Vielseitigkeit ist die Qualität von Anthony Pirog, dem Gitarristen aus Washington D.C. – ein Saiten-Virtuose, der die Schnittmenge aus Blues, Jazz und Rock mit Effektpedalen und wechselnden Spielweisen bearbeitet und verformt. Auf sein Debütalbum Palo Colorado Dream würde der Sticker „Gitarrenheld“ gut passen, doch Anthony ist keiner, der sich auf Lorbeeren ausruht oder musikalisch auf Nummer sicher geht. Auf der Suche nach neuen Sounds entdeckte er Lives Audio-to-MIDI-Funktion und nutzte sie zum Triggern analoger Synth-Layer per Gitarre – ein Paradebeispiel dafür, wie Technologie neues Leben in wohlbekannte Klänge bringen kann.
Anthony Pirog: Von Audio zu MIDI und zurück
Was hat dich dazu gebracht, Audio to MIDI zu nutzen? Wann hast du die Funktion entdeckt?
Das war im März 2013, als ich mein Debütalbum Palo Colorado Dream aufnahm. In einem Studio namens The Brink war ich mit der Post Production beschäftigt und mit meinem Gitarrensound nicht wirklich zufrieden. Gitarre plus Synth-Sounds ergab tolle Texturen, doch keine wirkliche Einheit. Es klang eher so, als ob zwei Musiker spielen. Dabei wollte ich meine Gitarre in manchen Frequenzbereichen einfach fetter klingen lassen.
Dann kam Lives Audio-to-MIDI-Funktion ins Spiel. Live besaß ich damals noch nicht, deshalb besorgte ich mir das kostenlose Demo, importierte meine Gitarrenspuren, wandelte sie in MIDI um und überprüfte das Ergebnis mit einem Live-internen Synth-Sound. Ich war sofort begeistert – die MIDI-Aufnahme passte perfekt zum organischen, rhythmischen Feeling meiner Session-Performance. Dies eröffnete viele neue Möglichkeiten für Klangkombinationen. Mike Reina, der Besitzer und Engineer von The Brink und Koproduzent meines Albums hat eine tolle Sammlung alter Analog-Synthesizer. Wir sendeten die in Live extrahierten MIDI-Spuren an ausgewählte Exemplare, etwa an einen Sequential Circuits Prophet 5 und einen Modular-Synth von synthesizers.com.
Die Synths sind eher dezent eingesetzt und stehlen meinen Gitarrenparts nicht die Schau – sie geben ihnen ein Plus an Wärme und Sustain. Synth-Parts einfaden zu können, die exakt zum Gitarrenspiel passen, das hat mich wirklich begeistert – eine tolle Erweiterung meiner live aufgenommenen Gitarre.
Computer, Synthesizer und MIDI gelten kaum als organische Werkzeuge. Inwiefern passen sie zu deinem Stil und zur ungeschminkten Ästhetik deiner Musik?
Synthesizer-Musik höre ich schon sehr lange. Wenn ich Songs im Studio aufnehme, sind synthetische Texturen für mich immer eine Option. Als ich noch ein Teenager war, traf ich eine klare Unterscheidung zwischen aufgenommenen Dokumenten und dem Live-Spielen – zwei Dinge, die für mich nicht dasselbe waren, in manchen Fällen auch gar nicht dasselbe sein konnten. Für dieses Album hatte ich den Plan, mein Trio – mit Michael Formanek am Bass und Ches Smith an den Drums – zwei Tage lang live aufzunehmen und aus den Aufnahmen etwas zu machen, das über ein simples Studio-Meeting hinausgeht. Es ging mir um den Raum, der die Sounds umgibt – jeder Ton sollte behutsam klingen und nicht nur aufgenommen. Ich bin zwar ein Jazzmusiker, höre aber viel Indierock. Auf meinen aktuellen Lieblingsplatten sind viele Synthesizer zu hören – das weckte mein Interesse und brachte mich dazu, synthetische Sounds in mein Album einzubauen.
Gab es einen längeren Lernprozess, als du begonnen hast, mit diesem Setup zu arbeiten?
Überhaupt nicht – das war alles ganz unkompliziert. Ich habe die Audio-Spur meiner Gitarre importiert und einfach auf den Button geklickt, der sie in MIDI umwandelt. Die Konvertierung war nicht perfekt, doch sehr beeindruckend. Ich musste in der MIDI-Spur zwar ein wenig aufräumen, da ein paar Obertöne hineingeraten waren und manche Noten nicht erfasst wurden, doch der rhythmische Aspekt meiner Performance wurde ideal übersetzt. Die paar schrägen Noten zu reparieren war kein großes Ding. Als das erledigt war, dachte ich, „Hey, jetzt gehört mir die MIDI-Welt!“. Der Workflow und das Ergebnis haben mich wirklich umgehauen. Audio to Midi hat viel Potenzial – für mein nächstes Album werde ich die Funktion auf die Drums und die akustische Bassgitarre anwenden.
Was kommt nach dem Layering? Was hast du mit „Audio to MIDI“ als nächstes vor?
Ich will meine Gitarre als MIDI-Controller einsetzen und in Live-Performances wie im Studio versiert darin sein. Da ich kein Spitzen-Keyboarder bin, fasziniert mich die Möglichkeit, MIDI und Software-Synths per Gitarre zu steuern. Ästhetisch gesehen ist der Mix aus Gitarren und Synthesizern natürlich ein wenig heikel, doch ich bin schon sehr gespannt darauf, was ich auf diesem Gebiet alles erreichen kann.
Erfahren Sie mehr über Anthony Pirog auf seiner Webseite.