ANTI-MASS: Von Uganda aus ins Ungewisse
Die Elektronische Musik musste sich einer Abrechnung durch die nicht-westliche Welt unterziehen: Nach vielen Jahren und Jahrzehnten einer recht einseitigen Repräsentation US-amerikanischer und europäischer Artists hat die globale Vernetztheit dazu geführt, dass zunehmend auch andere Regionen und Kulturen in den Fokus geraten. Im Gegenzug hatten diese Entwicklungen den Effekt, dass lokale Szenen mit neuem Wind und neuen Ideen versorgt werden. Uganda und Ostafrika sind besonders gute Beispiele für diese Entwicklung, wie ein Aufstreben junger, energievoller und ihren eigenen Regeln gehorchender Musik zeigt. Ein wichtiger Akteur darin ist Nyege Nyege, ein Festival und Label, das 2015 in Jinja, Uganda gegründet wurde und seither zahlreichen lokalen Artists eine künstlerische Plattform und Kontakte in die internationale Szene bietet. Mehrere Artists und Crews wurden von Nyege Nyege inspiriert, ihre eigenen kreativen Visionen zu verfolgen: zum Beispiel das queere Kollektiv ANTI-MASS.
Uganda ist immer noch von repressiven Gesetzgebungen gegenüber Menschen aus dem LGBTQIA+-Spektrum geprägt. In diesem gesellschaftlichen Kontext kämpfen ANTI-MASS sowohl um das eigene Überleben, als auch um die Möglichkeit, in Kampala und darüber hinaus Events zu veranstalten. Jene Dringlichkeit findet ihren Ausdruck in der Musik, die sie sowohl einzeln als auch als Kollektiv produzieren und performen – ein klanglicher Flickenteppich, in dem sowohl Fragmente etablierter elektronischer Musik hörbar sind, als auch traditionelle ostafrikanische Rhythmen und Elemente von Noise. Die verschiedenen Elemente fließen in ein gleichermaßen fluides wie fokussiertes Ganzes zusammen, das den Geist und die Energie der einzelnen Beteiligten spiegelt. Im Herzen des Kollektivs stehen Authentically Plastic, Turkana und Nsasi, drei Freund:innen, geeint durch ihre Freude am Entdecken neuer Ausdrucksformen in der elektronischen Musik.
Turkana & Authentically Plastics „Diesel Femme” baut gleichermaßen auf Industrial, Techno und Gqom und beginnt mit dem Anlass-Geräusch eines Motorrad-Motors.
ANTI-MASS sind in ihrem Wesen queer, werden darin aber gegenüber ihrem Publikum nicht allzu explizit. Darin verfolgen sie ein doppeltes Ziel: Zum einen wird damit eine gewisse Offenheit bei ihren Veranstaltungen gewahrt, zum anderen soll damit vermieden werden, zu viel Aufmerksamkeit seitens staatlicher Autoritäten auf sich zu ziehen. Ihre Partys mussten immer wieder die Locations wechseln, um Razzien zu verhindern. „Als wir angefangen haben, wollten wir, dass ANTI-MASS offen für verschiedene Sexualitäten ist”, erklärt Authentically Plastic. „Wenn heterosexuelle Freund:innen von uns kamen, konnte man die Menge schwerer in Schubladen stecken, und das war in Hinblick auf die Polizei ein bisschen sicherer. Viele der Locations, die wir dazu genutzt haben, sind aber seit der Pandemie geschlossen.”
„Es kommen wirklich ganz unterschiedliche Leute zu unseren Partys, weil sich die Community einfach über Musik definiert”, betont Turkana. „Weil wir mit Nyege Nyege arbeiten, sind das normalerweise keine total heterosexuellen Partys, aber wir versuchen, mit der Secu vorsichtig zu sein und richtig gute Leute für die Tür zu kriegen, für den Fall, dass die Polizei kommt, und wir schauen genau darauf, mit wem wir Infos zu unseren Partys teilen.”
Auch, wenn die Repression in Uganda ANTI-MASS zur Vorsicht zwingt: Identitätsbekundungen stehen im Herzen des Kollektivs und dessen Handlungen. Besonders Authentically Plastic zeichnet sich durch einen einzigartigen Zugang zu Fashion aus, wie zum Beispiel das Bühnenoutfit beim Nyege-Nyege-Festival 2019 zeigt. In der Performance gleitet Authentically Plastic durch die Sounds – mit einer Treffsicherheit, die Genregrenzen weitaus weniger ernst nimmt als die meisten westlichen Zuhörer:innen das tun würden – und zeigt dabei auf einzigartige Weise die Formen auf, die Clubmusik annehmen kann. Ein Geist, der sich durch die ganze Crew zieht.
„Wenn man mich bucht, lege ich komplett anders auf als [Authentically Plastic] oder [Turkana] das würden”, sagt Nsasi. „Auf eine Art spricht man fast jede:n anders an, ohne dabei aber die eigene Identität aufzugeben. Wir versuchen, einen bestimmten Sound für eine bestimmte Crowd beizubehalten, mit unseren Leuten zu kommunizieren, aber wir müssen nicht auf Plakate schreiben, dass das sowas wie eine Gay-Party ist. Wir umgeben uns mit Leuten, die unsere Identität verstehen, und dadurch haben wir stabile Arten und Weisen, Dinge zu kommunizieren, ohne sie aussprechen zu müssen.”
„Ich glaube, manchmal sind Leute aus dem Westen ein bisschen verwirrt, wenn sie uns spielen hören”, sagt Authentically Plastic. „Einmal, in Nairobi, meinte jemand aus Europa, dass die Musik für ihn total ungewohnt war, weil er ganz verschiedene Sachen gehört hätte, die in seinem Kopf einfach nicht zusammengehört haben. Wir gehen gerade ganz unbedarft an die elektronische Musik ran, kennen die Kategorien nicht wirklich, schaffen Verbindungen zwischen Sounds, die nicht in Genres passen. Wenn ich einen Jungle-Track spiele und dann einen Gqom-Track, sind das verschiedene Welten, aber es gibt Verbindungen, die ich aufgreife, und ich versuche herauszufinden, wie ich diese Sprünge zwischen den Welten stilvoll umsetzen kann.”
Zur Zeit, als Authentically Plastic, Turkana und Nsasi ihr Interesse für DJing und Musikproduktion entwickelten, rückte dank digitaler Kommunikationswege elektronische Musik aus der ganzen Welt in Reichweite. In ihre Sets fließen Techno, Industrial, Acid und andere westliche Genres ein, die wichtigeren Einflüsse kommen jedoch aus geographisch näher gelegenen Gegenden.
Für Authentically Plastic war einer dieser Einflüsse der Besuch traditioneller Konzerte in der Schule, wo they etwa den larakaraka-Tanz aus Norduganda kennenlernte. „Im Wesentlichen sind das einfach viele verschiedene Instrumente, die nacheinander reinkommen, und Elemente, die einfach geschichtet werden, bis sich ein sehr intensiver Sound aufgebaut hat. Für mich war das eine der frühesten Begegnungen mit Tanzmusik”, erklärt Authentically Plastic. Nsasi und Turkana erzählen von lingala, einer Tanzmusik, die ihren Ursprung im Kongo der 1940er Jahre hat, sowie in arabischer Musik aus dem Südsudan. Letztlich sind sich alle drei darin einig, dass ihnen das Erschließen unentdeckter musikalischer Ausdrucksweisen wichtiger ist als ein bewusstes Weiterführen des Vorangegangenen.
„Mein Interesse an elektronischer Musik wurde geweckt, noch bevor ich DJ wurde, nämlich, als ich zum Nyege Nyege ging und zu ANTI-MASS kam”, erklärt Turkana. „Ich war total beeindruckt, weil die Musik wirklich frei denkt. Ich fühlte da so eine Freiheit im klanglichen Ausdruck, etwas Unverfälschtes. Ich fand darin einen Ort, an dem ich mich sicher fühlte und kreativ werden konnte.”
Erste Erfahrungen mit dem DJing machte Turkana bei einem eintägigen Workshop. Von empowernden Worten angespornt, entdeckte sie das Potenzial von Live und begann, eigene Musik zu produzieren. So wie auch die anderen nennt sie Rey Sapienz als einen bedeutenden Akteur, der der elektronischen Untergrund-Musikszene in Kampala sein Wissen über Musikproduktion vermittelt. Sapienz, der sich Musikproduktion selbst beigebracht hat, arbeitet seit 2017 mit Live, gibt sein Wissen heute bei Workshops weiter und bietet Künstler:innen mit dem Hakuna-Kulala-Label eine Plattform. Turkana entwickelte ihre eigenen Techniken und traf in Kampala auf Authentically Plastic und Nsasi. Hier stellten die drei fest, dass sie eine gemeinsame musikalische Vision teilten.
ANTI-MASS veröffentlichten 2020 ihre ersten Tracks auf einer Tape-Compilation von Nyege Nyege, 2022 releaste Authentically Plastic mit Raw Space ein Debüt-Soloalbum auf Hakuna Kulala. Mit der EP DOXA traten ANTI-MASS erstmals über ihre „Color and Chaos”-Partys hinaus öffentlich als Einheit in Erscheinung. Die Tracks auf der EP entstanden während des Lockdowns, als sich alle drei intensiv mit der Musik der Anderen beschäftigten und feststellen, dass sie einander bei ihrem künstlerischen Wachstum unter die Arme greifen konnten – für Künstler:innen, die noch am Anfang ihrer Karriere als Musiker:innen stehen, eine erstaunlich intentionale und klarsichtige Arbeitsweise.
Hier geht’s zum kostenlosen Downloads von Loops und Samples aus dem DOXA EP von ANTI-MASS
Die im Download enthaltenen Loops und Samples sind ausschließlich zu Studienzwecken gedacht und dürfen nicht zu kommerziellen Zwecken genutzt werden
„Das war super organisch”, sagt Nsasi über die Entscheidung, das Kollektiv aufzubauen und DOXA gemeinsam zu entwickeln. „Wir hingen eh schon an denselben Orten rum, gingen zu denselben Partys, und wussten, dass wir als Künstler:innen wachsen wollten und einander beim Wachsen helfen wollten. Also sagten wir irgendwann, „Hey, nach all den Listening-Sessions und wenn man sich anschaut, was wir bisher zusammen gemacht haben, könnten wir unseren Sound auch der Welt zeigen.”
Authentically Plastic & Nsasi - “Galiba”, der Leadtrack von der EP DOXA
Über sechs Tracks hinweg lernen wir die besonderen Qualitäten kennen, die ANTI-MASS ausmachen. Jedes Stück hat seine eigenen und einzigartigen Charakeristika, und die Logik, die alles zusammenhält, spiegelt sich in ihren DJ-Sets und Live-Performances. Der Rhythmus hält die Hörenden durchgehend in Bewegung, läuft manchmal in zwei Richtungen gleichzeitig, ändert sich mitunter unerwartet. Dies gilt besonders für den Opening-Track „Galiba” von Authentically Plastic und Nsasi, der gleichermaßen intensiv und leichtfüßig daherkommt.
„Dieser gemeinsame Track war von einer intensiven psychedelischen Erfahrung am See inspiriert,” erzählt Authentically Plastic. „Das war wie eine rituelle Erfahrung,” fügt Nsasi hinzu. „Wir haben versucht, die Intensität einzufangen, die verschiedene traditionelle Drum-Patterns für Rituale und Feiern mit sich bringen. Es ist manchmal spannend, wie ein Klang aus Ost-Uganda wirkt, wenn man ihn mit einem Sound aus Zentral-Buganda kombiniert. Ich habe ‘Galiba’ zur Zeit des Albumreleases bei ein paar Partys gespielt”, fügt Authentically Plastic hinzu, „einfach um zu schauen, wie die Menge auf den Track reagiert, und dabei ist jedesmal eine intensive Energie entstanden. Jede:r kann damit was anfangen, weil wir mit verschiedenen tribalen, traditionellen Sounds arbeiten, und die bedeuten unterschiedliche Dinge, je nachdem, woher man kommt.”
Der Hauptfokus bei den Sounds von ANTI-MASS liegt auf der Percussion – in der Hitze einer Party ist für das Kollektiv daher natürlich die größtmögliche Kontrolle über Drum-Manipulationen wichtig. Nsasi hat aus diesem Grunde das expressive Potenzial hybrider Live-DJ-Sets entdeckt, sowohl bei ANTI-MASS, als auch in anderen Kontexten. Nsasis Set-up beinhaltet für die klassischeren DJ-Parts Traktor Pro, das mit Live synchronisiert ist, wo ein Projekt mit einzelnen Produktions-Spuren läuft. Die Spuren kommen mit einem eigenen Kanal aus dem DJ-Mixer. Nsasi kann dadurch spezielle Sounds aus Projekten in die gespielten Tracks einfließen lassen.
„Ich will dabei einfach die Freiheit haben, mit jedem Sound zu arbeiten – und das dann, wenn ich ihn brauche”, erklärt Nsasi. „Manchmal, wenn man spielt, gibt es einen Sound, den man in einem Übergang hören will. Ich kann dann herumspielen und einfach schauen, wie ich in dem Moment inspiriert werde. Ich finde es so auch leichter, eine Verbindung mit der Menge aufzubauen.”
In Authentically Plastics Produktionsprozessen nehmen Experimente mit polymetrischen Rhythmen eine wichtige Rolle ein – deutlich hörbar wird das auf Raw Space sowie auf den solo und kollaborativ entstandenen Tracks auf DOXA. Ein wesentlicher Durchbruch war dabei die Entdeckung, dass man die Taktart in einem Live-Projekt ändern und Parts mit unterschiedlichen Metren layern kann.
„Ich weiß nicht, wann ich das entdeckt habe,”, erzählt Authentically Plastic. „Ich glaube, das war bei unserem Freund Rey Sapienz, der uns sowas immer beibringt. Mein Ausgangspunkt war, dass ich einen Rhythmus wollte, der lose klingt, als würde er sich ständig verändern, ähnlich wie viele Rhythmen von zu Hause. Ich will jedes Musik-Tool kennenlernen, mit dem ich von einen Rhythmus in den nächsten springen kann. Das ist etwas, was ich viel mache, Taktarten ändern und verschiedene Rhythmen layern.”
Authentically Plastics „Sabula” – überlappende Taktarten erzeugen ein ständiges Gefühl von Bewegtheit
Ein Beispiel dafür ist „Sabula”: Die anfänglichen 4/4-Kicks entwickeln sich hin zu flottierenden Triolen und industriell anmutenden Formationen, die in den Takt fallen und elegant den Fokus des Grooves in verschiedene Richtungen lenken, was ein Gefühl der Desorientierung erzeugt. „Ich glaube, Sabula sprang zwischen einem Dreiviertel- und einem Vierviertel-Rhythmus und an manchen Punkten haben die sich überlagert. Ich habe keine klassische Musikausbildung. Sowas kommt einfach aus Experimenten und dem Gefühl dafür, was für mich gut klingt.”
Auch in Authentically Plastics DJ-Sets entsteht eine Spannung zwischen Taktarten, die sich abwechseln und kollidieren – eine Dynamik, die manchmal bis an den Rand des Chaos geht und stets für ein Gefühl der Unvorhersehbarkeit sorgt. „Für mich ist das Herstellen dieser Spannung zwischen Vierviertel- und anderen Rhythmen auf dem Dancefloor so spannend, weil man mit dem spielt, was die meisten Menschen gut kennen, und sie gleichzeitig ein bisschen ins Unbekannte zieht. Ich liebe diese Spannung. Ich würde die Zuhörer:innen gern dazu zu bringen, mir da zu folgen, weil sowas für die meisten Menschen, die Vierviertel-Rhythmen gewohnt sind, wohl eher herausfordernd ist.
Turkana’s “Influencer Convention”
Turkanas Produktionen zeigen eine ganz eigene Affinität für kantige Rhythmen. Ihre Musik zeichnet sich jedoch besonders, wie Tracks wie „Influencer Convention” zeigen, durch die Präsenz stimmungsvoller Pads und texturaler Strukturen aus, die die Tracks jenseits der Beats zusammenhalten. Auch da, wo sie tief in den Mix eingegraben sind, sind diese Elemente noch ein wichtiges atmosphärisches Werkzeug für ihre Musik.
„Drones finde ich total spannend,” erzählt sie. „Wenn ich arbeite, stretche ich gern Drone-Sounds, aus Reaktor oder Maschine zum Beispiel, und arbeite dann in Live damit, um ein bisschen Rhythmus reinzubekommen. Ich mag das, Sounds in Live zu öffnen und ohne Erwartungen und im freien Fluss zu gestalten. Manchmal layere ich Sounds mit einer gewissen Düsterheit, manchmal auch industrielle oder schwere Klänge,” fügt sie hinzu. „Wie dieser Motorrad-Sound am Anfang meines Tracks mit [Authentically Plastic], keine Ahnung wieso, aber ich stehe auf diese härteren, intensiveren Klänge.”
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass die Tendenz zu härteren Klangfarben und Texturen im Sound von ANTI-MASS nicht ohne Kontraste bleibt – in ihrer Musik ist genauso Platz für verspielte Flamboyanz. „Düstere Sachen können durchaus auch verspielt sein,” sagt Authentically Plastic. „Es gibt auch Raum für Humor in düsteren Klängen, und ich find’s gut, wenn Menschen diesen Drahtseilakt meistern.”
„Grind” von Nsasi - bewusst chaotisch, düster und verspielt
„Das ist, glaube ich, etwas, wozu ich immer einen Bezug herstellen will in meinen Produktionen,” stimmt Nsasi zu, deren gruselig anmutender Track „Grind” auf DOXA unverwechselbar verspielt daherkommt. „Ich leg’s nicht auf Ordentlichkeit an. Ich will die Regeln brechen und dabei Spaß haben.”
Die Musik von ANTI-MASS hat auch aufgrund des Drucks, den die repressive Gesellschaft auf das Kollektiv ausübt, eine gewisse Schärfe. Das Trio möchte seine Musik nicht als politisch bezeichnen – zumindest nicht hinsichtlich expliziter Messages, Lyrics oder Tracknamen –, wo jedoch schon Identitäten zu einem Akt der Rebellion gegen den Staat werden, kann man einen gewissen rebellischen Charakter schwer vom Akt des Selbstausdrucks trennen. „Deine ganze Existenz ist politisch, wenn du an einem Ort lebst, wo die Dinge falsch laufen,” betont Turkana.
„Ich würde nicht sagen, dass wir unsere politischen Ideologien bewusst nach außen tragen, aber man findet schon Sachen, die in diese Richtung kommuniziert werden,” fügt Nsasi hinzu. „Ich persönlich kann die Musik nicht wirklich von der Politik trennen, und vom Gefühl der Unruhe, das ich in Kampala empfinde,” sagt Authentically Plastic. „Dinge einfach verändern oder beschleunigen zu wollen.”
Deine ganze Existenz ist politisch, wenn du an einem Ort lebst, wo die Dinge falsch laufen
ANTI-MASS können den Einfluss ihrer Umwelt nicht leugnen – das bezieht sich sowohl auf den sozio-politischen Kontext Ugandas, als auch auf ihre Stellung innerhalb der elektronischen Musikcommunity in Ostafrika. Im Angesicht ihrer entschiedenen Fokussierung darauf, sich mit ihren Sounds neue Gebiete zu erschließen, achtet jede:r von ihnen darauf, den Einfluss der tiefer verwurzelten traditionellen Musik der Region nicht zu stark überzubetonen.
„Irgendwie gehören wir schon zu einer Bewegung, ich finde aber, da ist schon auch etwas sehr individuelles an unserer Arbeit,” sagt Turkana. „Ich habe mit südsudanesischen traditionellen Instrumentalist:innen gearbeitet, deren Musik gesampelt, aber mich zieht es zu einer Idee von Freiheit, weil ich in der Lage sein will, gleichzeitig in zwei verschiedene Richtungen zu gehen und mich dabei nicht zu fühlen, als müsse ich irgendeinen bestimmten Sound repräsentieren. Es gibt Rhythmen, die leben in einem, vielleicht hat man sich die immer und immer wieder gehört, aber ihnen nie richtig seine Aufmerksamkeit geschenkt, und wenn man dann produziert, dann kommen die von ganz alleine raus.”
„Es geht mir gar nicht so sehr darum, unseren geographischen Ort zu repräsentieren,” fügt Authentically Plastic hinzu. „Ich habe vor kurzem ein Buch von Kodwo Eshun gelesen, in dem er etwas gesagt hat wie ‘Wir interagieren nicht unbedingt mit Sounds und Rhythmen, um uns in unseren Wurzeln zu verankern, sondern eher, um uns zum Abflug bereit zu machen.’ Für mich sind traditionelle Rhythmen und Sounds ein Tool, mit dem ich den Absprung in neue Gebiete schaffe. Dabei nimmt man ein bisschen was von der traditionellen Kultur mit, aber dann landet man vielleicht wo, wo man noch nie war.”
Text und interview: Oli Warwick
Fotos: Guilla Gomez, Drago Xie, Tim Turyahikayo, Nsasi
Mehr zu ANTI-MASS gibt es auf ihrer Webseite, Instagram, und Bandcamp