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Aril Brikha: Ein Remake von “Groove La Chord” mit Live und Note
Was ist das Geheimrezept für Hits? Geht es um die richtige Balance aus Talent, Inspiration und jahrelanger Übung? Um Glück, vielleicht um höhere Kräfte? Romantische Dichter wie Coleridge und Shelley glaubten, die Seele müsse sich dem Göttlichen oder mystischen Kräften zuwenden, um Empfänglichkeit für künstlerische Visionen zu erlangen. Im alten Griechenland glaubte man, unbewusste Ausbrüche kreativen Genies stammten von den Musen, den Schutzgöttinnen der Literatur, der Wissenschaft und der Künste. Eine Antwort auf die althergebrachte Frage nach der künstlerischen Inspiration haben wir indes auch heute noch nicht.
Warum versuchen wir also nicht einfach, stattdessen einen bereits bestehenden Hit neu zu schreiben? Wenn wir genau nachempfinden, was schon mal jemand gemacht hat, ist das Ergebnis dann dasselbe? Können wir den zündenden Funken ein zweites Mal entfachen? Wir haben Aril Brikah gebeten, es für uns auszuprobieren. Der iranischstämmige Produzent weiß schließlich, wie man einen Hit produziert: Mit „Groove La Chord” verdanken wir ihm eine der ikonischsten Hymnen des Detroit-Techno.
In Zusammenarbeit mit XLR8R sprachen wir mit Brikah über das Entstehen von „Groove La Chord” und seinen Prozess des Wiederproduzierens des Tracks – diesmal mit Live und Note. Für detaillierte Einblicke hat er den Download zu seinem Live- und Note-Set mit uns geteilt.
Hier geht’s zum Download des Live-Sets von „Groove La Chord”*
*Erfordert eine Live-Suite-11-Lizenz oder die kostenlose Testversion.
Hier geht’s zum Download des Note-Sets von „Groove La Chord”*
*Erfordert Note auf einem iOS-Gerät mit iOS 15 oder höher. Alternativ kann das Note-Set auch mit der neuesten Version von Live Suite 11 oder der kostenlosen Testversion geöffnet werden.
Bitte beachte: Diese Sets und alle enthaltenen Samples sind ausschließlich zu Studienzwecken gedacht und dürfen nicht kommerziell verwendet werden.
Danke, dass du dich dieser Herausforderung annimmst, Aril. Bevor wir tiefer einsteigen: Kannst du uns ein bisschen was darüber erzählen, wie du zum Musikmachen gekommen bist?
Mein Vater war sehr an Musik interessiert. Er hat mir mit sieben ein Keyboard geschenkt. Also eigentlich hat er es sich, glaube ich, für sich selbst besorgt, aber es war für mich gedacht. In meinen frühen Teenagerjahren habe ich vor allem 80er-Jahre-Pop auf MTV gehört. So richtig hat mir aber immer die elektronische Musik gefallen. „Behind the Wheel” von Depeche Mode war der erste Track, an den ich mich gut erinnere, der eine prominente Kickdrum hatte.
Ich bin in einer Kleinstadt namens Jönköping außerhalb von Stockholm aufgewachsen und hatte nicht wirklich andere Leute, mit denen ich Ideen hätte austauschen oder von denen ich lernen hätte können. Es gab damals kein Internet und fast keine Magazine, also habe ich das Musikmachen einfach selbstständig gelernt. Ich war aber mit ein paar Leuten befreundet, die regelmäßig Platten gekauft haben. Irgendwann haben sie mir gesagt, dass man die Musik, die ich mache, Detroit Techno nennt.
Also hast du Detroit Techno gemacht, bevor du überhaupt davon gehört hattest?
Ich hatte definitiv noch nichts davon gehört, weil wir in Jönköping nur P3 hatten, einen staatlichen Radiosender, wo nur selten mal Clubmusik lief. In diesen frühen Tagen habe ich mich also eher auf die melancholischen Vibes und Melodien von Depeche Mode bezogen, und auf die Energie von Nitzer Ebb und Kraftwerk. Zeitlich kriege ich das alles nicht genau zusammen. Ich werde jetzt nicht sagen, dass ich Detroit Techno erfunden habe. Es gab damals viel EBM. Und ich würde immer noch sagen, dass EBM einfach sehr ein Vorläufer für Techno war, ohne den melodischen Aspekt. Das wollte ich nachbauen. Ich habe nicht aufgelegt, habe keine Platten gesammelt oder gesampelt. Mein Hintergrund war, dass ich einfach einen Sequencer und Hardware hatte und damit was anstellen wollte.
Welche Synths und Drum-Machines hattest du als erstes?
Der erste Synth, den ich hatte, war der Ensoniq SQ80. Ich wollte lernen, wie man den programmiert, bevor ich irgendwas über Musik wusste. Ich wollte einfach nur nachbauen, was ich glaubte, auf Partys oder Platten gehört zu haben. Ich fand eher die minimalistischen Sounds von Artists wie Robert Hood oder Basic Channel interessant. Der SQ80 war aber nicht so bedienbar wie ein Roland Juno. Man musste sich wirklich mit den Menüs auseinandersetzen. Wenn ich Leuten erzählt habe, mit welchem Synth ich arbeite, haben sie ihn sich gekauft, ihn dann nach einer Woche in die Tonne getreten und gesagt „wie kommst du nur mit diesen Menüs zurecht?”. Aber es war schön, einen Synth programmieren zu lernen, der erstmal völlig unzugänglich wirkte. Durch entweder Glaube oder Schicksal bin ich bei dem geblieben. Ich glaube, Adamski war die berühmteste Person, die je mit dem Ensoniq SQ80 gearbeitet hat. Ich weiß noch, wie ich „Killer” hörte und mir dachte: „Hey Moment mal, diese Stabs kenne ich doch!”
Neben dem SQ80 hatte ich eine Roland R8, eine digitale Drummachine mit 808- und 909-Kits. Und irgendwann in der Mitte der 90er habe ich eine Anzeige von einem Typen gesehen, der ein Roland System 100 verkauft hat, eine Roland 808, 303 und eine Yamaha CS-5, zusammen mit einer E-Gitarre. Das war am Ende der Ära, als man noch solche Jackpots knacken konnte, und das Glück hatte ich definitiv.
„Groove La Chord'' wurde komplett live aufgenommen. Wenn ich an dem Tag nicht Play auf meinem Audiorekorder gedrückt hätte, gäbe es den nicht.”
Was war dein erster Release?
Mein erster Release war auf PTS, einem Label aus meiner Heimatstadt. Später habe ich meine Musik dann auf schwedischen Labels wie Svek veröffentlicht. Und ich habe Demos an F Communications und Soma geschickt. Niemand davon wollte die haben. Also dachte ich irgendwann, scheiß drauf, ich schicke die Demos einfach nach Detroit, wo diese Musik auch hingehört. 430 West und Transmat haben sich innerhalb von drei Tagen bei mir gemeldet, was krass war, nachdem ich drei Jahre lang versucht hatte, meine Musik in Europa zu veröffentlichen. Der erste Release kam auf Fragile raus, einem Sublabel von Transmat. Er hieß Art of Vengence EP und „Groove La Chord” war auch drauf.
Hat der Erfolg von „Groove La Chord” dich überrascht?
Der kam überraschend. Ich war jetzt nicht so wie „Wenn der Track seinen Weg nach Hause zurück findet, dann werden die Leute den ganz sicher verstehen.” Ich habe selber nicht mal an den Track geglaubt. Als das Label dann auf mich zukam und sagte, dass sie den haben wollen, hat mich das sehr überrascht. Ich dachte, die wissen gar nicht, wovon sie reden. Aber ich lasse sie die A-Seite aussuchen und ich suche die B-Seite aus. Niemand erinnert sich natürlich an die B-Seite. An die A-Seite erinnern sich alle.
Entschuldigung, was war die B-Seite?
Haha, genau! Die hieß „Way Back”. Die hat sich echt so angefühlt wie der Sound, den ich damals wollte. Ein repetitiver Track, so wie „Groove La Chord”. Aber „Groove La Chord” war für mich ein dummer, einfacher Zufall. „Groove La Chord” wurde komplett live aufgenommen. Wenn ich an dem Tag nicht Play auf meinem Audiorekorder gedrückt hätte, gäbe es den nicht. Es ist ein Wunder, dass der es überhaupt auf ein Demo geschafft hat. Ich hörte das kommerzielle Potenzial damals nicht, und das sagt alles über mich als DJ oder A&R. Ich meinte also zum Label „ja cool, ihr sucht euch die A-Seite aus, ich die B-Seite, und dann schauen wir mal, welche ein Hit wird”. Sie hatten Recht.
Im Rückblick: Was hat „Groove La Chord” damals so erfolgreich gemacht?
Es ist die Einfachheit. Er ist so reduziert. Alles, was man hört, ist auf einer Roland R8-Drummachine entstanden. Die Beats und die Bassline. Der Akkord ist das einzige, was vom Ensoniq SQ8 kommt.
Das hat sich beinahe angefühlt, als würde ich mogeln. So hat es sich auch angefühlt, als ich den Track vor kurzem in Live und Note nachgebaut habe. Er ist so einfach, dass ich mich niemals im Leben mit sowas zufrieden geben würde. Und ich glaube, das war vor und nach dem Track mein Problem. Ich habe meine Musik immer zu stark bearbeitet und zu viel hinzugefügt. Ich glaube, wer Musik macht, kennt sowas einfach. Ich glaube, man muss einfach den Mut und das Ohr haben, um zu merken, wenn man sonst nichts braucht. „Groove La Chord” baut wirklich einfach nur Spannung auf, indem der Filter auf- und zugeht, und durch die Ride, die dazukommt und wieder verschwindet. Es sind diese sehr einfachen Tricks, die das Momentum aufrechterhalten. Wenn ich nur einen Takt davon auf Repeat spielen würde, wäre das so langweilig. Was ihn interessant macht, ist ihn in Echtzeit zu spielen.
Wie hat „Groove La Chord” deines Erachtens damals zu anderen Platten gepasst, die zu der Zeit rauskamen?
„Groove La Chord” war ein Crossover-Hit zu einer Zeit, als alles entweder New York House oder Techno war. Ich habe da nicht versucht, eine Lücke zu schließen. Ich habe House geliebt, und Techno geliebt, und auch alles dazwischen. Aber ich habe festgestellt, dass House-DJs „Groove La Chord” runtergepitcht und Techno-DJs ihn auf normaler Geschwindigkeit aufgelegt haben. In Detroit gibt es ein Genre namens Ghettotech, und die haben „Groove La Chord” auf 45 rpm gespielt! Also haben den Track irgendwie alle gespielt. Es hat über ein Jahr gedauert, bis ich das realisiert habe und ein paar Reviews hatte. Damals war das so die Zeit, die Magazine gebraucht haben, um eine Single aufzugreifen und eine Review zu schreiben. Und dann haben mehr Leute den Track gekauft.
Ich denke also, am Ende waren das Geheimrezept die Einfachheit und vielleicht das Genreübergreifende. François K und andere Artists haben ihn back to back auf Vinyl gespielt. Ich habe gehört, sie hatten ihn doppelt und haben ihn einfach eine halbe Stunde lang gespielt. Und auch in jüngerer Zeit habe ich DJs den Track spielen und andere Dinge hinzufügen gehört. Er funktioniert richtig gut mit anderen Tracks. Wie ein Tool.
"Ich habe einfach alles ins Rote gepusht, das war mir egal."
Wie hast du die Parts in „Groove La Chord” damals aufgenommen?
Im Studio gab’s keine DAW und keine Möglichkeit, einen Mix zu überarbeiten. Es ging einfach nur darum, den Vibe des Moments einzufangen. Vor allem, wenn man keine Arrangements gemacht hat. Ich hab das damals nicht gemacht und arbeite auch heute noch nicht linear. Ich arbeite immer in der Session-Ansicht. Das Set-up damals war einfach. Ich hatte mein Fostex 812-Mischpult, einen Alesis QudraVerb und einen Yamaha-R100-Delay. Die Roland R8 hatte eine Gruppe von Sounds, die in einen Kanal des Mixers gegangen sind. In diesem Fall war das die runtergestimmte 808-Kick mit einer Clap und der Ride. Und der Kanal war super gesättigt, also war alles schön und crunchy, als die Ride reinkam.
Hast du die Sättigung erreicht, indem du einfach die Kanäle an deinem Mixer übersteuert hast?
Genau. Und ich habe Signale in die Delay-Einheit übersteuert, einfach um eine bestimmte Textur zu erzeugen. Ich habe im Grunde gar nicht so viel geschaut, habe die Dinge einfach nach Gehör geregelt, bis ich einen spannenden Sound gefunden habe. Ich erinnere mich, wie Jesper Dahlbäck eines Tages vorbeikam und sah, dass alles auf meinem Mixer ins Rote ging. Er meinte, „du kannst so nicht arbeiten” und ich sagte, „aber es klingt halt gut” – „Ja, aber das macht man nicht”, meinte er. Ich habe einfach alles ins Rote gepusht, das war mir egal.
Du meintest, du hast bei den Akkorden Spannung erzeugt, indem du den Filter geöffnet und geschlossen hast. Welche anderen Parameter hast du in Echtzeit verändert, um den Track spannend zu halten?
Was ich total gerne mache, ist die Mitten im EQ zu sweepen. Ich habe sie manipuliert, um im Akkord für Bewegung zu sorgen. Ich habe den Fostex-812-Mixer genau deshalb, weil man bei dem die Mitten sweepen kann.
Ich habe auch die Subfrequenzen der Kick eine Weile rausgefiltert. Ich glaube, es dauert im Track zwei oder drei Minuten, bis die Kick wirklich reinkommt. Und das habe ich mit Absicht so gemacht. Sie klingt gut im Mix, und drei Minuten später macht sie einfach Boom! Und es ist total abgefahren, das in einem Club zu sehen. Früher, als nichts super gut gemastert oder richtig laut war, hatte das wirklich Druck.
Wie viele Takes hast du aufgenommen, bevor du wirklich zufrieden warst mit dem Track?
Ich glaube, ich habe zwei oder drei Takes aufgenommen. Aber den ersten habe ich behalten. Keine Edits, keine Postproduktion. Ich habe den einfach direkt ins Aufnahmegerät aufgenommen. Ich dachte, vielleicht versuche ich’s nochmal, um ihn noch pointierter zu kriegen. Weil ich gehört habe, dass ich die Ride nicht nach einer bestimmten Anzahl an Takten reinkommen ließ, oder auch die Filter regelmäßig verändert habe. Wenn man sich die Platte anhört und Elemente einzählt, macht nichts davon Sinn. Deshalb habe ich versucht, sie nochmal aufzunehmen. Aber nichts hatte auch nur annähernd die Energie des ersten Takes. Es ist wirklich ein gigantischer Glücksfall, dass dieses Ding überhaupt an einen Punkt kam, wo ich zehn Minuten des Aufnahmegeräts verschwendet habe, um es aufzunehmen. Aber es sind die besten 10 Minuten, die ich jemals verschwendet habe.
Nach dem Erfolg des Tracks hast du eine Tour gemacht und ihn auch live gespielt, oder?
Ja. Also im Grunde haben Transmat mich eingeladen, sie auf einer Amerika-Tour und einer Europa-Tour zu begleiten. Ich habe mir dann eine Akai MPC 2000 gekauft und alle Drum-Sounds vom Roland R8 draufgespielt. Der Ensoniq SQ80 kam auch mit, und ich habe ihn einfach genauso gespielt wie zu Hause. Und von der MPC bin ich irgendwann zu Ableton Live übergegangen, bevor das MIDI-fähig war. Ich habe also alles aus meiner Hardware aufgenommen. Gottseidank ist „Groove La Chord” zweifellos der bekannteste Track, den ich gemacht habe, also erkennen den die meisten Leute, wenn ich ihn spiele. Nachdem ich ihn 25 Jahre lang gespielt habe, versuche ich mittlerweile natürlich, verschiedene Versionen davon zu spielen. Ich spiele ihn langsamer oder mache Mashups. Aber ihn genauso zu spielen wie das Original, das ist schwer. Und genauso hat es sich angefühlt, ihn mit Live und Note nachzubauen. Wenn ich mich auf diese drei Kanäle limitiere, ist es echt schwer, ihn für mehr als zwei Minuten interessant zu halten. Man muss kleine Änderungen am Sound machen, oder zumindest muss ich das, damit es nicht öde wird, wenn man immer denselben Akkord über einem Beat hört.
Wie sieht dein Bühnen-Setup aus?
Das ist seit Jahren ein Ableton-Set-up. Ich habe auch eine Roland TR8, einen Livid Code Controller und ein Launch Pad. Das war’s im Grunde. In Live launche ich kein Arrangement in irgendeiner Form. Jeder Song ist eine Szene in der Session-Ansicht. Alles ist einzeln; die Kick-Drum, Hi-Hats, Bassline, Percussion und Akkorde. Ich habe zwei oder drei VST-Kanäle für bestimmte Spuren offen. Ich benutze keine Aufnahmen der VST-Instrumente. Ich versuche, die Tracks so genau wie möglich am Original zu halten.
Ich glaube, die Hälfte der Menschen, die mich auftreten sehen, wissen gar nicht, dass ich nicht auflege, sondern live spiele. Und es ist mir immer noch wichtig, keine vorgefertigten Arrangements oder Build-Ups zu benutzen. Es gibt keine Szenen, in denen ich cheate oder mir das Leben einfacher machen will. Manchmal mache ich Fehler – wenn der Whiskey zu gut schmeckt. Manchmal ist der Whiskey auch so gut, dass ich die allerbesten Sets spiele.
Wie einfach oder schwer war es, den Sound der Hardware vom Originaltrack mit Lives Anwendungen nachzubauen?
Das war an manchen Stellen schwer und an anderen relativ einfach. Die 909- und 808-Kits auf der Roland-R8-Drum-Machine klangen nicht ganz authentisch, und ich war in den 90ern, als ich die gekauft habe, völlig genervt. Aber ich glaube irgendwie, dass mir die am Ende zum Vorteil wurde. Man konnte die Sounds nicht nur durch Verstimmen manipulieren, sondern auch, indem man die verschiedenen Nuancen und Charaktere einstellt. Ich wollte das in Live nicht nachstellen. Ich habe einfach die klassischen 808- und 909-Kits der Software benutzt. Die klingen mehr wie originale 909s und 808 als die R8 damals.
Das erste, was ich in Live gemacht habe, war im Grunde dasselbe wie damals beim Original. Ich habe einfach die 808-Kick und die Clap gespielt. Ohne viel EQ. Der Großteil der Klangformung entsteht im Saturator. Natürlich klingt der Saturator nicht so wie mein alter Fostex-Mixer. Ich habe eher versucht, dass es mit dem, was mir zu Verfügung steht, so gut wie möglich klingt, als dass ich versucht hätte einen Klon des Originals zu erstellen. Ich habe den Drive des Saturators gepusht, um diese Obertöne zu bekommen und einen ähnlichen Effekt zu erreichen. Ich entschied mich auch dazu, die Kanäle in Live zu gruppieren, um die Haupt-Ausgänge des R8 nachzuahmen. Im Original kam die Kick aus den linken und rechten Hauptausgängen des R8. Alles andere kam aus einem anderen Ausgang und hatte dieselbe Verzerrung und Saturation, weil die im Fostex-Mixer erzeugt wurde.
Beim Original hatte ich auf dem Master auch einen billigen Behringer-Kompressor. Ich wusste damals gerade so, was ein Kompressor war oder machte, aber jeder hatte einen. Ich habe mitbekommen, dass Daft Punk einen hatten, alle wichtigen Techno-Leute hatten einen und man brauchte die für diese pumpenden Sounds. Also dachte ich, klar. Ich habe einen gekauft und ihn auf den Master gelegt. Ein Tontechniker würde wahrscheinlich lachen oder mir sagen, dass das ein völlig irres Setup ist, aber ich hab den einfach bis zu dem Punkt gebracht, an dem er alles zusammengeschmolzen hat. Normalerweise ist es in einer DAW schwer, Dinge zu verschmelzen. Mit dem Behringer-Kompressor auf dem Master konnte ich einfach alles an diesen Sweet Spot treiben. Dadurch entsteht diese Spannung zwischen den Sounds.
Wenn der 808-Bass reinkommt, wirkt es, als würden die 909-Rides ein bisschen leiser werden. Ist da irgendwie Sidechaining im Spiel?
Nein, genau das meinte ich gerade mit dem Verschmelzen. Das ist einfach nur, weil die Ride mit dem Bass um ihren Platz kämpft. Weil das alles in einen Gruppen-Kanal mit der Sättigung geht. Das erzeugt dieses Ducking. Im Original wurde in dem Projekt nichts gesidechained.
Wie hast du deine berühmten Akkorde in Live gebaut?
Ich habe Lives Wavetable-Synth für die Akkorde benutzt. Wenn man sich Wavetable anschaut, ist der Oszillator 2 um 7 Halbtöne verstimmt, was heißt, dass wir hier nicht nur einen Moll-Akkord haben, sondern etwas mit einer Septime. Genauso habe ich das damals mit dem Ensoniq SQ80 gemacht. Ich hatte damals gar keinen musiktheoretischen Background, ich habe einfach experimentiert. Der SQ80 war nicht der einfachste oder logischste Synth den man hätte lernen können, aber ich habe damit gelernt, wie wichtig es ist, wie dein Synth klingt. Ich könnte den im Schlaf bedienen. Ich weiß genau, was ich tun muss, um irgendwo hinzukommen.
Wenn man in mein Live-Set geht und sich die Akkorde anschaut, sieht man, dass ich den EQ Eight so eingestellt habe, dass ich die Mitten sweepen kann. Normalerweise aktiviere ich im EQ Eight den Filter Nummer 3 und mappe den an einen Makro. Dann kann ich einfach die Frequenz sweepen und diese Dub-Akkorde erzeugen. Es geht dabei immer um Mitten, die man sweepen kann.
Vor kurzem habe ich’s auch geschafft, das Akkordmuster mit dem SQ80 neu aufzunehmen. Ich habe das in das Live-Set eingebaut, damit man den Unterschied hört.
In Live klingt der Akkord, als hätte man ihn an eine Filter-Hüllkurve geroutet. Das liegt daran, dass die Noten kürzer werden, wenn der Filter geschlossen ist. Kannst du uns das nochmal genauer erklären?
Die Hüllkurve und der Filter spielen eine wesentliche Rolle in der Klangformung. Tatsächlich würde ich die Filter-Hüllkurve immer noch gerne verändern und schauen, was passiert; und dadurch noch näher ans Original kommen. Ich bin zu 85 % zufrieden mit dem Ergebnis. Wenn man nur zwei Hände hat und alles live spielen soll, will man nicht viel ändern. Deshalb spiele ich nicht in Echtzeit mit den Decay- oder Release-Einstellungen der Hüllkurve. Ich würde echt einfach nur den Filter-Cutoff ändern und Resonanz hinzufügen. Um da hinzukommen, brauche ich eine Hüllkurve, die den Akkord genauso klingen lässt, wie ich ihn will, wenn der Cutoff komplett geschlossen ist. Ich konnte das in Live nicht exakt nachbauen. Aber das Tolle an Live ist, dass ich den minimalen Wert der Cutoff-Frequenz an einen Makro mappen kann. Das hilft sehr.
Man hört die Bewegung in der Hüllkurve und wie sie sich auf das Original auswirkt, sobald der Filter aufgeht. Da ist auch ein After-Release auf dem Akkord, der Einfluss auf den Filter hatte. Und wenn man den Filter öffnet, kriegt man eine sehr scharfe Attack. All diese kleinen Dinge machen den Sound aus.
Hast du einen Controller benutzt, um die ganze Automation in Live aufzuzeichnen?
Ja – in diesem Falle ein Alesis-Keyboard mit acht Pads, Sliders und Reglern. In Live habe ich die Slider an die Lautstärke der drei Kanäle gekoppelt, wie bei einem Mischpult. So konnte ich die Beats einfach reinfaden.
Welchen Effekt hat Auto Pan auf deine Akkord-Spur?
Auto Pan benutze ich, um ein bisschen Bewegung zu erzeugen, sodass die Ohren nicht müde werden, wenn immer und immer wieder derselbe Akkord gespielt wird. Auf dem Ensoniq SQ80 würde ich einen LFO auf den Amp packen, um diese Art von Weite und Bewegung zu bekommen.
Welchen Effekt hat Phaser auf den Reverb-Returntrack?
Ich wollte die Alesis-QuadraVerb-Effekte vom Original nachbauen. Wenn man sich das Original-Intro anhört, hört man die deutlich. Die sind sowohl auf dem Bass, als auch auf der Clap-Gruppe, als auch auf dem Akkord. Damit wollte ich wieder Bewegung reinbringen. Der QuadraVerb hat den Sounds diese langsame Modulation verpasst. Ich glaube, original war das ein Reverb, Chorus und irgendeine Art Phaser oder Flanger. Um das nachzubauen, habe ich Lives Phaser auf den Returntrack gelegt, mit dem „Acoustic Cascate”-Preset.
Schauen wir uns mal die Note-Version von „Groove La Chord” an. Wie fandest du den Prozess des Beat-Programmierens mit der App?
In Note habe ich das Metronom ein bisschen langsamer eingestellt, weil 133 BPM – das Originaltempo – für mich ein bisschen zu schnell war, um die Beats mit meinem iPhone einzuspielen. Ich habe wieder versucht, den Entstehungsprozess des Originals nachzubauen, wo es eben ging. Damit meine ich, einfach die Bassline reinhauen, das 808-Kit, die Clap, und das genauso aufzubauen.
Warum hast du deinem 808-Kit-FX in Note Delay hinzugefügt?
Weil der Delay auch der Kickdrum die Modulation und den rhythmischen Groove verleiht. Im Original habe ich den Yamaha-R100-Delay benutzt. Aber in Note habe ich speziell diesen Delay einfach so versucht einzusetzen, wie es in der App gedacht ist – als ein Skizzentool um eine Idee festzuhalten, die man schon hat, oder in dem Fall, eine 25 Jahre alte Idee nachzubauen. Es ging einfach darum, einen Rhythmus zu finden. Ich weiß, wie das originale Kick-Pattern gespielt wird. Wenn man den Dry/Wet entfernt, hat die keinen Groove. Es geht darum, die Balance zu finden, wie viel Delay man hinzufügt, um genug Rhythmus zu finden, ohne die Substanz und den Punch rauszunehmen.
Warum hast du das Mellow-Tine-Keys-Preset für deine Akkorde in Note ausgewählt?
Ich wollte ein Synth-Preset, das entweder einen um fünf oder um sieben Halbtöne verstimmten Oszillator hat. Die Filter-Hüllkurve des Presets hat nicht dieselben Makros, wie ich sie in Live benutzt hätte, aber durch Änderungen in den Decay- und Release-Einstellungen hatte ich am Ende einen ähnlichen Effekt.
Wie fandest du den Effekt, den Notes Flanger auf deinen Akkord hatte?
So wie auch schon davor habe ich versucht, die richtige Balance zwischen der Geschwindigkeit der Modulation des Flangers und der Balance zwischen Dry und Wet zu finden. Bei einem Mischpult hätte ich meine Effekteinheiten auf 100 % wet gestellt und Sends benutzt, so habe ich das immer gemacht. Ich schätze mal, ich bin einfach an die gute alte Art des Dub-Mixings gewöhnt.
In Note hast du verschiedene Szenen mit leicht unterschiedlichen Clips auf der Akkord-Spur. Was passiert hier?
In der ersten Szene hat der Clip keinerlei Automation. In der zweiten Szene habe ich dann Automation aufgenommen, wo der Akkord sich öffnet. Ich mache dann eine weitere Szene, wo die Pulsweite sich langsam auf und ab bewegt; so als würde ich die Mitten sweepen. Ich mache dann noch mehr Szenen, als wäre das Lives Session-Ansicht. Szene 1 ist das Intro mit nur der Kick. Die 808 und die Akkorde kommen in Szene 2 rein. In Szene 3 spielt dann alles. In den darauffolgenden Szenen wird der Filter geöffnet und geschlossen.
Aril, vielen Dank, dass du die wahnsinnige Geschichte hinter „Groove La Chord” mit uns geteilt hast. Was steht bei dir 2023 an?
Nachdem ich kurz vor der Pandemie ein Restaurant eröffnet habe und da erst kürzlich raus bin, freue ich mich einfach darauf, wieder ins Studio zu gehen und Musik zu machen. Ich habe seit meinen letzten zwei Alben Dance of a Trillion Starsund Prisma nichts veröffentlicht. Die kamen 2020 auf Mulemusiq raus. Aber die wurden in die Leere der Pandemie released und haben sich darin verloren.
Ich mache zur Zeit wenig Musik. Ich persönlich muss in einem Zustand sein, wo ich das ohne Druck oder Intention mache. Man könnte annehmen, dass das alles durch die jahrelange Erfahrung leichter wird, je älter ich werde. Ich habe aber das Gefühl, es kommen weitere Hürden dazu, im Sinne von „du kannst das nicht machen oder solltest das tun”. Mein Ziel für die Zukunft ist, die Freude daran wiederzufinden, einfach zum Spaß für mich selbst Geräusche zu produzieren, ohne Erwartungen an die Ergebnisse. Das ist im Grunde das, was ich als Teenager gemacht habe, als ich noch gar keine Ahnung hatte, was ich da eigentlich mache. So ist „Groove La Chord” entstanden, in meinem Schlafzimmer, auf meinen Kopfhörern, einfach für mich selbst.
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Text und interview von Joseph Joyce.
Eine Version dieses Artikels erschien auf XLR8R.