Spaß. Startpistolen liefern zwar ein sehr dichtes Signal für die IRs (und beschränken die Bandbreite), aber das ist den meisten Fällen kein Problem.
Auf der Suche nach dem Schauplatz für das Convolution Reverb-Video hielten wir Ausschau nach interessanten Orten in Berlin, die geräumig und ruhig sind, und entdeckten stillgelegte Krankenhäuser, Eisfabriken und militärische Gebäude. Das war unglaublich – an diesen Orten fühlt man wirklich die Geschichte Berlins. Ich war nicht nur sehr überrascht darüber, wie viele ungenutzte Räume es in solch einer populären Stadt gibt, sondern auch stark beeindruckt vom geschichtlichen Flair dieser Orte. Sie wurden in marodem Zustand hinterlassen, die Zeit steht dort einfach still. Es war wie eine Zeitreise.
Für das Video nahmen wir mit den Tresor-Betreibern Kontakt auf, denen auch das Kraftwerk Berlin gehört – eine stillgelegtes Heizkraftwerk. Am selben Ort fand einen Monat später das Atonal Festival statt. Das war der perfekte Ort für das Video – riesengroß, mit viel Hall und total faszinierend. Und komplett ohne Außengeräusche.“
Nachdem wir einmalige Orte besucht und so manches rare Hardware-Gerät ausgegraben hatten, wollten wir von Christian und Matt natürlich auch wissen, welche Convolution Reverb-Impulsantworten ihnen am besten gefallen. „Mich faszinieren die IRs alter Hardware-Geräte – das Stocktronics RX-4000 Plate Reverb, das SwissEcho 2000 oder die ganz frühen Farfisa Spring Reverbs zum Beispiel“, meint Christian. „Ursa Major Spacestation und manche ‘Real Places’ zählen ebenfalls zu meinen Favoriten.“
Matt: „Die ‘Real Places’-IRs sind toll, weil sie so besonders klingen und diese Assoziationen mit sich bringen. Ich verwende oft Drum Booth Real, St Andrews Church, Amazing Stereo Spring und ABCLR M2S. Viele Leute finden die gewaltigen IRs besonders attraktiv, doch ich bevorzuge in der Praxis beim Stereo-Imaging für große Orte eigentlich nur fünf kleine, kurze IRs. Wenn es nicht um Pad-Sounds oder Dub-Tracks geht (ich mag beides), können große Hallräume einen Mix ziemlich schnell vernebeln. Das Convolution Pro bietet einige Funktionen zur Verkürzung der IRs. Manchmal gehe ich so vor, dass ich groß anfange und den Hall dann drastisch zurücknehme. Ich setze auch EQ ein, um extreme Frequenzen herauszunehmen.“