Bob Moses: Grenzen verwischen
Bob Moses ist ein Duo aus Brooklyn / New York, das organische und elektronische Musik zu einem Sound fusioniert, der Pop-Hooklines und Underground-Feinheiten unter einen Hut bringt. Tom Howie und Jimmy Vallance starteten 2012 mit düster pochenden House-Tracks auf Anthony Collins’ und Francis Harris’ Label Scissor and Thread und veröffentlichten anschließend auf Domino das hochgelobte Album Days Gone By. Nach einigen gefeierten Live-Performances kehrten Bob Moses 2015 auf der Burning Man Robot Heart-Bühne zu ihren Wurzeln zurück. Wir trafen uns mit dem talentierten Duo, um über ihre künstlerische Entwicklung und ihre Arbeitsweisen mit Ableton Live als Werkzeug für Produktion und Performance zu sprechen.
Robert Moses war ein New Yorker Architekt und gilt als „einer der polarisierendsten Akteure der Stadtplanung in den USA“. Man verbindet ihn mit dem Aufbau des Parkway-Systems und der Vororte von New York – in manchen Fällen auf Kosten architektonischer Wahrzeichen. Schlägt die Musik von Bob Moses ähnliche Wege ein?
Tom: Genau betrachtet gibt es bestimmt die eine oder andere Gemeinsamkeit. Wir gehen das Risiko ein, traditionelles Songwriting mit einem Genre zu kombinieren, das von Dubs und Instrumentals bestimmt wird. Zu der Zeit, als es mit Bob Moses losging, befand sich unser Studio in der schäbigsten Ecke von Red Hook, Brooklyn – gleich neben den Müllfahrzeugen. Der von Robert Moses erbaute BQE (Brooklyn Queens Expressway) war unser täglicher Weg dorthin. Somit hatte er von Beginn an einen gewissen Einfluss auf unser Projekt.
Tragen organische Musik und traditionelles musikalisches Können dazu bei, den Horizont des Dance-Music-Publikum zu erweitern?
Jimmy: Ich denke, dass ein Großteil des heutigen Dance-Publikums in allen musikalischen Stilrichtungen bewandert ist. Die Grenzen beginnen zu verschwimmen und es gibt viele Verflechtungen zwischen Genres und Szenen – Rockbands, die in Richtung Dance gehen, oder DJs, die Live-Sets spielen, mit Gitarre und Vocals. Es kommt mir nicht so vor, als ob der Horizont noch erweitert werden müsste. Wir finden es toll, dass wir Live-Elemente in Clubs oder Festivals bringen können und dort zwischen DJs und Bands auftreten. Alles fühlt sich ganz natürlich an.
Welchen Einfluss hatte der Auftritt beim Burning Man-Festival auf eure Musik der letzten Jahre?
Jimmy: Wir sind bestimmt nicht die Einzigen, die sagen, „Burning Man hat unser Leben verändert“. Es war nicht nur die Erfahrung, dabei zu sein – die Verbreitung unseres Sets, das wir 2013 auf der Robot Heart Bus-Bühne spielten, war ein unerwarteter Katalysator für unsere Musik. 2014 konnten wir nicht bei Burning Man spielen – ironischerweise wegen unseres vollen Tourkalenders, den wir zu einem großen Teil diesem Festival verdanken.
Tom: 2015 dorthin zurückzukehren war unglaublich – wir wussten, was uns erwartet, und konnten den Auftritt deshalb mehr genießen. Beim Burning Man zu spielen ist Hardcore, es stellt dich wirklich auf die Probe. Du erlebst die schlimmsten Momente deines Lebens, und gleich danach die besten. Unsere beiden Shows waren ein tolles Erlebnis – es war einfach schön, zurückzukehren und der Geschichte, die uns so nach vorne gebracht hat, „Danke“ sagen zu können.
„...wir nehmen uns gerne die Freiheit, vielseitig zu komponieren und unsere Musik trotzdem geschlossen zu gestalten.“
Obwohl alle Bob-Moses-Produktionen einen markanten Stil besitzen, gibt es durchaus Unterschiede – eure früheren Tracks sind in abstrakter House-Musik verwurzelt, während das neuere Material eher Pop-Strukturen aufweist. Wie würdet ihr eure Entwicklung von den Releases auf Scissor and Thread zu den neueren Stücken auf Domino beschreiben?
Jimmy: Es ging uns immer darum, gute Songs zu schreiben und sie mit der dunklen, diffusen House-Ästhetik zu verbinden, die wir so schätzen. „Hands to Hold“ war der erste Track, mit dem uns das gelungen ist – wir waren so davon begeistert, dass wir das auf der nächsten EP unbedingt vertiefen wollten. Superabstrakte Musik und geradliniger Pop haben uns schon immer gleichermaßen angezogen. Alle unsere Lieblingsbands folgten diesem Muster und wir nehmen uns gerne die Freiheit, vielseitig zu komponieren und unsere Musik trotzdem geschlossen zu gestalten.
Ihr seid in einem Dance-Sektor aktiv, der eher instrumental geprägt ist – warum sind euch Lyrics wichtig? Welche Rolle spielt Gesang für euch?
Tom: Die Lyrics sind die Geschichte. Eine gute Geschichte hinter einer schönen Melodie macht einen großartigen Song aus. Für uns gibt es einen Unterschied zwischen einem großartigen Track und einem großartigen Song. Ein großartiger Track kann instrumental oder dubby sein – ein brillantes Stück Produktionszauberei und/oder Instrumentierung. Doch ein Song kann schon großartig sein, wenn nur jemand singt und Gitarre spielt – selbst wenn alles dilettantisch aufgenommen ist. Die Vibes lassen sich nicht manipulieren oder vorgaukeln. Das sind zwei verschiedene Herangehensweisen an Musik, und keine ist besser als die andere.
Jimmy: Die menschliche Stimme liefert beim Hören einen Bezugspunkt – den Erzähler der Geschichte. Sie setzt die Lyrics ins rechte Licht und gibt die Stimmung vor. Und sie lässt die Hörer wissen, dass hinter all den Sounds Menschen stehen – egal wie digital die Produktion klingt.
Welche Rolle spielt Technologie in eurer Musik?
Tom: Technologie hilft uns dabei, die Sounds in unseren Köpfen zu realisieren. Sie beschleunigt das Ausprobieren: Wir können per Mausklick zahllose verschiedene Reverbs oder Kompressoren testen. Software bietet grenzenlose Möglichkeiten, doch wir halten an bestimmten Aspekten fest, von denen wir wissen, dass sie gut funktionieren – und nutzen sie immer wieder. Wir haben in unserer Musik einige Samples und Synths, die in Ableton enthalten sind, verwendet. Für unser Album kam auch der Glue Compressor zum Einsatz.
Ich habe in einem Interview gelesen, dass ihr euch lange mit einzelnen Sounds eurer Tracks befasst – das ist auch deutlich zu hören. Wie geht ihr dabei in Ableton Live vor, etwa beim Entwickeln von Rhythmen?
Tom: Ableton macht es uns leicht, Sounds und Samples zu kombinieren. Wir können einen Loop von Vinyl aufnehmen, Timestretching anwenden, ihn hoch- oder runterpitchen, Teile davon wegschneiden und den Groove komplett verändern… alles in weniger als einer Minute. Als wir unser Album produzierten, wollten wir unsere Arbeitsweise noch einfacher gestalten. Wir kauften uns eine Patchbay, um keine Zeit mit dem Ein- und Ausstöpseln von Kabeln zu vergeuden. Mit Live macht die Tontechnik Spaß und ist keine frustrierende Angelegenheit. Tontechnik kann manchmal sehr frustrierend sein, wenn man von technischen Problemen aufgehalten wird...
„Wenn man Sounds warpt und mit dem Tempo oder dem Takt experimentiert, findet man vielleicht den Beginn eines neuen Tracks – oder genau das Element, dass einem Song noch fehlt.“
Jimmy: Der Operator-Synth kommt bei uns oft zum Einsatz. Er hat einige großartige Presets, die als Startpunkte dienen, das Spielen geht leicht und macht Spaß. Außerdem hat Operator einen Signature-Sound, der uns gefällt. Das ist ein digitaler Synth, doch man kann ihn sehr roh und analog klingen lassen. Dank Lives Warping-Funktion lässt sich jeder beliebige Sound in einen Groove verwandeln. Ein vorüberfahrender Zug oder zwitschernde Vögel… alles kann einen Rhythmus haben. Wenn man Sounds warpt und mit dem Tempo oder dem Takt experimentiert, findet man vielleicht den Beginn eines neuen Tracks – oder genau das Element, dass einem Song noch fehlt.
Eure Musik wird von tiefen Frequenzen vorangetrieben. Wie hört ihr diese Art von Sounds ab? Nutzt ihr im Studio einen Subwoofer oder Referenzkopfhörer?
Jimmy: Wir sind große Fans von 8”-Konuslautsprechern. Seit einer Weile nutzen wir die KRK 8-Boxen. Für uns ist es am wichtigsten, das Eisen zu schmieden, solange es noch heiß ist - gute Ideen schnell festzuhalten. Über die klanglichen Details machen wir uns erst später Gedanken. Größere Lautsprecher helfen bei der Abbildung der richtig tiefen Bässe. Um den Bass zu überprüfen, höre ich unsere Musik auch im Auto – das funktioniert für mich immer. Die meisten Auto-Anlagen haben einen netten Punch, man kann im Sitz den Bass spüren und besser verstehen, wo die Bässe sitzen.
Ich habe mir einige eurer Podcasts und Mixes angehört und bin sehr beeindruckt von ihrer Detailtiefe. Wie editiert ihr Tracks? Wie entwickelt ihr Mixes?
Jimmy: Freut mich, dass du das bemerkt hast! Wir investieren viel Arbeit, aber es ist für uns auch ein Riesenspaß. Mixe zu machen finden wir sehr inspirierend. Es gibt uns die Möglichkeit, eine Menge Musik zu hören und zu analysieren, was sich wiederum auf das eigene Musikmachen auswirkt. Wir machen tonnenweise Edits und zerlegen die Tracks in ihre Einzelteile, um Stimmungen zu erzeugen. Wir bringen auch eigene Samples ins Spiel und entwickeln manchmal komplett neue Beats, indem wir vier oder fünf Tracks nehmen und mit Eigenkreationen kombinieren.
Tom: Bei unseren ersten Gigs präsentierten wir unsere Songs in Form eines DJ-Sets, mit Live-Vocals von mir. Wenn wir heute einen Mix machen, ist das auch eine Rückkehr zu unseren Anfängen.
Nutzt ihr Ableton auf der Bühne? Falls ja – wie bereitet ihr eure Musik für die Live-Performance vor?
Jimmy: Ableton spielt in unseren Live-Performances eine wichtige Rolle. Bei unserer Album-Tour wird Tom für die Vocals und Gitarre zuständig sein. Ich werde auf einem Laptop in Ableton Clips abspielen und auf einem zweiten Laptop mit Ableton Synth-Sounds erzeugen. Wir fassen unsere Clips für jeden Song zu Gruppen zusammen (Kick-Drum, Percussion 1, Percussion 2, Bass, Melodien, Effekte). Dann teilen wir die Song-Arrangements in Abschnitte auf (Intro/Hauptteil/Outro). Auf diese Weise können wir leicht zwischen den Songs überleiten, indem wir nach und nach einzelne Elemente einfügen und entfernen.
Tom: Wir haben alle Clips auf einen MIDI-Controller gemappt, damit wir nicht auf den Laptop-Bildschirm schauen müssen. Weil wir im Verlauf unseres Sets oft das Tempo wechseln, sind alle Spuren zudem auf ein Raster gewarpt. Unser Set ist so angelegt, dass wir die Dynamik unserer Live-Show – Spannungsaufbau und wechselnde Stimmungen – in Echtzeit steuern können. Jede Show ist anders – wie bei einem DJ-Set will man gut vorbereitet sein, aber auch an keiner Stelle Kompromisse eingehen bei dem, was man macht.
Alle unsere Clips, Keyboard-, Vocal- und Gitarren-Parts werden für den Live-Mix an einen FOH-Engineer gesendet, der die Kontrolle über jeden Sound in unserer Show hat. Selbst wenn es auf den Monitorboxen super klingt – vielleicht sind die Vocals oder die Gitarre ja zu laut oder ein Clap auf der Anlage zu leise. Es ist einfach besser, wenn sich jemand anderes darum kümmert. Dann können wir uns komplett darauf konzentrieren, eine optimale Show abzuliefern.
Bleiben Sie bei Bob Moses über Soundcloud auf dem Laufenden.