Angélica Negróns musikalische Biografie liest sich wie die ideale Verbindung aus Alt und Neu: Sie studierte Klavier und Violine an Puerto Ricos Musikkonservatorium, gründete dann die elektroakustische Dreampop-Band Balún und produzierte unter dem Pseudonym Arturo en el Barco Ambient und Lo-Fi-Musik. Ihre neuesten Projekte sind Auftragskompositionen für verschiedene Festivals und Ensembles sowie zwei Soundtracks für Spielfilme. Beim Kombinieren von traditioneller und neuer Musik nimmt Angélica Negrón eine ureigene Perspektive ein.
Stücke wie „Bubblegum Grass / Peppermint Field“ zeigen Negróns großes Spektrum von Einflüssen und Ideen: Instrumente aus der Kammermusik treffen hier auf das von Alex Rigopulos erdachte „Gamelan Elektrika“, dessen Musiker beim Spielen traditioneller indonesischer Gamelan-Instrumente zusätzliche Trigger-Impulse erzeugen, die in Ableton Live gespeicherte Klänge ansteuern. Diese werden im Fortlauf der Performance von einem weiteren Musiker verändert. Das „Gamelan Elektrika“ fordert dadurch seine Spieler heraus, so Rigopulos, „stillen Instrumenten zu vertrauen und ein Verständnis für komplexe Musik und ineinander greifende Klänge zu entwickeln – nicht über den individuellen Sound, sondern über den Sound des Ganzen“.
In diesem Video sehen Sie eine Aufführung von „Bubblegum Grass / Peppermint Field“:
Auf der Suche nach einer Alternative zu herkömmlichen Notations-Programmen fand Angélica Negrón zu Ableton Live: „Ich habe jahrelang vorwiegend mit Notations-Software gearbeitet“, erzählt Negrón, „und dann mit Ableton Live einen einfachen Weg gefunden, mein Interesse am Schreiben von elektroakustischer Musik mit dem kompositorischen Prozess an sich zu verbinden“. Mit Live wurde etwas möglich, das für Negróns Musik sehr wichtig ist: die Kompositionen schon beim Schreiben hören zu können. „Viele meiner Stücke haben neben der akustischen eine elektronische Komponente, und in Live kann ich beide Elemente gleichzeitig hören: Das war mit Notations-Software unmöglich.“
Angélica Negrón nutzt Live nicht nur zur Montage von Parts für akustische Instrumente, sondern auch als vielseitigen Sample-Editor und Klangerzeuger. Sie bezeichnet Sampler als „Hauptwerkzeug“ ihrer elektronischen Kompositionen und Performances: „In meiner Musik verwende ich oft Field-Recordings von zufälligen Geräuschen, Weingläsern, hübsch klingenden Lampen in meiner Wohnung, Stimmen oder meiner gesammelten Spielzeug-Instrumente. Häufig baue ich auch Mikro-Samples von früheren Stücken ein, die auf meinen Wunsch, mit Musik verschiedene Momente und Augenblicke einzufangen, festzuhalten und auch wach zu rufen, direkt ansprechen. Ich finde es immer interessant, wie sich einzelne Samples von gefundenen Sounds mit einfachen Manipulationen und schlichtem Ändern der Tonhöhe verändern lassen: Dem gehe ich in meiner Arbeit ständig nach“.
Die Komponistin beschäftigt sich bereits mit neuen Möglichkeiten, Ableton Live für Produktion und Performance einzusetzen – „Ich denke darüber nach, Ableton-Live-Versionen meiner Tracks zu haben“ – und Stücke zur Aufführung zu bringen, deren Schwerpunkt mehr (bzw. ausschließlich) auf Passagen liegt, die anstelle eines akustischen Ensembles von Ableton Live gespielt werden: „Für ‘Bubblegum Grass / Peppermint Field’ habe ich eine zweite Version geschaffen, die von einem Streichquartett gespielt werden könnte – in Kombination mit meiner Ableton-Live-Version des Gamelan-Parts“. Angélica Negrón – eine faszinierende Künstlerin, die die Grenze zwischen klassischer und elektroakustischer Musik ständig neu auslotet.
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