Um zu den tatsächlichen Ursprüngen traditioneller indischer Musik vorzudringen, bedarf es einer Zeitreise durch tausende Jahre kultureller Geschichte. Das Beherrschen von Instrumenten wie der Tabla oder der Sitar kam einer Lebensaufgabe gleich; basierend auf mündlichem, über Generationen weitergetragenem Wissen. Im krassen Gegensatz dazu steht die moderne, auf Software setzende Musikproduktion, die gerade erst einige Jahrzehnte alt ist. Dass diese beiden Welten vereint äußerst interessante neue Stilistiken hervorbringen können, beweisen die musikalischen Arbeiten von Mayur Narvekar.
Nach seinem Tabla-Studium, das sage und schreibe 20 Jahre andauerte, begann Mayur damit, traditionelle indische Musik mit den technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts in neue Bahnen zu lenken. Als Teil des Bandish Projekts pflegt er den Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart und beweist, dass die komplexen Rhythmen des Tabla-Spiels eine wahre Bereicherung für moderne elektronische Musik sein können. Per Chat sprachen wir mit Mayur darüber, wie diese gegensätzlichen Klangwelten zueinander finden.
Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das Erlernen eines traditonellen indischen Instruments wie der Tabla ein ziemlich harter Prozess. Kannst du uns die einzelnen Schritte hin zum meisterhaften Umgang erläutern? Ich glaube einmal gelesen zu haben, dass ein Tabla-Schüler die verschiedenen Rhythmen zuerst mit dem Mund beherrschen muss, ehe es dann ans eigentliche Instrument geht.
Diesen Prozess nennt man Padhan. Wir rezitieren die Rhytmen laut vor uns hin, bevor wie sie später auf der Trommel spielen. Wenn man diese Pattern im Geist verinnerlicht hat, ist es leichter, sie auf der Tabla wiederzugeben. Das ist ein wirklich langer Weg, den man besser Schritt für Schritt geht. Man muss stets fokussiert bleiben und üben, üben, üben. Diese Kunstform erlernt sich nicht so schnell, wie man anfänglich vielleicht denkt. Wenn du eine Tabla Bol – eine bestimmte rhythmische Phrase auf der Tabla – hundert Mal spielst, dann verstehst du es. Wenn du es tausend Mal spielst, hast du deine Muskulatur so langsam darauf programmiert. Dann kannst du kreativ werden und das Erlernte in deine Kompositionen einbringen. Die Perfektion kennt dabei keine Grenzen.
Wie gehst du mit Aspekten der traditionellen Musik in deinen Produktionen um?
Ich gebe dir ein Beispiel. Im folgenden Video kann man sehr gut sehen und hören, wie aus meinen Tabla-Pattern letztlich ein Grime-Beat wird.
Ich beginne mit etwas, das mir klanglich gefällt. Es kann ein Beat sein, ein Sound oder ein Geräusch – was immer mich gerade begeistert. Das Erlernen eines klassischen Instruments wie der Tabla folgt logischen Prozessen. Diese helfen mir, in andere Bereiche vorzudringen. Ich denke dabei nicht in den Kategorien spezifischer Techniken, weil ich verschiedene Sachen ausprobieren will, die jeweils eigene Anforderungen haben. Moderne Software bietet so viele Möglichkeiten. Man kann sich leicht verrennen und viel Zeit und Energie in Dinge stecken, die mit der Ursprungsidee nicht mehr in Einklang stehen. Am Ende hast du dann einen Sound, mit dem du unzufrieden bist. Sich bewusst machen, was man erreichen will, ist also sehr wichtig. Wobei das nicht heisst, dass man nicht experimentieren sollte.
Die Geschichte der indischen Musik reicht weit in die Vergangenheit zurück. Elektronische Produktionen sind jedoch noch relativ neu. Hast du das Gefühl, dass es schwierig ist, beides unter einen Hut zu bringen? Oder bist du glücklich darüber, dass du traditionelle Elemente als Rohmaterial für musikalische Neuerkundungen zur Verfügung stehen hast?
Nun, es hängt davon ab, wonach der Track verlangt. Ein druckvoller Sound ist genauso wichtig wie natürliche Ästhetik. Nimm zum Beispiel den Track „Sargam Breaks” von meinem ersten Album Correkt. Hör' dir den Gesang an, der nach etwa einer Minute einsetzt und später wieder komplett zerhexelt auftaucht. Ich habe auf künstlichem Wege eine neue Melodie daraus gemacht, aber so, dass sie mit dem Rhythmus des elektronischen Grooves einher geht.
Bleiben Sie mit Mayur Narvekar über seine Website in Verbindung.