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Brendon Moeller: Das Leben beginnt mit 170
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Manchmal genügt es, am Temporegler zu drehen und eine völlig neue Quelle der Inspiration steht einem offen. Brendon Moeller hat mehr als 20 Jahre damit verbracht, deepen, dubbigen House und Techno um die 120-BPM-Marke zu produzieren. Nichts hätte ihn auf die Veränderung in seinem musikalischen Schaffen vorbereiten können, die sich offenbarte, als er anfing, ein paar Tracks mit 170 zu produzieren.
„Mein erster Gedanke war: ‚Wow. „Das ist zu schnell, zu hektisch“, erklärt Moeller am Telefon in seinem Home-Studio in Upstate New York. „Für jemanden wie mich, der sonst Space und Dub macht, schien das zunächst schon etwas schiwerig. Aber als ich erstmal drin war, wurde mir klar: ‚Wow, das gibt mir alles, was ich brauche.‘ Ich glaube, seitdem habe ich keine Techno-Tracks mehr gemacht."
Moellers Entscheidung, sich mit der Geschwindigkeit von Drum & Bass-zu beschäftigen, kommt nicht von Ungefähr – in den letzten Jahren gab es immer mehr Überschneidungen zwischen Deep Techno und Drum & Bass, wobei neuere Künstler wie Konduku, upsammy und Lemna sich mit erfahrenen Veteranen wie Donato Dozzy und Mike Parker zusammengetan haben, um mit schnelleren, gebrochenen Rhythmen zu experimentieren.
Zu der Musik, die Moeller seit seinem Gangwechsel auf 170 herausgebracht hat, gehören die EP „Vacuum“ von 2024 und die kürzlich bei Samurai Music erschienene LP „ Further “. Beide Releases zeichnen sich durch denselben ausgeprägten Sinn für Atmo-Design und schimmernde Melancholie aus, der sich durch alle seine Arbeiten zieht. Aber er hat die Gelegenheit genutzt, um neue Tools auszuprobieren, um dieses aufregende neue Kapitel für seinen Sound auszudefinieren. Begleitend zu diesem Interview hat Moeller ein Sample-Paket zusammengestellt, das Drums, Loops, Drones und One-Shots enthält, die mit dem gleichen Equipment erstellt worden sind, das man auf Vacuum, Further und seinen anderen aktuellen Releases hört.
Als Teenager im Südafrika der frühen 90er-Jahre hat er elektronische Musik durch Jungle und Drum & Bass kennengelernt. Dennoch fühlte sich Moeller nie dazu inspiriert, selbst Musik zu machen. Als er nach New York zog und in die Clubszene der Stadt eintauchte, entdeckte er sein Herz für Techno. Durch Jobs in Plattenläden und bei Vertrieben sammelte er Equipment und Wissen und debütierte Anfang der 2000er Jahre zunächst unter den Pseudonymen „Beat Pharmacy“ und „Echologist“. Mit seinen ersten Veröffentlichungen begann er, einen Sound zu entwickeln, der auf schwelenden Subbässen, Moll-Akkorden sowie reichlich Delay und Reverb basiert. Er gibt zu, dass der von ihm geschätzte Dub-Techno-Sound voller Imitationen ist. Doch er hat bereits früh gelernt, seine eigene Version davon zu entwickeln.
„Als ich angefangen habe, Dub-Techno zu machen, habe ich Demos rausgeschickt und drei verschiedene Labels haben mir mit dem Hinweis geantwortet: ‚Schon cool, aber im Grunde kopierst du nur jemand anderen‘“, erinnert sich Moeller. „Offensichtlich haben sie sich auf Rhythm & Sound und Maurizio bezogen, und das hat was mit mir gemacht. Und dann dachte ich: ‚Das ist schon etwas, das man im Hinterkopf behalten sollte, wenn man als Musiker seine eigene Handschrift entwickeln will.‘“
Das war früher, bevor es Dub-Techno als Genre mit einem definierten Sound und einem Netzwerk aus Labels und Künstlern gab. Motiviert durch dieses frühe Feedback hat Moeller einen eigenen individuellen Ansatz entwickelt, der sich seitdem durch seine Arbeit zieht. Auch wenn sich seine Tools und Techniken weiterentwickelt haben, ist Moeller ein Künstlertyp, der eine klare Vorstellung davon hat, was er mit seiner Musik erreichen möchte – und er setzt diese Vision mit großem Schaffensdrang um. Seine Liste an Soloarbeiten und Kollaborationen ist umfangreich, und doch fügt sich alles auf ganz natürliche Weise zusammen. Dies gilt auch für seinen Gangwechsel auf 170.
„Ich glaube, es ist eine natürliche Weiterentwicklung meines eigenen Sounds und meiner Produktionstechniken“, sagt Moeller über seine neue Richtung. „Als ich angefangen habe, auf diesem Tempo zu arbeiten, dachte ich sofort: ‚Wow, ich habe damit richtig viel Freiheit.‘“
Obwohl die Percussion-Instrumente in dieser neuen Musik schon irgendwie auf Drum & Bass hindeuten, hatte Moeller keine persönliche Interpretation dieses Genres im Sinn. Tatsächlich hat er sich über die Drums gar nicht wirklich Gedanken gemacht.
„Eigentlich wollte ich einfach bei 170 Ambient-Musik machen“, verrät er. „Ich habe noch nicht einmal dran gedacht, sie irgendeinem Genre zuzuordnen. Ich habe einfach ein paar analoge Geräte und Pedale genommen, Atmosphären damit gestaltet und dazu ein paar Chords auf meinem Prophet 5-Desktopmodul beziehungsweise dem U_he Diva-Softsynth gespielt. Dass ich Drums reingebracht habe, war immer der letzte Schritt im Prozess. Und dann habe ich einfach alles auf mehreren Spuren in [Live] aufgenommen.“
Besonders für die Pads hat Moeller mit seiner Werkzeug-Auswahl nach Akkordfolgen gesucht, die ihm gefielen. Dazu gehören das kostenlose MIDI-Plugin Ripchord sowie die kostenpflichtigen Max-for-Live-Anwendungen Chord-o-mat und Chordimist – alle helfen dabei, melodisch zu komponieren.
„Wenn ich Akkord und Tonart habe, baue ich verschiedene Sounds auf, recorde sie und speichere sie im Projektordner“, erklärt Moeller. „Ich versuche mit diesem Akkord eine so große Vielfalt an Tönen zu erzeugen, wie möglich. Sobald ich fünf bis zehn besondere Sounds habe, verwende ich so viele Instanzen des Live-Samplers wie nötig, um mit Filtern, Hall und Echo eine Atmosphäre zu erzeugen, die an- und abschwillt. Eine weitere tolle Anwendung, um Atmosphären Charakter zu verleihen, ist PitchLoop89, mit dem man die Tonhöhe für den linken und rechten Kanal separat ändern kann."
In dieser neuen Phase seines kreativen Schaffens hat Moeller nicht nur mit unterschiedlichen Möglichkeiten experimentiert, um Pads und Texturen zu bearbeiten, sondern auch eine Reihe neuer Tools zur Erzeugung von Drum-Sounds entdeckt, die er noch nie vorher verwendet hat. Vor allem der Lorre-Mill Double Knot wurde zum Grundsatz für sein neu-produziertes Material. Der Double Knot ist ein besonderer Doppeloszillator-Monosynth im West-Coast-Stil, der auf rhythmische Drum-Synthese ausgerichtet ist. Ihn hat er eingesetzt, um einige der charakteristischen One-Shots und Drum-Loops in dem Sample-Pack zu produzieren, das Teil dieses Features ist.
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Der Lorre-Mill Double Knot (die kleinere der beiden blauen Einheiten) – neue rhythmische Inspiration für Brendon Moeller
"Was [den Double Knot] so einzigartig macht, ist dass es alle Arten von Kreuzmodulationen gibt, d. h. wenn man an einem Regler dreht, wirkt sich das auf etwas anderes aus", erklärt Moeller. „Nichts ist gelabeld, aber es ist ein so kompaktes Instrument, dass man nach einer gewissen Zeit weiß, wo man damit hin will. Man kann ihn für Bass, Leads und Percussion verwenden oder richtig wilde Sci-Fi-Sounds damit machen. Es ist irre, was man mit diesem Ding alles machen kann."
Jammen auf den Drums fürs Live-Feeling ist für Moellers Arbeitsprozess von entscheidender Bedeutung. Dafür nimmt er so viele Takes auf wie nötig, um genügend Material fürs Editing und Mixing zu haben. Ein Schlüsselelement in dieser späteren Phase besteht darin, Drum-Parts subtil zu verschieben, sodass sie nicht ganz synchron sind. „Ich mag es, wenn die Drums ein bisschen wackelig und locker klingen“, erklärt er.
Ab da nutzt er unter anderem Lives native Geräte wie Echo, Reverb, Filter Delay und Vocoder, um Percussion-Sounds Modulation und Bewegung zu verleihen. Er betont außerdem, wie wichtig Audioeffekt-Racks sind, um seinen Sounds noch mehr originalen Charakter zu verleihen.
„Die Audioeffekt-Racks sind eine Goldgrube für besondere Sounds und Rhythmen“, betont er. „Ich liebe Noise Space, A Larger Sky, Backing Strings und die Echo Factory- und Fuzz-[Effekt]-Racks.
Wie man an den in Moellers Sample Pack enthaltenen Loops und One Shots hört, sorgen die charakteristischen analogen Zaps und Pops des Double Knot auch ohne irgendwelche Bearbeitung für sehr originell klingende Drums. Aber man hört auch andere, vertrauter klingende Percussion-Elemente, die sich in die Tracks auf Further eingeschlichen haben. Die untergemischte, rasselnde Snare, die sich durch „Rambler Blues“ schlängelt, hat einen erkennbaren Jungle-Ton und wird mit dem abgehackten, freien Geist gespielt, mit dem auch die frühen Pioniere ihre Akai-Sampler bis an die Grenzen ausgereizt haben. Für Moeller, der während seines Studiums Drummer in Bands war, war es naheliegend, die taktile Spielbarkeit eines Roland-Drum-Pads in seinen Jam-Prozess einzubringen und mit anderen Sequenzierungs-Methoden zu experimentieren, um „klassischere“ Drum-Sounds zu triggern.
„Ich slice in Simpler die ganze Zeit Breaks auf“, erklärt er, „und experimentiere damit, sie mit verschiedenen Sequenzern triggern.“ Einer der Gründe, warum ich mir das Roland-Drum-Pad gekauft habe, war, dass ich es an ein Drum-Rack anschließen und meine eigenen Breaks raushauen kann.“
Die ausdrucksstarke Qualität seines Schlagzeugspiels zeigt sich auch in den Dub Drum Stems, die er für das Sample-Paket zusammengestellt hat. Darin sind Takes von rollenden Live-Drum-Sounds enthalten, die durch stark verarbeitete Signalketten laufen.
„Ich habe Live-Dubbing und Drums mit dem Drum-Pad gemacht und das Ganze dann mit der Hypnosis -Einheit von Dreadbox bearbeitet“, erklärt Moeller. „Sie ist Delay, Spring Reverb und Chorus in einem und man kann damit ganz einfach zwischen subtilen und komplett krassen Änderungen switchen.“
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Moeller spielt Lives Drum Rack mit seinem Roland-Drum-Pad und verarbeitet das Signal durch Hardware-Effekte, um besonders expressive Rhythmen zu generieren
Trotz des Tempos und der gebrochenen Rhythmen hört man auf den Releases von Samurai eher spritzige Percussion-Sounds als explizite Drum & Bass-Tropen. Der stakkatohafte Wobble-Bass von "Urban Cosmos" ist eine Ausnahme. Aber selbst der wird von zarten, weit entfernten Pads und Echokammer-Drums flankiert, die ein schattenhaftes Labyrinth aus inversem Raum formen. Der Sound ist meist eine spärliche und mysteriöse Umkehrung von herkömmlichem Drum & Bass. Auch die ersten Gehversuche von Moeller bei 170, die jetzt als Blue Moon EP bei ESP Institute erscheinen, sind relativ unkonventionelle, sanfte Meditationen.
Wie die Bass-Loops in seinem Sample-Paket zeigen, ist Moeller mehr als fähig, „klassische“ Drum- & Bass-Sounds zu produzieren. Neben seiner Arbeit als produzierender Künstler ist er auch mit der Produktion von Sample-Paketen und Synchronisierungsmusik für professionelle Audiobibliotheken beschäftigt. „Ich denke, ich habe mein Verständnis für Produktionstechniken ganz schön erweitert, indem ich an Sample-Paketen arbeite und für maßgeschneiderte Musikstücke schreibe“, meint er. „Jedes Mal, wenn ich Musik mache, ist der Wissensschatz, aus dem ich für den Track schöpfen kann, fast überwältigend.“
Moeller weist aber auch gleich darauf hin, dass diese Arbeit, bei der es auf Genauigkeit und exakte Ergebnisse ankommt, völlig unabhängig von seinem eigenen musikalischen Schaffen ist. Bei den Tracks für Vacuum und Further hat er sich große Mühe gegeben, offensichtliche Tropen wie Breakdowns, Build-ups und Drops zu vermeiden, die man normalerweise mit Drum & Bass in Verbindung bringt.
„Da ich sehr viel Zeit damit verbringe, solche Drops für Auftragsarbeiten zu produzieren, versuche ich bei meinen eigenen Sachen, nicht die ganz offensichtlichen Strategien zu nutzen“, verrät er. Und doch manifestieren sich auf Tracks wie 'Repercussions' subtile Energieschübe durch deutliche Reverb Swells, laute Delay-Feedbacks oder still aushallende und wiederkommende Kick-Drums. Ein subtiler Ansatz, der zur allgemeinen Zurückhaltung des von Moeller geschaffenen Klangs passt.
„Nehmen wir an, mein ganzes Eqipment läuft und 16 Monosignale gehen in Live“, erklärt er. „Ich jamme 20 Minuten lang und nehme alles auf. Und während ich jamme, versuche ich, so viel Bewegung und Dynamik wie möglich zu erzeugen – mit dem Bass und den Frequenzen und den Elementen – damit ich beim Arrangieren so viel wie möglich habe, mit dem ich arbeiten kann.“ Man hört schon einige Sachen, die ich beim Jammen bewusst gemacht habe. Und wenn ich richtig drin im Moment bin, kann es total kraftvoll sein, einen Drop zu kreieren, indem ich den Mix oder den Decay eines Halls anpasse.“
Von den synthetisierten Drums zu seiner seltsamen Verarbeitung, von den subtilen Modulations-Threads bis zum Einsatz von Drops durch die Hintertür – das Kombinieren von eigenwilligen Elementen hat seinen Teil dazu beigetragen, dass Moeller ein paar der ausdrucksstärksten und abenteuerlichsten Musikstücke seiner bisherigen Karriere geschaffen hat. Eine andere BPM-Zahl als neuer Rahmen hat seiner Musik eine klare Zielsetzung gegeben. Und auf dieser Erkenntnis möchte er aufbauen. 2024 hat ihn das britische Label Quiet Details gebeten, ein Album aufzunehmen. Das Label gibt jedem Künstler das Briefing, eine akustische Interpretation des Labelnamens zu kreieren. Für Moeller war dieser konzeptionelle Rahmen eine solche Inspiration, dass er innerhalb von zwei Wochen auf dem Höhepunkt einer sommerlichen Hitzewelle ein Album aufgenommen hat.
„Ich habe kürzlich herausgefunden, dass es für mich zwei Arten gibt, zu arbeiten“, erklärt er. „Die eine Möglichkeit besteht darin, ohne Ideen ganz von vorne anzufangen und die Instrumente und meine Stimmung bestimmen zu lassen, wohin die Reise geht.. Aber wenn wie bei Quiet Details ein solides Konzept vorliegt, kann alles ganz schnell gehen. In dieser Kultur des Streamings und der eingeschränkten Aufmerksamkeit sind Alben mittlerweile schon etwas Seltsames. Um Leute heute dazu zu kriegen, sich ein komplettes Album richtig anzuhören, muss man sich schon etwas einfallen lassen."
Moeller deutet einerseits an, dass er in Zukunft konzeptorientierter arbeiten will. Gleichzeitig bestätigt er aber auch, dass der simple Fakt des Tempowechsels seiner Arbeit im vergangenen Jahr einen klaren Fokus verliehen hat. In einer Zeit, in der stilistische Grenzen in elektronischer Musik so wenig Relevanz haben, macht seine Abkehr von der linearen Techno-Produktion den Weg frei für Alben wie Signals auf Constellation Tatsu, eine eher atmosphärische aber auch abenteuerliche Platte, auf der gebrochene Rhythmen und negativer Raum seine Musik wieder in neue Richtungen führen.
„Ich habe das Gefühl, dass die Alben, die ich in den letzten 12 Monaten gemacht habe, den Sachen, die ich in der Vergangenheit gemacht habe, um Jahre voraus sind“, schwärmt er. „Es gab Sachen von mir aus früheren Jahren, die einfach herausragend geworden sind und den Test der Zeit bestanden haben, aber damals habe ich nicht verstanden, warum. Jetzt weiß ich, warum.“
Folge Brendon Moeller auf Soundcloud, Instagram und Bandcamp
Text und Interview: Oli Warwick
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Brendon Moeller